Deutschstunde mal anders: die Kinder fiebern mit der schönen Müllerstochter mit, die im Märchen „Rumpelstilzchen“ eine Lösung aus ihrer verzwickten Lage finden muss. Es ist Vorlesezeit in der DSD-Schule 18 in Almaty.

Da ihr Vater überall im Dorf mit ihrer Schönheit und ihrer vermeintlichen Gabe, Stroh zu Gold spinnen zu können, angegeben hat, erfuhr auch bald der König von der außergewöhnlichen Tochter des Müllers. Er holt sie zu sich ins Schloss und droht ihr mit dem Tod, sollte sie nicht das von ihm herbeigeschaffte Stroh zu Gold spinnen. Das Mädchen ist verzweifelt und sitzt weinend vor dem Spinnrad. Doch sie hat Glück, und Nacht für Nacht erscheint ein kleines wunderliches Männchen, das sich bereit erklärt, dem Mädchen für eines ihrer Schmuckstücke als Gegenleistung zu helfen und das Gold zu zaubern.

Der König ist begeistert von dem Gold und glaubt an ein magisches Talent des Mädchens. So sperrt er sie in immer größere Kammern mit noch mehr Stroh, das sie zu Gold machen soll. Doch da sie nach den ersten beiden Nächten keinen weiteren Schmuck mehr besitzt, muss das Mädchen dem kleinen Männchen in der dritten Nacht ihr noch nicht geborenes erstes Kind versprechen. Das Männchen weiß bereits, dass der König das Mädchen nach dieser Nacht heiraten und sie ein Kind gebären wird. Eines Abends, als das Mädchen, nunmehr Königin, mit ihrem Baby allein ist und das Männchen schon fast vergessen hat, erscheint es plötzlich wieder und fordert das Kindchen ein.

Die Königin bietet ihm alles an, was sie besitzt, wenn es ihr nur das Kind lässt, doch das Männchen weigert sich, etwas anderes anzunehmen. Schließlich gibt er ihr das Rätsel auf, seinen Namen binnen drei Tagen zu erraten, und nur dank eines glücklichen Zufalls erfährt die Königin den Namen des Männchens: Rumpelstilzchen. Als sie das Rätsel lösen kann, verschwindet das Männchen wutentbrannt und kommt nie wieder. So findet das Märchen ein glückliches Ende. „Rumpelstilzchen“ war das Thema der dieses Jahr bereits zum zweiten Mal stattfindenden Vorlesezeit.

Diese findet in der DSD-Schule 18 in der sechsten Klasse der Lehrerin Rosa Zhakupova statt. Jeweils zwei Schulkinder bekommen ein Märchen von einem deutschen Muttersprachler vorgelesen und lösen kleine Rätsel und Spiele. Die Vorlesezeit soll aber nicht nur als besonderer Anreiz und neue Motivationsquelle für das Erlernen der deutschen Sprache dienen. Die Idee der Initiatorin und Fachberaterin Frauke Woitsch war es nämlich, mithilfe von Märchen gleich auf mehrere Weisen Brücken zu schlagen. Ihr neues Konzept bringt zum einen deutsche Muttersprachler, die sich als Vorleser engagieren, und die kleinen Deutschlernenden zusammen.

Es verbindet außerdem gleichzeitig verschiedene Generationen und nicht zuletzt die Sprache mit der Liebe zur Lektüre und dem Lesen. Besonders ist auch, dass nur zwei Kinder je Erwachsenem den Geschichten lauschen. So können bisher unbekannte Wörter individuell erarbeitet werden. Die spielerische und sehr persönliche Vermittlung der Sprache macht nicht nur sowohl den Kindern als auch den Erwachsenen sehr viel Spaß, sondern bietet den Kindern auch eine gute Möglichkeit, viel und frei mit Muttersprachlern deutsch zu sprechen. Von ihm oder ihr verstanden zu werden, stellt eine besondere Herausforderung dar und gibt den Kindern zusätzlich neues Selbstbewusstsein in Bezug auf ihre mündliche Ausdrucksstärke. Dank der Kinderbibliothek in der Tole-Bi in Almaty, die eine Partnerschaft mit dem Goethe-Institut unterhält, mangelt es nicht an Materialien.

Märchen als Sprach- und Kulturmittler

Die Vorlesezeit in diesem Halbjahr steht im Zeichen des Grimm-Jahres 2012. Die Brüder Jakob und Wilhelm Grimm begannen bereits 1806 die bis dahin nur mündlich überlieferten Märchen und Sagen zu sammeln und vor genau 200 Jahren erschien die erste Ausgabe ihrer „Kinder- und Hausmärchen”. Auf diese Weise wurden Märchen wie das „Rumpelstilzchen“ deutschlandweit bekannt und begeisterten mittlerweile auch in anderen Ländern schon viele Generationen. Bis heute gehört die Märchensammlung der Gebrüder Grimm zu den bekanntesten deutschen Büchern weltweit. Die Märchen, die nicht selten auch heute noch gültige Lebensweisheiten enthalten, sind so untrennbar mit der deutschen Kultur verbunden. Jakob und Wilhelm Grimm gelten darüber hinaus als Mitbegründer der deutschen Philologie und Germanistik, da sie die mündlich überlieferten Geschichten in eine allgemein gültige Ausdrucksform brachten.

Von Melanie Frank

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