Alle vier Jahre kollidieren Fußball und Popmusik miteinander. Pünktlich zum Beginn der Weltmeisterschaft in Russland steht eine breite Palette an WM-Songs in den Startlöchern. Will Smith, Jason Derulo und Adel Tawil singen fußballbegeistert den kommenden Wochen entgegen. Offenbart sich in den Hymnen nur das reine Grauen oder gibt es Lichtblicke in der mysteriösen WM-Hit-Welt?

Ein ungeschriebenes Gesetz befeuert zahlreiche Musiker verschiedenster Genres kurz vor jeder Fußballweltmeisterschaft, einen passenden Soundtrack zu liefern. Schlagersternchen, Popsänger, DJs und Hip-Hop-Stars geben Vollgas bei der Jagd um den populärsten WM-Song. Da lohnt es sich, trotz aller Schaudermelodien und Wummerbeats einen Blick auf das Sammelsurium der diesjährigen Fußballmelodien zu werfen.

1. Der offizielle Song

Mit dem unvermeidlichen Stadiongesang „Oh, Oh Oh“ und einem flotten Stampfbeat kommt der offizielle Song des Fußball-Weltverbandes FIFA, „Live it up“ von Nicky Jam, Will Smith und Era Istrefi, daher. Der eingängige Refrain „One life, live it up, ‚cause we got one life/ One life, live it up, ‚cause you don’t get it twice“ verspricht weltweites Ohrwurmpotential. Will Smith übernimmt mit wenig tiefergehenden Zeilen den Part des Rappers. Das Musikvideo ist gespickt mit fußballspielenden Kindern und Reitern, die bestückt mit Nationalflaggen durch eine russische Fabrikhalle galoppieren. Was das genau soll und in der musikalischen Verbindung mit Russland zu tun hat, sei dahingestellt.

2. Von Farben und Flaggen

Die WM-Hymne von Coca-Cola liefert der US-amerikanische Sänger Jason Derulo. Im Musikvideo zu seinem Song „Colors“ wehen vielerlei Flaggen in der bunten Szenerie, in der zahlreiche Tänzer verschiedener Nationen zusammenfinden. Das Motiv der wehenden Flaggen überrascht dabei nicht sonderlich, wenn man in die WM-Song-Vergangenheit von Coca-Cola zurückblickt – der Welthit „Wavin’ Flag“ von K’naan hat sich dafür zu fest in die Ohren gesetzt. Der dynamische Song von Jason Derulo scheint jedoch einem breiten Publikum zu gefallen, das belegen zumindest über 31 Millionen Klicks auf Youtube. Für die Masse gefertigt, kann Coca-Cola so gesehen auch wenig falsch machen: Ein Superstar, ein energischer Beat und jede Menge Sommerlaune. Hinzukommt ein schier simpler Text, der durch die Diskrepanz zwischen der Einheit aller und dem Bekennen zur eigenen Flagge etwas paradox erscheint.

3. Russische Klänge für ein gemeinsames Team

Von Teamgeist und Gemeinschaft singen Polina Gagarina, Egor Kreed und DJ Smash auf Russisch. Ihr Lied „Komanda“, was übersetzt „Team“ bedeutet, handelt mehr von Zusammenhalt und weniger von Fußball. Für einen guten WM-Song bedarf es eben doch nicht immer eines aufdringlichen Stadionchors. Die klare Stimme Polina Gagarinas und das Rap-Intermezzo Egor Kreeds harmonieren durch den Sound des DJs.

4. Deutsche Fußballmelodien zwischen Hype und Horror

Ein dunkler Tunnel, am Ende ein helles Licht. Nein, hier geht es nicht um eine Nahtoderfahrung, sondern um den Beginn des Musikvideos der WM-Hymne von Adel Tawil. Von brennenden Flutlichtern singt der deutsche Musiker im Kölner Rheinenergiestadion. Das Lied „Flutlicht“ verspricht durch seinen pulsierenden Sound die für eine Fußballweltmeisterschaft typische Stadioneuphorie mitzutragen. Jedoch bietet der Song keine mitreißenden Höhepunkte: Zeilen wie „Wir werden zu Helden/ Stehen zusammen in Einigkeit“ avancieren zu den besonders heroischen Momenten des Songs. Wer dachte, dass Campinos Gesang zu „Tage wie diese“ übers Ziel hinausschoss, sollte in den fulminanten Lobsang Adel Tawils reinhören und sich eines Besseren belehren lassen.

5.  Zusammen groß, zusammen eins

Auflockernd und mit weniger Heldentum behaftet, dafür mit einer großen Portion gute Laune versprechen Clueso und die Fantastischen Vier einen starken WM-Sommerhit. Die deutsche Hip-Hop-Gruppe mutiert mit dem Sänger zu „Fanta Fünf“ – und setzt sich „ein eigenes Denkmal“ mit ihrem Song „Zusammen“. Die ARD unterstützt die temporär selbsternannten „Fanta Fünf“ – „Zusammen“ ist der offizielle WM-Song des Senders.

6. Fluch über Dschinghis Khan

Eine Mischung aus Freizeitparkfeeling, miesem Technogewummer und seichtem Schlagergesang bietet die Neuauflage von „Moskau Moskau“ unter der Produktion von Ralph Siegel. Es scheint, als wäre das Personal der kürzlich abgebrannten Attraktion „Piraten in Batavia“ im Europa Park Rust entkommen. Für das flimmernde Spektakel der Neuauflage wurde nicht nur eine internationale und damit multilinguale Version produziert, sondern auch gleich Versionen in Deutsch, Russisch, Englisch und Spanisch. Performt wird die deutsche und englische Version von den verbliebenen Originalmitgliedern der Band „Dschinghis Khan“, Edina Pop und Henriette Strobe, und dem ehemaligen „US5“-Boygroupsänger Jay Khan. Der russische Sänger Alexander Malinin und seine Tochter Ustinya geben die russische Auflage zum Besten. Der mexikanische Tenor Jorge Jiménez und seine Frau Marifer Medrano beschallen den Zuhörer in der spanischen Version. Trotz der fünf Versionen verbleibt der Hörer wohl in aggressiver Stimmung und mit der Frage, ob Jay Khan nur wegen seines Namens als Sänger hinhalten musste.

WM-Songs sind und bleiben nicht die hellsten Sternschnuppen am musikalischen Himmelszelt. So treffen sich aushaltbare Radiodauerschleifen, einige herausragende Lichtblicke und schwerhörbare Partyschlager auf dem Spielfeld der WM-Hits.

Mayely Müller

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