Der Traum vom Studium in Deutschland: An acht Schulen in Kasachstan können die Schüler am Ende ihrer Schullaufbahn das Deutsche Sprachdiplom erwerben, mit dem sie ohne weiteren Sprachnachweis an deutschen Hochschulen studieren dürfen. Die Schule Nr. 68 in Almaty ist eine der zwei DSD-Schulen in Almaty. Ein Unterrichtsbesuch in den Klassen eins, fünf und elf.

/Bild: Julia Burkhart. ‚Nach jeder Frage schnellen die Arme in die Luft. Die Schüler der Klasse eins M sind sprachlich bereits ziemlich fit. ‚/

„Guten Tag!“, brüllen die siebzehn Erstklässler der Klasse eins M der Schule Nr. 68 zu Beginn des Unterrichts inbrünstig und singen danach erstmal ein Lied. „Große Kinder, kleine Kinder, dicke Kinder, dünne Kinder“. Dazu schwingen sie die Arme. Lehrerin Aiman Rachmatulina zögert nicht lange und fordert die Mädchen und Jungen in den Schuluniformen auf, sich hinzusetzen. „Legt die Hände ordentlich auf den Tisch!“ An der Tafel hängen ausgemalte Bilder mit Gegenständen: „Was ist darauf zu sehen?“ Die Arme schnellen in die Luft. Die Lehrerin ruft eines der Mädchen auf. Es stellt sich neben den Tisch und antwortet: „Der Fenster!“ und setzt sich wieder.

Es springt sofort ins Auge, wie diszipliniert die Kinder sich verhalten. Niemand ruft unaufgefordert etwas dazwischen. „Das Fenster“, korrigiert die Lehrerin. Danach wird es knifflig. „Was machen die Kinder auf dem Bild? Olesja, komm an die Tafel.“ Zögerlich fängt der Blondschopf an, das Bild zu beschreiben: „Toni und Ina… sind… am Fenster. Ina malt Flecken.“ Die Schüler hören gespannt zu. Für einen Monat Schule sind die Mädchen und Jungs der Klasse eins M sprachlich bereits ziemlich fit.

„Der größte Unterschied zu Deutschland ist auf jeden Fall die höhere Disziplin“, bestätigt Robert Neu aus Düsseldorf, der an den Schulen Nummer 68 und 18 im Auftrag der Zentralstelle für Auslandsschulwesen (ZfA) seit September Deutsch unterrichtet. „Man wird immer gefragt, ob man rausgehen darf, und niemand isst im Unterricht.“ Sein bisher verwunderlichstes Erlebnis sei der Tag des Lehrers gewesen, an dem die Schüler den Lehrern Pralinen und Blumen überreichten.

Der Lehrer hat immer Recht

Dieses Jahr haben sich 18 von 35 Elftklässlern in der Schule Nr. 68 für die DSD-Prüfung im Dezember angemeldet. Sie brüten jetzt über ihren Diagrammbeschreibungen. Lehrerin Aiman Akylbekowa wiederholt immer wieder, welche Infos in den „Basissatz“ hineingehören. „Sie bekommen reingedrillt, was standardmäßig rein muss,“ erzählt Robert Neu. „Die tun sich ziemlich schwer mit Textwiedergaben, weil sie das hier nicht so lernen.“ Einer der DSD-Kandidaten ist Andrej. Er hat einen klaren Plan für die Zukunft: „Ich will in Deutschland studieren und vielleicht auch arbeiten.“ Zielstrebig für einen Elftklässler, aber die Fünftklässler sind es nicht weniger. Asylschan und Anna möchten auch in Deutschland studieren. „Weil es da so schön ist.“ Sie waren dieses Jahr sogar schon in Deutschland, im Rahmen des „Europa-Studienprojekts“, für das ihre Lehrerin Aiman Akylbekowa die Ansprechpartnerin für ganz Kasachstan ist.

Das DSD-Diplom ist noch kein deutsches Abitur, es ersetzt aber die C1-Sprachprüfung. „Sie ist meistens die größte Hürde für ausländische Studienbewerber“, so Robert Neu. Um Manipulation auszuschließen, werden die Arbeiten zur Korrektur nach Köln geschickt. Die Themen für ihre Abschlusspräsentation können sich die Schüler frei aussuchen, sie müssen ihre Wahl nur gut begründen. „Da wählen die auch schon mal kontroverse Themen wie Korruption oder Prostitution.“ Das sei dann ähnlich wie in Deutschland, wo man durchaus auch eine andere Ansicht gegenüber dem Lehrer vertreten könne: „Hier hat der Lehrer immer Recht. In Deutschland ist das ja anders, da kann ich zu den Schülern sagen – hey, du kannst eine andere Meinung haben, du musst sie nur gut begründen können.“ Bis zur elften Klasse gilt in Kasachstan jedoch nach wie vor: Immer um Erlaubnis fragen und ordentlich die Hände auf den Tisch legen.

Von Julia Burkhart

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