Mit großer Gastfreundschaft empfangen die Einwohner im tadschikischen Serafschan-Tal ausländische Touristen. Ein internationales Kooperationsprojekt fördert hier gemeindebasierten Ökotourismus. Urlaub im Serafschan-Tal hat dabei zwei große Vorteile: Wer hier eine Reise bucht, wird wie von Freunden empfangen – und verbessert gleichzeitig die Lebensbedingungen der Einwohner.

/Bild: Friederike Müller. ‚Wandern im Serafschan-Tal: Rauhe Berge, grüne Oasen, reißende Flüsse.’/

„Willkommen an diesem Ort – kein Ort der hundert Dollar, aber mit tausend Freunden“, so begrüßt Touristenführer Odil Normakhmedow die Gäste in der vollbesetzten Dorfaula. Das halbe Dorf Veshab scheint sich hier versammelt zu haben, um an diesem Abend zusammen mit der kleinen Gruppe von deutschen, belgischen und tadschikischen Touristen die Folklorevorführung mitzuerleben. Während die angereisten Gäste mit angehaltenem Atem den mitreißenden Tänzen und Gesängen folgen und der traditionellen Musik lauschen, scheint die Aufmerksamkeit des restlichen Publikums mehr den Fremden zu gelten, für die das Kulturprogramm als Überraschung auf ihrer organisierten Reise im Norden Tadschikistans veranstaltet wird. Besucher sind willkommen in Veshab, einem malerischen Bergdorf im Serafschan-Tal, in der tadschikischen Nordprovinz Sugd. Mit seinen majestätischen Bergen und den tiefblauen Bergseen und Flüssen ist das Tal ein Paradies für Naturliebhaber, reich an historischen und heiligen Stätten sowie Kultur und Traditionen ihrer Bewohner und dennoch weitgehend unentdeckt als touristisches Reiseziel.

Keine Reichtümer – aber überwältigende Gastfreundschaft

Odil Normakhmedow ist sichtlich glücklich, die Reisegruppe durch sein Dorf zu begleiten und ihnen alles zu zeigen und zu erklären. Der Englischlehrer arbeitet nebenberuflich als Touristenführer für die Zerafschantal Tourism Development Association (ZTDA) und widmet sich seinen Gästen mit aller Hingabe. „Es ist eine Ehre für uns, Menschen aus anderen Ländern zu Besuch zu haben, ihnen unsere Kultur zeigen zu können und gleichzeitig etwas über ihre Lebens- und Denkweisen zu erfahren“, erklärt der 47-jährige in einem langsamen gedehnten Englisch. Seine grünen klugen Augen scheinen dauernd zu lächeln, sein Gesicht ist schmal und von der Bergsonne gegerbt. Er sieht älter aus, als er ist und flößt trotz seiner Freundlichkeit und Geduld, die er allen entgegenbringt, Respekt ein.

Unermüdlich unterhält sich Normakhmedow mit den Mitgliedern der kleinen Reisegruppe auf Englisch, Russisch und Französisch. Er zeigt ihnen die besondere Architektur seines Heimatdorfes Veshab, in dem die Menschen ihre Häuser aus Stein und Holz terrassenartig übereinander am Berghang hinauf gebaut haben, um dem steilen Gelände so viel Lebensraum wie möglich abzuringen. Er erklärt die Pflanzen und Heilkräuter aus der Region, die in einem kleinen Museum ausgestellt sind und bis heute von den Talbewohnern gesammelt und verwendet werden. Er selbst ist die Verkörperung seiner Begrüßungsworte: Nicht Reichtum ist es, den die Einwohner von Veshab und seiner Umgebung Besuchern bieten können, sondern große menschliche Wärme und überwältigende Gastfreundschaft.

Internationale Kooperation fördert Ökotourismus

Im Haus der Familie Sultonow kommen die internationalen Gäste unter. Es mussten nur zusätzliche Sanitäranlagen gebaut werden, als das Haus vor zwei Jahren im Rahmen eines von der Europäischen Kommission finanzierten Kooperationsprojektes der Welthungerhilfe, der tadschikischen Nichtregierungsorganisation Agency Support Development Process NAU und dem Deutschen Entwicklungsdienst zu einer Unterkunft für Touristen eingerichtet wurde. Der Bereich des Familienhauses, in dem die Gäste essen und schlafen, existierte schon vorher. „In diesem Dorf gibt es in jedem Haus einen Abschnitt, der nur für Gäste bestimmt ist“, erklärt der stolze Hausbesitzer Khusenboi Sultonow. „Diese Räume werden im Alltag von der Familie nicht benutzt. Der Tisch ist immer reichlich gedeckt mit Süßigkeiten, getrockneten Früchten und Nüssen, jederzeit bereit für einen gebührenden Empfang von Gästen“. Nun finden Touristen im Haus der Familie Sultonow ein sauberes und gemütliches Nachtlager und werden an dem bunt und reich gedeckten Tisch von der Familie verköstigt. Mit großem Appetit isst die kleine Reisegruppe, müde vom Wandern in den Bergen, die regionalen Gerichte, deren Zutaten meist direkt aus dem eigenen Garten kommen. Zum Nachtisch gibt es süße Aprikosen, Maulbeeren, Rosinen und Nüsse. Eine Übernachtung mit Frühstück kostet zehn Dollar, Vollpension 18 Dollar pro Tag.

Tourismus – eine ökonomische Alternative

Gäste zu empfangen sind die Bewohner des Serafschan-Tals seit jeher gewohnt. Dafür Geld zu nehmen, ist hingegen neu für sie. „Jeder Tourist, der diese Region besucht, leistet einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Lebensumstände der lokalen Bevölkerung“, weiß der ZTDA-Projektleiter Pairav Masaidow. „Der Tourismus stellt in der Region eine wichtige Alternative dar, Einkommen zu generieren“, erklärt er. Denn gerade der Anziehungspunkt für die Touristen, die beeindruckenden Berge des Fan-Gebirges, stellen für die wirtschaftliche Situation der lokalen Bevölkerung ein Problem dar: „Die steilen, hochgelegenen Flächen lassen sich nur schwer bewässern und landwirtschaftlich nutzen“, so Masaidow.

Für die Tourismusentwicklung in dieser Region ist jedoch ein ganz eigener Reichtum interessant: „Ein Ort der tausend Freunde“, so bezeichnet Odil Normakhmedow sein Dorf. Was er damit meint, wird deutlich, als die kleine Touristengruppe ihre Reise beendet und zurück in die tadschikische Hauptstadt aufbricht. Zum Abschied gibt es viele, viele Hände zu schütteln.

Mehr Informationen zu den Reisen im tad-schikischen Serafschan-Tal gibt es unter: www.ztda-tourism.tj.

Die Autorin arbeitet für den Deutschen Entwicklungsdienst in Tadschikistan.

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Nachhaltiger Tourismus

Gemeindebasierter Ökotourismus ist eine Form von Tourismus, bei dem die lokalen Gemeinden die wesentliche Kontrolle und das Mitspracherecht bei Entwicklung und Management der Tourismusaktivitäten haben. Auf diese Weise schaffen sich die Gemeinden zusätzliche Einkommensquellen, wobei auf die Erhaltung von Natur, Landschaft, Biodiversität und Kulturerbe geachtet wird. Die Einwohner spielen die zentrale Rolle beim Verwalten der lokalen Ressourcen sowie im Entscheidungsfindungsprozess und sind die Hauptprofiteure der Aktivitäten.

Gemeindebasierter Tourismus trägt zur Diversifizierung der lokalen Wirtschaft im Serafschan-Tal bei, indem er den Marktzugang fördert und die Zivilgesellschaft und soziales Unternehmertum stärkt.

Das Kooperationsprojekt arbeitet mit 16 Privatunterkünften, zehn professionellen Touristenführern und mehr als 100 lokalen Tourismusanbietern im Serafschan-Tal zusammen. Vom Deutschen Entwicklungsdienst wird es durch die Expertin für nachhaltigen Tourismus, Valeria Tjumeneva, untertützt.
Im Internet: http://zentralasien.ded.de

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Von Friederike Müller

14/08/09

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