Gleichstellungspolitik und Fragen zur Genderproblematik werden nicht nur in Deutschland und Europa kontrovers diskutiert, sondern auch zunehmend  in zentralasiatischen Ländern wie Kasachstan thematisiert.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung organisierte in einem gemeinsamen Projekt mit dem National Democratic Institute (NDI) ein Seminar, welches sich mit der Gleichstellung von Mann und Frau in der Gesellschaft, Frauen in Führungspositionen und Lösungsansätzen lokaler Problemstellungen beschäftigte. Die Leiterin des FES-Büros Almaty, Elvira Pak, lud diesbezüglich die Zentralasien-Koordinatorin des IWPR (Institute for War and Peace Reporting), Alexandra Kasakowa, sowie Mitarbeiter der FES und der DAZ zum gemeinsamen Austausch ein. Die Auftaktveranstaltung zu der Seminarreihe „Women’s Activities“ fand in Aktau am Kaspischen Meer statt, weitere Seminare werden bis einschließlich Mitte Dezember 2011 folgen.

Was könnte Frauen in Kasachstan bezüglich Genderpolitik interessieren? Gleiche Rechte oder die Angleichung der Geschlechter in der Gesellschaft?

Zunächst einmal brachte „Women’s Activities“ Frauen aus Ost und West – aus Zentralasien und Deutschland – an einen Tisch und nutzte so die Gelegenheit zum intensiven Austausch: Die Teilnehmerinnen stellten sich gegenseitig ihre Arbeit in den jeweiligen Unternehmen, Frauenverbänden, Jugendprojekten und anderen gesellschaftlichen Vereinigungen Kasachstans vor. In diesem Kontext engagiert sich die Friedrich-Ebert-Stiftung Almaty in zahlreichen Projekten für die politische Bildung für Frauen und die rechtliche Stärkung von Frauen in Kasachstan.

Alexandra Kasakowa ging in ihrer Präsentation zunächst auf grundlegende Planungsmethoden von der Entscheidungsfindung bis zum Projektmanagement ein, um zu zeigen, welche Strategie zur Projektplanung nötig ist.

Wie konnten die Frauen bisher ihre Ziele in der Vereinsarbeit erreichen? Welche Wege sind sie gegangen, um soziale, kulturelle und politischen Projekte zu verwirklichen?

Es stellte sich heraus, dass die Realisierung einzelner Maßnahmen ohne eine grundlegende und detaillierte Vorarbeit nicht möglich ist. Bevor es zur Umsetzung eines konkreten Projektes kommt, müsse ein Plan her: In mehreren Gruppenarbeiten gelang es, die einzelnen Schritte für eine fiktive Medienkampagne herauszuarbeiten und in den Denkprozess zu integrieren.
Anhand eingehender Beispiele erklärte Kasakowa den Seminarteilnehmerinnen anschaulich Sinn und Zweck von „Advocacy“, der gesellschaftlichen und politischen Teilhabe der Bürger in einem Entscheidungsfindungsprozess. „Advocacy“ als aktive Beteiligung der Bürger orientiere sich dabei immer an einer positiven Veränderung eines Zustands. Mit diesem Ziel vor Augen entstehe bei den Beteiligten Motivation, die gerade für ein gesellschaftliches Engagement in Frauenverbänden, Kultur- und Jugendvereinen wichtig sei.

Neben dem praktischen Seminarteil mit Alexandra Kasakowa hatten die Frauen aus Aktau die Möglichkeit, mit Vertretern der FES und der DAZ zu sprechen. In zwei Vorträgen erfuhren die Seminarteilnehmerinnen zunächst etwas zur Gleichstellungsfrage in Politik, Wirtschaft und den Streitkräften Deutschlands.

Politische Teilhabe von Frauen

Die Politikwissenschaftlerin und Soziologin Nadine Arendt von der Martin-Luther-Universität Halle ging in ihrem Beitrag auf die politische Teilhabe der Frauen in Deutschland ein. Die Grundvoraussetzung sei die gesetzliche Gleichstellung von Mann und Frau in Deutschland gemäß Artikel 3.2 des Grundgesetzes.

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile ein.“

Aber wie steht es um die Verwirklichung der politischen Gleichberechtigung von Frauen in Deutschland, haben Frauen heute die gleichen Chancen wie Männer zur Übernahme politischer Ämter und Führungspositionen? Die institutionelle politische Beteiligung von Frauen, so Arendt, betrage in lokalen und regionalen Parlamenten nur 25% und 33% und hat damit ihr Potenzial noch nicht ausgeschöpft. Die Gründe für diese derzeitige geringe Repräsentanz von Frauen in politischen Ämtern läge laut Arendt unter anderem an politischen Karrieremustern, die Frauen einen Aufstieg in hohe Ämter erschwere. Darüber hinaus hätten Frauen an institutioneller Politik weniger Interesse als Männer. Aber auch die fehlende Einbindung von Frauen in informelle Entscheidungsstrukturen sowie an die Marginalisierung von Politikerinnen in den Medien wären wichtige Gründe der geringen Repräsentanz von Frauen.

Als Fazit führte Nadine Arendt in ihrem Vortrag an, dass eine bessere Politik für Frauen unbedingt auch mehr Politikerinnen braucht und damit mehr Frauenförderprogramme, eine verbesserte Frauen- und Familienpolitik sowie die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Damit bleibe die Verwirklichung der Gleichstellungspolitik auch eine Aufgabe des 21. Jahrhunderts in Deutschland.

Die DAZ repräsentierte den Sachstand der Gleichstellungspolitik in den deutschen Streitkräften. Seit zehn Jahren mittlerweile sorgt das Thema „Frauen in der Bundeswehr“ für Diskussionen in der Gesellschaft und in der Truppe selbst. Im Jahre 2001 wurde weiblichen Soldaten der Dienst an der Waffe auf freiwilliger Basis durch die gesetzliche Änderung des Art. 12 GG ermöglicht. In den letzten zehn Jahren kam es dabei auf die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben im täglichen Dienst an, um eine Gleichstellung von Soldaten und Soldatinnen in den Streitkräften erst zu ermöglichen. Zurzeit dienen in der Bundeswehr ca. 17.000 weibliche Soldaten, was ungefähr 9 % ausmacht. Angestrebt wird jedoch ein Anteil von 15 % weiblicher Soldaten in der Truppe. Sowohl in der Politik, in den Streitkräften als auch in der Wirtschaft wurde in den letzten Jahren und Jahrzehnten einiges unternommen, um Frauen und Männern gleiche berufliche Chancen einzuräumen.

Ohne Zweifel konnten in der Gleichstellungspolitik viele Erfolge errungen werden, die im Gegensatz zu den Ländern Zentralasiens utopisch anmuten. Engagierte Frauen in Kasachstan zum Beispiel haben besonders in der Provinz noch mit stark patriarchalisch geprägten gesellschaftlichen Mustern und Vorurteilen zu kämpfen. Die Notwendigkeit einer sogenannten „Frauenquote“ in politischen Ämtern oder gar im Militär leuchtete vielen Seminarteilnehmerinnen ein, jedoch nur in Verbindung mit einer gesetzlichen Regelung und deren kontrollierten Umsetzung. Das Interesse an den Erfahrungen aus Deutschland war groß: zwischen den Frauen aus Ost und West kam es zum regen Austausch und zu Absprachen zukünftiger gemeinsamer Projekte.

Das Thema Gleichstellung von Mann und Frau in der Gesellschaft Kasachstans wird nicht zuletzt durch die Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung und die Medienberichterstattung immer aktueller…

Von Malina Weindl

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