Am 3. Oktober 2016 jährt sich die deutsche Einheit zum 26. Mal. Dass dieses historische Ereignis nicht in Vergessenheit gerät, ist nicht nur in der Tragweite der Einheit Deutschlands zu suchen, sondern auch darin, dass die Auswirkungen immer noch spürbar sind. Tatsächlich ist die Einheit immer noch ein Prozess, Unterschiede sind immer noch spürbar, die Jahre des Sozialismus sind weder aus den Köpfen, teilweise auch nicht aus den Herzen gewichen. Doch ist diese, auch durch den Volkswillen getragene Revolution sicher auch ein Lehrstück in angewandter Demokratie. Doch wie wurde die Vollendung eines langen Annäherungsprozesses zwischen Ost und West in Ländern wie Russland aufgenommen, und welche Möglichkeiten haben sich aus der deutschen Einheit ergeben?

Fest steht, das Russland, den mit entscheidendsten Anteil an der Wiedervereinigung hatte. Mittelsmann war der russische Staatspräsident Michael Gorbatschow: Dieser rang mit dem damaligen deutschen Kanzler Helmut Kohl um eine Aussöhnung, in dessen finaler Entwicklung schließlich die Wiedervereinigung stand.

Am 16. Juli 1990 trafen sich Kohl und Gorbatschow im Kaukasus. Verhandlungsgegenstand: Deutschland sollte volle Souveränität erhalten und Mitglied der Nato werden, im Gegenzug versicherte Kohl Gorbatschow materielle Unterstützung für seine Perestroika-Politik. Man konnte sich auf die gewünschten Punkte einigen. In der Folge ließ sich der damalige französische Präsident, Franςois Mitterrand, zu der Äußerung verleiten: „Jetzt ist die Wiedervereinigung nicht mehr zu verhindern.“

Als am 3. Oktober 1990 die Wiedervereinigung Deutschlands offiziell besiegelt wurde, waren die Reaktionen in der russischen Presse nahezu durchweg positiv. Die russische Zeitung Moscow News titelte: „Deutsche, wir beneiden euch!“; und sprach von einem der grandiosesten Ereignisse des 20. Jahrhunderts. Bereits im Juni 1989 führte die Zeitung eine Umfrage durch, in der sie die Frage stellte: Dient die Berliner Mauer dem Frieden und dem Fortschritt? Die Antwort der Leser war damals eindeutig, denn so lautete das Ergebnis: Ja (8%), Eher Ja als Nein (6%), Eher Nein als Ja (19%), Nein (52%), Weiß nicht (15%). Es ist also nicht zu viel gesagt, wenn man die Meinung vertritt, dass die Wiedervereinigung von russischer Seite aus gewünscht war. Sowohl von Großteilen der Bevölkerung als auch von der schreibenden Zunft. Auch ökonomische Beweggründe haben eine Rolle gespielt: Man versprach sich mit Deutschland einen strategischen Partner.

Die sich anbahnende Wiedervereinigung sorgte parallel und in der Folge dafür, dass sich die UDSSR in einen stetigen, immer manifesteren Auflösungsprozess bewegte. Reaktionäre Kräfte der Sowjetunion versuchten Gorbatschow vom 18. bis 21. August 1991 durch einen Putschversuch zu stürzen. Dass diese Gebaren der konservativen Anhänger des ins Wanken geratenen Einheitskonstrukts der UdSSR scheiterten, war maßgeblich einem Mann zu verdanken: Boris Jelzin.

Dieser zeigte persönlichen Einsatz, wohl auch dadurch bestärkt, dass er am 12. Juni 1991 zum Präsidenten Russlands gewählt wurde. Nachdem das heutige Russland über Jahrhunderte von Zaren regiert worden war, und Jahrzehnte unter der (Terror)-Herrschaft Josef Stalins zu leiden gehabt hatte, war Jelzin nun der erste demokratisch gewählte Präsident eines neuen, eines moderneren Landes.

Schlussendlich zerfiel die Sowjetunion in ihre Einzelteile. Die Unabhängigkeitserklärungen der einzelnen Staaten wurden in kurzer Folge verkündet: am 24., 25., 27. und 31. August 1991 erklärten sich Weißrussland, Ukraine, Moldawien und Kirgisistan, am 1., 9. und 21. September 1991 Usbekistan, Tadschikistan und Armenien, am 18. und 27. Oktober 1991 Aserbaidschan und Turkmenistan sowie am 16. Dezember 1991 Kasachstan unabhängig. Gorbatschows Amtszeit endete am 25. Dezember 1991. Er trat als Präsident der UdSSR zurück und übergab die Amtsgeschäfte an Jelzin als Präsidenten der Russischen Föderation, die die Rechtsnachfolge der Sowjetunion antrat. Durch eine Vereinbarung beider Staatsmänner wurde die „Gemeinschaft unabhängiger Staaten“ (GUS) gegründet, die heute aber nur noch eine geringe geopolitische Bedeutung besitzt. Zu dieser Gemeinschaft gehören bis heute viele Staaten: Die Ukraine, Weißrussland, Russland sowie Armenien, Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Moldawien, Tadschikistan, Usbekistan.

Fakt ist, das die intensiven Beziehungen die Deutschland mit Russland in den 90er Jahren aufbauen konnte, ohne die die Wiedervereinigung so nicht möglich gewesen wären. Länder wie Kasachstan profitieren zunehmend von offenen Grenzen und der strategisch guten Lage.

Kai Wichelmann

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