Politiker in Kasachstan haben beschlossen, das Wissen um Wertpapieranlagen im Land möglichst schnell auszuweiten und eine größere Anzahl einfacher Leute zu Aktionären zu machen.
Quantitativ stehen dafür im Moment die Sterne allerdings nicht allzu günstig. Zum einen ist das Wissen um die Vorgänge an den Börsen nicht sehr stark verbreitet und zum anderen ist das Angebot an frei handelbaren Aktien sehr, sehr beschränkt. Bleiben wir kurz bei dem ersten Faktor.
Der Verlauf der Notierungen der Wertpapiere an den wichtigsten Börsen der Welt ist in den letzten etwa zwei Jahren starken Schwankungen unterworfen. Einem unerwartet schnellen Anstieg seit etwa Anfang 2005 folgten in den letzten Wochen heftige Korrekturen, mit allerdings ebenso drastischen Steigerungen der Wertpapierpreise in wenigen Tagen nach dem Fallen derselben.
Für viele potentielle Anleger von Kapital sind diese Schwankungen unerklärlich, unerfreulich sind sie allemal. Viele Anleger stehen Wertpapieren mit solchen großen Schwankungsbreiten, wie wir sie im Moment wieder mal erleben, eher hilflos und skeptisch gegenüber. Der Mechanismus der Bewegungen von Börsennotierungen der gehandelten Wertpapiere ist prinzipiell jedoch sehr einfach erklärbar: Angebot und Nachfrage bewegen auch hier die Preise, so wie in jedem Marktprozess. Das besondere an der Preisbildung von Aktien jedoch ist, dass hier eine besonders große Zahl von psychologischen Faktoren einwirkt. Deren Effekt liegt fast immer in der Zukunft und die kann beim besten Willen niemand exakt vorhersehen. Hinzu kommt der Herdentrieb, also das Schielen vieler Anleger auf das Verhalten der Masse, statt sich auf eigene Analysen und Bewertungen zu verlassen.
Ein Aktienkäufer – und das sind bei weitem nicht nur reiche Leute – erwartet eine Wertsteigerung und eventuell eine Dividendenausschüttung in der Zukunft. Die Dividendenausschüttung hängt vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens ab, ist also mehr oder weniger an rationale Kriterien knüpfbar. Bei der Wertsteigerung von Aktien – also der Differenz zwischen dem Einkaufs- und dem Verkaufspreis – ist das nicht so einfach. Eine starke Nachfrage nach einer Aktie oder nach allen insgesamt treibt den Preis, also die Kurse nach oben. Dabei ist es völlig egal, aus welchem Grunde die Leute kaufen, reine Spekulation inbegriffen.
Für Kasachstan ist zu konstatieren, dass die Aktienkurse in den letzten Jahren besonders schnell in die Höhe geschossen sind. Für Aktienbesitzer ist das eher erfreulich, Experten runzeln allerdings eher die Stirn. Der Markt ist hierzulande noch sehr eng. Das heißt, nur sehr wenige Unternehmen benutzen den Börsengang, also den Verkauf eigener Aktien zur Finanzierung ihrer Geschäftstätigkeit. Das hat viele Gründe. Zu diesen gehört, dass es neben der Aktionierung auch noch eine ganze Reihe anderer Möglichkeiten zur Finanzbeschaffung gibt, darunter klassische Kredite oder Leasing. Außerdem fürchten wahrscheinlich viele Unternehmen die strengen Pflichten zur Offenlegung ihrer Geschäfte, die mit dem Börsengang nun mal verbunden sind. Mauscheln und Manipulieren ist für ein börsennotiertes Unternehmen schnell problematisch, weil damit Vertrauen der Investoren schnell verspielt werden kann. Da nun in Kasachstan nur wenige Dutzend Aktien angeboten werden, die Nachfrage aber doch schon relativ groß ist, treiben bereits geringe Nachfragesummen die Kurse schnell in die Höhe. Auf den großen Welthandelsplätzen, wie New York oder London ist dieser Effekt bei Einzelaktien natürlich auch zu beobachten. Da jedoch das Aktienangebot hier meist in die Tausende geht, sind im Durchschnitt die Manipulationsmöglichkeiten wesentlich geringer, als bei kleinen Märkten. Um eine reale Bewertung der eigenen Aktien zu bekommen, muss Kasachstan also früher oder später seine entsprechenden Handelsstrukturen auch international öffnen.
Mittlerweile ist auch hierzulande ein gestiegenes Interesse an der Geldanlage in Aktien feststellbar. Vor allem jüngere und gebildete Leute kennen die Vorzüge aber auch die Risiken einer Aktienanlage. Mit Risiko ist dabei unter normalen Bedingungen nicht die Möglichkeit des Verschwindens des angelegten Geldes gemeint, sondern die Höhe der durch die Marktprozesse verursachten Schwankungen der Wertpapiernotierungen.
Für langfristig orientierte Anleger gehört die Aktie unbedingt mit in das Wertpapierdepot; in Abhängigkeit von den Anlagezielen und der Risikobereitschaft natürlich entsprechend mehr oder weniger. Diese Frage gehört zu dem großen Bereich der Aktienkultur, die sich in Kasachstan im Moment in einem sehr, sehr frühen Stadium seiner Entwicklung befindet. Man kann sich jedoch damit trösten, dass auch in Deutschland, wo immerhin etwa jeder Fünfte Bürger Aktien oder Aktienfonds besitzt, immer noch von einer mangelnden Aktienkultur gesprochen wird. Doch diese Frage in Kasachstan jetzt anzusprechen und praktisch anzuschieben, halte ich trotz aller Schwierigkeiten für sinnvoll.
Bodo Lochmann
10/08/07