Regine Meyer kramt in ihrem Beutel, um ihren Hund Filou mit einem Leckerli dafür zu belohnen, dass er brav „Sitz“ gemacht hat. Sie kennt die unendliche Loyalität von vierbeinigen Freunden besser als jeder andere.

Es ist kurz vor halb zwei am 14. Januar 2019. An der Eingangstür der DSD-Schule Nr. 46 warten bereits Regine Meyer und Julia Nikolajewa, Mitgründerinnen der Tierschutzgruppe „Pro Dog Astana“, mit Filou. Sie werden von neugierigen Schülern umringt. Nach einer kurzen Begrüßung in der Aula beginnt der interaktive Hunde-Workshop der Kynologin Meyer, die den Schülern und Lehrkräften mit einer Fülle an Informationsmaterial zeigt, wie man richtig mit Hunden umgeht und vor allem, wie man mit ihnen kommuniziert.

Dabei wurde deutlich, dass Hunde anerzogene Anweisungen verstehen und befolgen können, aber auch Menschen lernen müssen, die Sprache der munteren Vierbeiner richtig zu deuten und nicht misszuverstehen. Gleichzeitig hatten die Workshop-Teilnehmer viel Spaß mit Filou, der mit seinen Tricks Schüler wie Lehrer begeisterte und ihnen schnell die Scheu davor nahm, ihn zu streicheln oder sich von ihm beschnuppern zu lassen. Im Anschluss beantwortete die Hundetrainerin geduldig die geradezu auf sie einprasselnden Fragen der Schüler.

Wie sind Sie Hundetrainerin geworden?

Vor zehn Jahren ist mein Hund im Alter von 13 Jahren gestorben. Dann kam Filou zu mir. Seitdem habe ich mich mehr mit dem Thema „Erziehung“ auseinandergesetzt. Tiere mochte ich schon immer.

Ich bin eigentlich Zahnärztin, wollte aber irgendwann beruflich mit Hunden arbeiten. Also habe ich mich zur zertifizierten Hundetrainerin ausbilden lassen. Wobei Hundetrainer nicht der passende Begriff für mich ist, denn ich verstehe mich eher als Dolmetscher für Hunde. Für mich ist es wichtig, den Menschen, die sich einen Hund anschaffen, zu helfen, erst einmal zu verstehen, was der Hund sagen will. Ich versuche den Menschen zu vermitteln, dass sie sich mehr Zeit dafür nehmen sollten, mehr auf Tiere einzugehen. Dann kommt nämlich auch etwas zurück.

Tiere sind uns Menschen in vielen Dingen ähnlich, aber die Sprache ist anders. Das muss man versuchen, in Einklang zu bringen. Wir werden es niemals hundertprozentig verstehen, wie Hunde zu bellen, und ein Hund wird nie sprechen können, aber wir können uns irgendwo in der Mitte treffen.

Wie war es zu Beginn?

In Berlin habe ich zunächst ganz klein angefangen, indem ich Hunde aus der Nachbarschaft ausführte. Mit der Zeit kamen immer mehr dazu. Manchmal bin ich mit fünf, sechs Hunden gleichzeitig spazieren gewesen – meistens auch noch mit dem Fahrrad. Vor allem im Bus haben die Leute immer erstaunt geschaut.

Hat Ihr Hund auch ein Zertifikat?

Ja, Filou ist ein ausgebildeter Therapiehund. Ich habe Flugangst, und so kann er mit mir in die Kabine gehen. Außerdem muss ich bestätigen, dass sich mein Hund in Situationen, wie hier in der Schule, wo es viel Neues und ungewohnte Geräusche gibt, nicht so schnell beunruhigen lässt oder gar anfängt zu beißen. Man muss sich von Fachleuten bestätigen lassen, dass er für Menschen sicher ist. Aber er ist und bleibt ein Tier. Da bin ich auch gefragt, denn ich muss wissen, wann es ihm zu viel wird, um rechtzeitig abzubrechen.

Gab es Situationen, in denen Ihr Hund Ihre Anweisungen nicht befolgen wollte?

Es gibt Situationen, durch die der Hund durch muss. Bei einer Passage zum Flugzeug beispielsweise konnte man durch den Fußboden schauen und da musste er darüber gehen. Das war ihm nicht geheuer, trotzdem sagte ich: „Nein, wir gehen jetzt. Zack.“ Da muss ich taff sein. Es gibt natürlich auch Situationen, wo er mich flehend anschaut, weil Hundertfünfzigtausend Kinderhände seinen Kopf anfassen. Dann drückt er aus: „Bitte es reicht echt jetzt mal!“ Und ich sage: „Okay, wir machen Schluss.“

Natürlich übt man mit dem Hund, brav an der Leine zu laufen oder Sitz und Platz zu machen. „Filou“ stammt aus dem Französischen und bedeutet Schlitzohr. Manchmal tut er so, als ob er brav sei, aber dann klaut er doch mein Schnitzel. Doch je mehr ein Hund kann, desto mehr darf er herumlaufen und letztendlich ein Hund sein.

Nehmen Sie an Wettbewerben teil?

Sitz! Hundetrainerin Regine Meyer mit Filou.

Nein. Mir ist es einfach wichtiger, dass ich möglichst vielen Hunden auch helfe, weil ich sie sehr liebe. Das ist ein Manko, das auch viele meiner Kollegen haben. Sie sind alle Hundetrainer geworden, weil sie Hunde so lieben.

Ferner ist es auch essenziell, dass man ebenfalls mit schwierigen Menschen zurechtkommt, denen man erklären kann: „Schau mal; es nutzt dir nichts, wenn du auf deinen Hund haust oder ihn anbrüllst, wenn er nicht gekommen ist, und jetzt ist er da.“ Man muss lernen, so zu navigieren, dass dein Gegenüber dich nicht angegriffen fühlt, sondern auch die Vorteile sieht.

Wie sind Sie nach Astana gekommen?

Mein Mann ist als Diplomat in der Deutschen Botschaft in Astana tätig, und ich bin eine sogenannte mitausreisende Partnerin. Wir sind im August 2017 hierhergekommen. Es ist wichtig, dass man in einem unbekannten Land eine Leidenschaft hat – und Hunde sprechen auf der ganzen Welt in derselben Sprache. Das ist ein großer Vorteil für mich. Ich habe Kontakt zu einigen Hundebesitzern in Astana, mit denen ich mich regelmäßig treffe. So entstehen auch kleine Gruppen. Zurzeit haben wir eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe, in der wir uns gegenseitig informieren, was man zum Beispiel mit dem Hund macht, wenn viele Kinder da sind.

Was ist Ihre Meinung zu dem Tierschutz in Astana?

Der Tierschutz ist im Vergleich zu Vietnam, wo ich vorher gelebt habe, definitiv besser. Vietnam ist hart, denn dort werden auch Hunde aus Hunger gegessen. Hier in Astana ist das sicherlich nicht der Fall. Es gibt aber zu viele Streuner auf den Straßen, die auch eine Gefahr für Kinder sind. Ein Hund, der auf der Straße aufgewachsen ist, sieht keinen Unterschied zwischen einem Kaninchen und einem Menschen.

Doch anstatt Straßenhunde umzubringen, sollte man doch vielleicht beginnen, dass sich nicht so viele Tiere reproduzieren. Das wäre für mich der Schlüssel zu einer Verbesserung der Situation. Es muss auf jeden Fall von staatlicher Seite mehr getan werden.

Das Gespräch führten die Schüler des Gymnasiums Nr. 46 in Astana: Akschaiyk Kumar (11. Klasse), Jekaterina Richter (10. Klasse), Arina Belozkaja (9. Klasse), Lew Bocharow (8. Klasse)

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