Im vergangenen Jahr ist die 19-jährige Sängerin Anastassija Koren (Minz) aus Pawlodar als Siegerin eines Liederwettbewerbs nach Duisburg gereist. Vor einigen Wochen ist sie in ihre Heimatstadt zurückgekehrt und hat mit der DAZ gesprochen.

Mit fünf anderen Teilnehmerinnen repräsentierte Anastassija in Deutschland die Kultur der Kasachstandeutschen unter der Leitung von Jelena Chabarowa aus Almaty. Für Anastassija war der September ein Geschenk, gab er ihr doch die wunderbare Möglichkeit, eine Reise in das historische Heimatland zu unternehmen: „Im August dieses Jahres füllte ich den Antrag zur Teilnahme am internationalen Wettbewerb der verschiedenen Genres-Performer beim Festival ‚Wir sind zusammen‘ aus, schon 2015 war ich dort Teilnehmerin.

Obwohl ich mich krank fühlte, konnte ich letztlich mein Ziel mit der berühmten „Serenade“ von Schubert und der Arie der Diva aus dem Film „Das Fünfte Element“ erreichen: den Zuschauern meine Gefühle nahezubringen und nach Schönem zu rufen. Zu meiner Überraschung bewertete die Jury meine Bühnenperformance auch sehr hoch. So wurde ich als Teilnehmerin beim Liederfestival in Deutschland ausgewählt“, so die Sängerin. „Es war eine große Verantwortung, die Kultur der Deutschen aus Kasachstan im Ausland zu repräsentieren. Wir nahmen das ernst.“

Früher Karrierestart

Am ersten Tag des Festivals in Düsseldorf hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Wettbewerbs mit der berühmten Opernsängerin Jelena Gold, die auch Moderatorin des Workshops „Moderne Interpretation von Folklore“ war, zusammengearbeitet. „Es war ein schöner Erfahrungsaustausch, jeder von uns konnte den anderen etwas beibringen“, erinnert sich Anastassija. Am Abend traten die Artisten aus Kasachstan zusammen mit der Theatergruppe aus Berlin auf einer Bühne auf. Am nächsten Tag machten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus verschiedenen Ländern eine Reise nach Duisburg zum Liederfest. Obwohl unser Land das erste Mal am Fest teilgenommen hat, wurden die Kasachstandeutschen mit den höchsten Preisen ausgezeichnet.

Für Anastassija ist dieser Erfolg nicht ihr erster: Sie ist Preisträgerin und Gewinnerin mehrerer internationaler Wettbewerbe in Kasachstan, Russland, Polen, Weißrussland, Deutschland und in der Ukraine. Ihre „Gesangskarriere“ startete, als Anastassija noch jung war: noch bevor sie 12 wurde, sang sie im Jugendlichen Amateur-Vokal-Volksensemble der Deutschen Gesellschaft „WiR“ in Pawlodar.

2016 absolvierte Anastassija die zehnte Klasse in der Schule für begabte Kinder Nr. 29 in Pawlodar und immatrikulierte sich im Musikcollege von Pawlodar in der Abteilung „Gesang“. Dort kam sie in die akademische Gesangsklasse von Olessja Skorikowa. So traf sie die Entscheidung, ihr Berufsleben mit Musik zu verbinden.

Deutsche auch im Pass

Es ist wirklich erstaunlich, dass alle Siege von Anastassija im Gesang eng mit der Deutschen Gesellschaft und ihrer nationalen Identität verbunden sind: „Ich bin Deutsche mit ukrainischem Familiennamen. Mein Vater ist Russe, meine Mutter Deutsche, und wir wohnen in Kasachstan. Wie ist es möglich? Ich glaube, ein Grund dafür war, dass meine Mutter echte Deutsche ist. Es war ihr Wunsch, dass ich vor 2009 begann, die Sonntagskinderschule der nationalen Wiedergeburtsschule beim Verein für die Minderheiten Kasachstans zu besuchen.

Deswegen ist es selbstverständlich, dass ich meine bewusste Kindheit in der Deutschen Gesellschaft verbrachte; so konnte ich Weihnachten und Ostern genauso wie Nauryz und Neujahr genießen. Ich fühlte mich immer eher als Deutsche und nicht als Angehörige anderer Nationalität. Mit 16 traf ich die selbstbewusste Wahl, Deutsche auch im Pass zu sein. Auch in der Deutschen Gesellschaft begann ich die Arbeit mit meiner Stimme“, erklärt die Sängerin. Neben der damals neunjährigen Anastassija kamen auch ihre sechsjährige Schwester Maria und der kleine Bruder Daniil zur „Wiedergeburt“. Er war damals drei Jahre alt. Zurzeit singen die beiden Schwestern im einer Band zusammen, Daniil tanzt im Deutschen Jugendtanzensemble „Paradise“.

Als Aktivistin des Deutschen Jugendclubs „Lenz“ und Solistin der Jungendband „WiR“ findet Anastassija trotzdem die Zeit, am Theaterstudio „Faden“ teilzunehmen. Darüber hinaus gibt die 19-Jährige den Kindern den Bastelunterricht, den sie früher mit großer Freude selbst besucht hat.

Tragische Familiengeschichte

„Meine berufliche Tätigkeit ist eng mit der Musik verbunden. Ich bin bereits im vierten Studienjahr, 2020 beende ich mein Studium. Zurzeit bin ich schon als Gesangslehrerin in einer Privatschule für alle Altersgruppen tätig. Was ich an meiner Beschäftigung besonders wertvoll finde, ist, dass ich den Menschen das Licht ‚schenken‘ kann. Dank der Musik habe ich gelernt, mit den anderen zu ‚reden‘; am besten mache ich das während der Bühnenperformance. Trotz meines jungen Alters habe ich wertvolle Kenntnisse, die ich mit anderen teilen kann. Die Arbeit am Lied bedeutet nicht nur schöne und „korrekte“ Intonation, sondern auch richtiges Atmen, Kenntnisse in Musikliteratur und überhaupt musikalisches Grundwissen. Das Wichtigste an meiner Tätigkeit ist aber die Arbeit an der Psychologie der Stimme. Erste Impulse bekommen die Stimmbänder vom Gehirn, deswegen sage ich immer, dass Gesangsstunden dem Sport sehr ähnlich sind.“

Als junger Mensch mit einem weiten Ausblick aufs Leben träumt Anastassija davon, viele Pläne zu realisieren, und das nicht nur in der Musik. „Es gibt viele unbekannte Dinge in der Welt. Wir hören oft die einfachen rhythmischen Notenkompositionen und ein paar ‚ansteckende‘ Wörter. Es ist die unschöne Realitätsseite unserer Zeit. Ich möchte die alten deutschen Lieder auf ‚neue‘ Art interpretieren“, sagt sie.

Die tragische deutsche-kasachische Familiengeschichte der Uhrgroßeltern von Anastassija begann im Zweiten Weltkrieg. Als junge Menschen wurden sie 1941 aus verschiedenen Gegenden der Sowjetunion nach Kasachstan umgesiedelt: Jakob Pernitsky aus dem Donbass, Rosa Stark aus Naltschik; Elisa Biche von der Krim und deren zukünftiger Ehemann Viktor Minz aus der Region Stawropol.

In der Familie werden Probleme gemeinsam gelöst

Aus diesem Grund erklingt daheim bei den Großeltern noch ihre nationale Sprache, und auch die Enkelkinder beherrschen sie ein wenig: „Deutsch kann ich leider nicht so gut, wie ich möchte, und ich gebrauche es im Alltag nicht so frei, wie meine Großeltern es miteinander sprechen. Wenn man mich nach meinem Sprachniveau fragt, würde ich schätzen, dass es noch kein B1 ist, eher hohes A2. Trotzdem reicht es zur Kommunikation mit anderen. Seit meinem zehnten Lebensjahr lerne ich neben Deutsch auch Englisch (heute auf dem Niveau B1-B2). Jetzt sind noch Italienisch und Spanisch dazugekommen, aber einen Sprachtest habe ich noch nicht gemacht“, so Anastassija.

Die Gewohnheit der älteren Familienmitglieder, alle Schwierigkeiten gemeinsam zu lösen und ehrlich zu sein, spielt in der Familie Minz-Koren eine wichtige Rolle: „Meine Hauptmentorin ist meine Mutter Ljudmila. Sie unterstützte mich in einer schweren Situation, als die anderen weg waren. Unsere Beziehung basiert auf Offenherzigkeit, sie kann mir auch unangenehme Wahrheiten sagen, meine Fehler nennen. Meine Mutter besitzt viel Geduld, sie ist eine echt starke Frau“, so die 19-Jährige.

Am Beispiel von Anastassija, in deren Leben die Deutsche Gesellschaft eine so bedeutsame Rolle gespielt hat, kann man zwar noch nicht ablesen, wie sich die „Wiedergeburt“ in den nächsten Jahren entwickelt und welche neuen Talente sie hervorbringt. Für Anastassija aber steht fest, dass die deutsche Gesellschaft über ihre Minderheitenvereine in Kasachstan immer kompletter wird: „Die rasante Entwicklung ist verbunden mit der unaufhörlichen Arbeit und der echten Liebe der „Wiedergeburt“-Mitglieder zu ihrer Tätigkeit.“

Helena Garkawa

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