„Den Schornsteinfeger muss man mit dem Lasso einfangen“, fasst Thomas Helm, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kasachstan (KAS) die Situation der Handwerker in Deutschland zusammen. In Deutschland stürmen die meisten Abiturienten die Universitäten, dabei wird der Fachkräftemangel vor allem im Handwerk immer gravierender. In Kasachstan sieht es ähnlich aus. Mit den Händen zu arbeiten, scheint für viele völlig unvorstellbar.

Um dieser Problematik entgegenzuwirken, wurde als Teil des im Februar 2012 geschlossenen Rohstoffabkommens zwischen Deutschland und Kasachstan auch vereinbart, das System der dualen Ausbildung in dem zentralasiatischen Land einzuführen. Die Handwerkskammer Trier (HWK) hat hierfür in zwei Projektphasen die neugegründete Nationale Unternehmenskammer Kasachstans (NUK) bei der Umgestaltung des Aus- und Weiterbildungssystems unterstützt. Elfriede Wagner, Projektleiterin in der zweiten Phase (2015-2017) berichtet, dass die Ausbildung in Kasachstan nur in Collegeform existiere. Ziel sei es daher gewesen, den Praxisanteil an Modelcolleges zu erhöhen und bei geeigneten Ausbildern eine Ausbildereignungsprüfung nach deutschem Vorbild durchzuführen. „Die Ausbilder, zumeist Lehrer, Betriebsinhaber und Führungskräfte waren sehr von den pädagogischen Instrumenten angetan“, so die ehemalige Projektleiterin. Der Praxisanteil an den Colleges sei auf bis zu 80 Prozent erhöht worden. Die Zusammenarbeit funktioniere nun besser. „Die Betriebe melden den Colleges, welche Kompetenzen benötigt werden“, resümiert Wagner. Das Projekt wurde durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert und von der HWK durchgeführt.

Die duale Ausbildung in Deutschland

Die Wurzeln der deutschen Berufsausbildung liegen im vorindustriellen Zeitalter. Das Berufsbildungsgesetz gibt es seit 1969 und legt die Rahmenbedingungen, Ausbildungsordnungen und die Vergütungshöhe fest. Ziel ist es, die im Betrieb stattfindende praktische Ausbildung mit dem theoretischen Unterricht an den Berufsschulen zu kombinieren. Dabei arbeiten die Auszubildenden drei bis vier Tage im Ausbildungsbetrieb und besuchen an ein bis zwei Tagen in der Woche die staatlich finanzierte, kostenfreie Berufsschule. Hier werden neben fachbezogenem Wissen auch allgemeinbildende Fächer gelehrt. Je nach Ausbildungsberuf dauert es bis zu dreieinhalb Jahren. Die Ausbildung wird mit einer Abschlussprüfung beendet.

2018 hat die KAS am bisher Erreichten angeknüpft. „Sie haben vieles auf den Weg gebracht und gute Arbeit geleistet. Es ist ein ordentliches Gerüst für die duale Ausbildung in Kasachstan entstanden, aber es fehlt innen drinnen noch ein bisschen Ausstattung. Aus diesem Grund haben wir uns dazu entschieden, weiter zu machen“, sagt Helm.

Das Gerüst ist da

Die Herausforderung liege vor allem darin, kleine und mittlere Unternehmen von den Vorteilen, die Auszubildende mit sich bringen, zu überzeugen. „Natürlich haben wir etliche Leuchttürme, aber es kann ja nicht sein, dass nur die großen Unternehmen hinterher vernünftig ausgebildete Leute haben“, meint der KAS-Leiter. Durch die Förderung des Bewusstseins für das Problem werden Fragen wie: „Warum soll ich überhaupt ausbilden? Was habe ich davon? Was passiert mit ihm, wenn er fertig ausgebildet ist?“ beantwortet.
Doch nicht nur die Unternehmen müssen mitziehen. Es müssen auch potentielle Auszubildende gefunden werden. Die KAS bietet in kasachischen Kleinstädten Digitalisierungstrainings für junge Leute an und weist dabei auf die Vorteile der dualen Ausbildung hin. „Wenn Sie das in einer Großstadt machen, dann werden sie teilweise entsetzt angeschaut: ‚Wie? Ich soll mit meinen Händen arbeiten? Nee, ich gehe zur Uni.‘ In kleineren Städten, in denen es gar keine Universität gibt, sieht die Sache anders aus“, sagt Helm.

Neben dem Problem, überhaupt Interesse für eine Ausbildung zu wecken, kommt hinzu, dass Ausbilder und aktuelle Technik fehlen. „Wichtig ist, dass nicht im Vorgestern ausgebildet wird.“ Das nächste Ziel sei daher die Errichtung von gemeinsam nutzbaren Kompetenzzentren mit entsprechender Ausstattung und Meistern. Für die Umsetzung bedarf es jedoch finanzieller Unterstützung. Von welcher Seite – ob von Deutschland, Kasachstan oder gar den Unternehmen – diese kommen wird, bleibt abzuwarten.

Katharina Jendny

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