Die Europäische Union präsentierte kürzlich ihre neue Zentralasienstrategie. Eine Chance für mehr Kooperation zwischen der EU, China und Russland, meint Gastkommentator Nils Schmid.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini stellte am ersten Juliwochenende in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek die neue Zentralasienstrategie vor. Was sich wie eine Randnotiz der Weltpolitik anhört, verdient größte Aufmerksamkeit. Denn das Dokument wird unsere Beziehungen zu den Ländern im Herzen Asiens für viele Jahre prägen. Für Zentralasien wird entscheidend sein, ob sich zwischen der EU, China und Russland eine Kooperation entwickelt, von der auch die Menschen in Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan profitieren.

Für uns ist Zentralasien nicht nur aufgrund seines Reichtums an fossilen Energieträgern von Bedeutung, die Region ist auch eine wichtige Brücke zwischen Europa und Asien. Die EU erneuert nun ihr Angebot an die zentralasiatischen Staaten, die bestehende Zusammenarbeit zu vertiefen. Die Strategie zielt darauf ab, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, regionale Kooperation und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Es ist wichtig, dass die EU dabei einen Fokus auf den Ausbau von Bildung legt, denn die Hälfte der Bevölkerung Zentralasiens ist 25 Jahre alt oder jünger.

Seit der Veröffentlichung der ersten Zentralasienstrategie 2007 hat sich in der Region viel getan. In Usbekistan aus hat der neue Präsident das Land geöffnet und auch Kasachstan treibt die regionale Integration voran. Die bisherigen Erfolge reichen von der Lösung von strittigen Grenzfragen bis zur Verbesserung beim regionalen Wassermanagement.

China und Russland haben weitreichenden Einfluss

Sicherheit und Stabilität in Zentralasien werden von der Situation im benachbarten Afghanistan beeinflusst, wo nach wie vor ein blutiger Krieg tobt. Stets präsent ist in der Region deshalb die Bedrohung durch Terrorismus, Drogenschmuggel und organisierte Kriminalität. Deshalb ist es wichtig, dass die EU mehr Kooperation zwischen Afghanistan und den Staaten Zentralasiens fördern will.

Den weitreichendsten Einfluss auf Zentralasien hatten allerdings China und Russland. China versucht über die Belt and Road Initiative (BRI) seinen Güterüberschuss in die Region zu leiten, sich den Zugriff auf Rohstoffe zu sichern und die Transportwege nach Europa auszubauen.

Russland sieht die postsowjetischen Länder als Teil seines Einflussgebiets. Um seine Macht zu sichern, stützt sich Putin auf die 2015 gegründete Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU), die neben Kirgisistan und Kasachstan auch Armenien und Weißrussland umfasst.
Wo viele Akteure mitmischen, entstehen Interessenskonflikte, so auch in Zentralasien. Allerdings gibt es auch gemeinsame Interessen, wie beim Thema Konnektivität. Der Warenaustausch per Bahn zwischen China und Europa steigt dank chinesischer Investitionen in Transportwege kontinuierlich an. Dort, wo der Güterverkehr durch Zentralasien und Russland bis in die EU befördert wird, könnten alle Staaten entlang der Strecke profitieren. Bei vielen BRI-Projekten werden allerdings internationale Umwelt-, Sozial-, und Arbeitsstandards nicht eingehalten.

Die EU sollte eine nachhaltige Infrastruktur anbieten

Zusätzlich entsteht für Staaten die Gefahr, in die Schuldenfalle und damit in politische Abhängigkeit von China zu geraten. Die EU sollte deshalb den Ländern Zentralasiens Unterstützung beim Ausbau einer nachhaltigen Infrastruktur anbieten. Gleichzeitig sollte die EU die Zusammenarbeit mit China dann suchen, wenn dadurch die Einhaltung und Verbreitung von internationale Standards vorangetrieben werden kann. Es ist deshalb ein richtiges Zeichen, dass die Zentralasienstrategie ausdrücklich von nicht-exklusiven Partnerschaften mit den Ländern Zentralasiens spricht.

Die nach wie vor notwendigen EU-Sanktionen gegen Russland sowie der russische Wirtschaftsprotektionismus verhindern aktuell mehr direktes Engagement von EU-Seite – auch in Zentralasien. Trotzdem spricht vieles für eine Zusammenarbeit auf Gebieten gemeinsamen Interesses. Die EU sollte den Dialog mit der EAWU verstärken, sonst bestimmen in Zukunft andere die Regeln.

Nils Schmid ist Abgeordneter der SPD im Deutschen Bundestag.

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