Die DAZ sprach mit Elvira Pak über Entwicklungsmöglichkeiten und Herausforderungen der Gender-Politik sowie die Stärkung der Frauenrechte in Kasachstan. Elvira Pak leitet das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Almaty. Am 1. September führte die FES zusammen mit dem National Democratic Institute (NDI) eine internationale Konferenz zum Thema „Gender Equality in Decision-Making – Promoting Women’s Leadership and Participation in Kazakhstan“ durch.

/Bild: privat. ‚Elvira Pak – die Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Almaty’/

Frau Pak wie positioniert sich die FES hinsichtlich der Förderung und Stärkung der Frauenrechte in Kasachstan?

Die Friedrich-Ebert-Stiftung in Kasachstan arbeitet nunmehr seit zwölf bis vierzehn Jahren intensiv an der Genderproblematik. Wir versuchen durch Unterstützung und Entwicklung von Frauenprojekten die Rolle der Frauen in Politik und Wirtschaft zu stärken, und das in unseren beiden Büros der FES in Almata und Astana.

Gemeinsam mit den Frauen führen wir Seminare und Konferenzen durch, initiieren aber auch Workshops, wo wir mit den Teilnehmerinnen bestimmte Themen angehen: Wie können beispielsweise ihre Probleme auf der lokalen Ebene gelöst werden, wie bzw. an welchen Treffpunkten können wir dazu beitragen, dass die Jugend ihre Freizeit sinnvoll gestalten kann.
Wir thematisieren die Bildung in den Schulen und Universitäten, den Kampf mit der Korruption, die medizinische Versorgung, die Kommunalwirtschaft und vieles mehr. Wir wollen dazu aufrufen, sich aktiv einzubringen und Initiative zu zeigen.

So fanden in den Jahren seit 1999 bis 2009 von der FES organisierte Bildungsreisen nach Deutschland statt, um den interkulturellen Dialog zwischen Frauen aus Zentralasien und Frauen in Deutschland und Europa anzuregen.

Die Teilnehmerinnen haben die Möglichkeit, sich selbst davon zu überzeugen, welche Frauenprojekte und Initiativen in Deutschland bereits laufen und realisiert werden konnten.
(Tagungs- und Bildungszentrum in Altenbrücken, Projekt „Belladonna“ in Bremen, Projekt „Kobra“ in Hannover für von Menschenhandel betroffene Frauen).

Welche Entwicklung sehen Sie in der aktuellen Situation der Gleichstellung von Frauen in Politik und Wirtschaft? Wie bewerten Sie die politische Teilhabe weiblicher Führungskräfte?

De jure ist in Kasachstan die Gleichstellung von Mann und Frau gesetzlich festgelegt, d.h. jegliche Diskriminierung von Geschlecht, Alter, sexueller Ausrichtung, Rasse etc. ist nicht zulässig. Aber de facto existieren erhebliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern, gerade im Gehaltsgefüge. Für die gleiche Arbeit erhalten Frauen zwischen 20 bis 40% weniger als männliche Arbeitnehmer. Es findet also real eine ökonomische Ungleichbehandlung von Frauen statt. In höheren Führungspositionen des politisch-wirtschaftlichen Sektors sind Frauen sehr schwach vertreten. Im Parlament beträgt die Anzahl weiblicher Delegierter lediglich 17%. In den Ministerien sieht es so aus, dass von 20 Kabinetten nur drei der Posten von Frauen besetzt sind, also 15%.

Allerdings wurde von der kasachischen Regierung ein Programm gestartet und eine „Frauenquote“ eingeführt, dass bis 2016 in höheren politischen Ämtern der Frauenanteil bis auf 30% steigen soll.

Welche Hindernisse gilt es noch in der weiteren Entwicklung der Frauenrechte aus dem Weg zu räumen?

Ich denke, dass trotz aller gesetzlichen Bestimmungen noch ein festgefahrenes Denken in den Köpfen vorherrscht. Die patriarchalische Mentalität unserer Gesellschaft hindert Kasachstan daran, eine positive Entwicklung der Frauenrechte zu mehr Gleichstellung der Geschlechter voranzutreiben.

Obwohl die kasachische Regierung gefordert hat, dass mehr Frauen in politisch-entscheidenden Positionen vertreten sein sollen, sieht die reale Wirklichkeit anders aus.
Frauen verbleiben meist länger (5-7 Jahre) als Männer auf ein und demselben Posten, ohne sich zu verändern. Selbst bei besseren Voraussetzungen und Fähigkeiten werden diese Frauen maximal in mittleren Führungspositionen eingesetzt.

Welche Projekte im Bereich Geschlechtergleichstellung, Förderung der weiblichen Führungskraft unterstützt die Friedrich-Ebert-Stiftung?

Zur Entwicklung der Genderproblematik müssen Frauen gerade hier in Kasachstan zusammengebracht werden. Sie müssen in Workshops und auf Konferenzen die Möglichkeit haben, Synergieeffekte zu nutzen, Netzwerke aufzubauen. In unserem Land scheint die Netzwerkbildung unter Frauen nicht so ausgeprägt zu sein wie bei Männern. Männer verbindet eine andere Solidarität, ein anderer Zusammenhalt. In rein weiblichen Gruppen herrschen nicht selten Konfliktsituationen vor.

Wir – die Friedrich-Ebert-Stiftung mit Sitz in Almaty und Astana – haben uns also vorgenommen, den Frauen beim Aufbau der Frauennetzwerke behilflich zu sein, um den Frauen zu zeigen, dass sie die Vorteile dieser Netzwerke auch für sich nutzen können.
Sicherlich existieren hier zwischen der Land- und Stadtbevölkerung erhebliche Unterschiede. In einer dörflichen Gemeinschaft außerhalb der Großstädte sind Frauen sicher ganz anders organisiert.

Im August 2011 hat die FES Almaty ein Seminar durchgeführt mit der Referentin Uta Krusemark-Wehling, in dem es darum ging, die Konfliktlösungsstrategien durch eine verbesserte Gesprächstechnik von Frauen zu verbessern.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung unterhält Kontakte zu den stark präsenten Frauenorganisationen „Union der Krisenzentren“ in Almaty und „Zharia“ in Astana, aber auch mit sog. „Grass Roots Organisationen“ in kleineren Bezirken und ländlichen Gebieten. Wir arbeiten mit verschiedenen Krisenzentren für Frauen und Zentren für Gender-Politik und vielen anderen zusammen.

Welche Rolle spielt die Sicherheit und Stabilität in Kasachstan in Bezug auf die Entwicklung der Gleichstellungspolitik?

Wenn wir bedenken, dass der Frauenanteil in der kasachischen Gesellschaft mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung beträgt, dann kann man die stabilisierende Rolle der Frauen nicht hoch genug bewerten. Frauen übernehmen gerade in Bezug auf Sicherheit und Stabilität in Kasachstan eine große Verantwortung.

Schauen wir uns die Krisenjahre der 90er an: Wie Frauen diese Umbruchzeit allein durch ihr Engagement gemeistert haben, ist beachtlich.

Sie stärkten die Gesellschaft durch die Aufrechterhaltung der familiären, Verwandtschafts- und Freundesnetzwerke. Eine intakte Familie als kleinste Zelle der Gesellschaft ist wichtig.
Außerdem haben Frauen in Kasachstan im Durchschnitt ein viel höheres Bildungsniveau als Männer. Meist sind sie ausgebildete Pädagogen, Philologen, aber auch als Beamte oder Ärztinnen und Krankenschwester tätig.

Schließlich waren und sind Frauen aufgrund der Kindererziehung einer anderen Belastung ausgesetzt. Um ihren Kindern die bestmögliche Bildung zu gewährleisten, mussten Frauen arbeiten. In den Städten gab es für Arbeit und Bildung natürlich ganz andere Möglichkeiten als in ländlichen Gebieten.

Welche Herausforderungen gibt es auf diesem Weg noch zu meistern?

Durch Bildung, offenen Zugang zu Informationen mithilfe der Medien können wir dazu beitragen, die patriarchalischen Strukturen in unserer Gesellschaft zu überwinden.

Im Vergleich zu Deutschland sehen wir, dass in Kasachstan noch eine ungleiche Verteilung der Ressourcen vorherrscht und der Gender-Ansatz im Alltag noch zu wenig Berücksichtigung findet. Wenn wir von Gleichstellung beider Geschlechter reden, dann müssen die Interessen der weiblichen Bevölkerung vertreten werden. Sei es durch Anpassung der Infrastruktur bei Frauenparkplätzen, Umbenennung von öffentlichen Plätzen, Gebäuden oder Straßen.

Die Regierung Kasachstans sollte darüber hinaus bessere Voraussetzungen schaffen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die bisherige Entwicklung des Bildungs- und Dienstleistungssektors ist noch nicht ausreichend gerade in Bezug auf Betreuungs-Einrichtungen für Kinder berufstätiger Frauen. Insbesondere in Großstädten wie Almaty und Astana fehlen Einrichtungen, wie kostengünstige Kindergärten, Ganztagsschulen. Hier haben wir noch einiges zu tun, bevor eine Gleichstellung der Geschlechter erreicht ist.

Frau Pak, vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Malina Weindl.

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