Die Verteilung und Nutzung von Wasser ist eines der größten und dringendsten Probleme der Region. Es hat schon viele Beratungen dazu gegeben, sowohl auf Ebene unterschiedlicher Fachexperten, als auch auf höchster staatlicher Ebene. Jetzt hat auf Initiative Kasachstans wieder ein solches Treffen stattgefunden, das von den vorbereitenden Experten durchaus als aussichtsreich eingestuft worden war.

Schließlich hatten zum ersten Mal alle fünf Präsidenten der zentralasiatischen Staaten zusammengefunden, um direkt das Aralsee-Problem zu erörtern. Dieser stellt bekanntlich schrittweise seine Existenz ein, weil das Problem der Verteilung der Wasserressourcen nun schon seit Langem nicht gelöst werden kann. Es gibt einen speziellen „Internationalen Fonds zur Rettung des Aralsees“, aus dem auch schon einige Maßnahmen finanziert worden sind. Damit wurde aber bestenfalls eine der größten ökologischen Katastrophen der Menschheit eingedämmt. Von einer Lösung kann immer noch keine Rede sein. Auch dieses Mal bleibt die nackte Wahrheit – trotz eines schön formulierten Abschlusskommuniqués: die Konferenz war ein Fehlschlag.

Obwohl es nach den Vorabsprachen wirklich „nur“ um den Aralsee und sein Schicksal gehen sollte, wurden doch die ungelösten Fragen der Wassernutzung angesprochen, womit man natürlich sofort auf einem Minenfeld war. Der Kern des Problems sind die völlig entgegengesetzten Interessen der Länder, in denen die Wasserquellen liegen (Kirgisistan und Tadschikistan) und den Flachländern (Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan), die das Wasser brauchen. Die beiden erstgenannten Staaten gehören zu den ärmsten der Welt und leben zu einem Großteil vom Stromexport, der in Wasserkraftwerken erzeugt wird. Der Strombedarf ist bekanntlich im Winter am größten, so dass die Stauseen im Sommer gefüllt werden und im Winter zur Stromerzeugung abgelassen werden müssen.

Kirgisistan und Tadschikistan halten es für ihr Recht, die auf ihrem Territorium vorhandenen Wasserressourcen (Gletscher) nach eigenen Vorstellungen nutzen zu können, zumal davon fast vollständig das Wohl und Wehe der Länder abhängt. Insbesondere in Tadschikistan ist die Energiesituation seit Jahren extrem kritisch, praktisch regelmäßig wird der Strom im Winter nicht nur stunden-, sondern gar tageweise abgeschaltet, außerhalb der Großstädte auch noch länger. Andere Heizsysteme als Strom sind aber meist gar nicht vorhanden. Die drei Flachländer hingegen brauchen das Wasser genau zu anderen Zeiten, nämlich im Frühjahr und im Sommer, insbesondere zur Bewässerung der sehr wasserintensiven Baumwollplantagen.
Mit dieser unterschiedlichen Interessenlage haben sich nun schon ganze Heerscharen von Wissenschaftlern und Institutionen beschäftigt, darunter auch die Weltbank. Diese hat zur Teillösung des Konfliktes vorgeschlagen, dass Kirgisistan und Tadschikistan das Wasser von den anderen drei Staaten bezahlt bekommen, um so wenigstens etwas unabhängiger zu werden von der zwingenden Notwendigkeit, das Wasser für die Stromerzeugung „horten“ zu müssen. Dazu sind nun wiederum die anderen Länder nicht bereit, da es sich ja um eine Naturressource handele, die die beiden Bergländer de facto als Geschenk des Himmels bekommen.

Hinter diesem nur grob beschriebenen Problem, steckt jedoch ein tiefergehendes. Nicht nur auf dem Wassergebiet, sondern auch auf anderen Feldern der Zusammenarbeit, sind seit langem keine wirklichen Fortschritte zu verzeichnen. Von Wirtschaftsintegration, die manchmal als strategisches Ziel benannt wird, kann überhaupt keine Rede sein. Das erschwert naturgemäß die schnellere Lösung einer ganzen Reihe von täglichen Problemen der einfachen Leute und führt auch dazu, dass die Region Zentralasien für Investoren von außen an Attraktivität verliert.

Nun ist es aus unserer heutigen Sicht immer relativ einfach auf das geschichtliche Beispiel der Organisation einer schnellen wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich nach dem 2. Weltkrieg zu verweisen. Das war keinesfalls einfach, aber funktionierte, obwohl sich beide Völker lange Zeit nur über die Sprache der Waffen „verständigen“ konnten. Umso mehr sollte es doch möglich sein, dass Länder, die eigentlich doch irgendwie zusammengehören, wenigstens bei der Lösung bedrohlicher Probleme zusammenarbeiten könnten. Dafür, dass das nicht funktioniert, gibt es sicher eine Reihe eher subjektiver als objektiver Gründe.

Wie dem auch sei, das Treffen in Almaty zum Aralsee wird in die Annalen eingehen, als eine weitere verpasste Chance. Dem Aralsee ist wieder nicht geholfen, obwohl alle Beteiligten erklärten, seine Rettung zu wünschen. Verpasst aber ist auch eine Chance über die Lösung eines gemeinsamen Problems, eine Vertrauensbasis für die Lösung vielfältiger anderer innerer Fragen zu schaffen. Nach außen wird nun auch der Eindruck erhalten bleiben oder sich gar verstärken, dass es sich bei Zentralasien um eine zerstrittene und wenig kooperationsbereite Region handelt. Zurück zu den nationalen Interessen allein ist aber keine zukunftsweisende Strategie.

Bodo Lochmann

08/05/09

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