Raus aus der Hitze der Stadt, ab ins kühle Nass: Dafür muss man gar nicht weit weg fahren. Etwa 70 Kilometer von Almaty entfernt, liegt das Städtchen Kaptschagai an dem gleichnamigen Stausee.
Der Weg nach Kaptschagai führt über die neugebaute, dreispurige Autobahn Richtung Öskemen. Werbetafeln säumen links und rechts die Straße. Sie versprechen Jackpot-Gewinne von vielen hunderttausend Dollars oder Luxusautos. Kaptschagai ist – neben Borowoje im Norden – nur einer von zwei Orten in ganz Kasachstan, wo kommerzielles Glücksspiel erlaubt ist. Rund fünfzehn Kasinos reihen sich entlang der Hauptstraße. Sie tragen klangvolle Namen wie Bellagio, Astoria oder Bombay. Sie glitzern und leuchten in die Nacht hinein. Kaptschagai macht seinem Ruf als das Las Vegas Zentralasiens alle Ehre. Die schwarzen Limousinen und SUVs mit den getönten Scheiben aus Almaty verleihen dem Ort den Hauch des Dunklen, Kriminellen und Geheimnisvollen.
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Der Eintritt in ein Kasino kann schon mal Tausend Dollar kosten. Doch wer mehrere Monatslöhne in Spielchips getauscht hat, kann immerhin schwarzen Kaviar und französischen Champagner gratis genießen. Hier wird im wahrsten Sinne des Wortes hoch gepokert. Aber die Bank gewinnt bekanntlich immer. Ich kann nur erahnen, wie diese Welt im Innern aussieht. Eine Welt, in der in kürzester Zeit viel Geld die Tischseite wechselt. Ich weiß nicht, wer die Menschen sind, die sich diese Form der Unterhaltung leisten können, aber der Rubel, oder vielmehr der Tenge, rollt.
Doch ich bin nicht für die Glitzerwelt des Glücksspiels gekommen, sondern für einen Kurzurlaub an der Talsperre Kaptschagai. Diese wurde in den 1960ern zur Trinkwasser- und Stromerzeugung Almatys errichtet. Heute ziehen sich kilometerlange Sandstrände rund um das Ufer; Hotels und Ferienheime sind entstanden. Abseits des Kasinobooms ist eine gewisse Urlaubsindustrie entstanden. Wenn man es nicht ganz so genau nimmt und beide Augen zudrückt, könnte man sich fast wie an einem Strand in der Türkei, Kroatien oder Griechenland fühlen.
Nun gut, der Vergleich mit den Stränden am Mittelmeer ist weit hergeholt. Der Schein wird durch den Geruch von frisch gegrilltem Schaschlik und furchtbar laute, russische Popmusik aus knarzenden Boxen getrübt. Das Wasser des Sees ist warm und flach. Man kann weit in den See hineinlaufen, ohne den Boden unter den Füßen zu verlieren.
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Es ist Hochsaison in diesen Tagen im August. Die Liegen rund um den Pool meines Hotels sind alle besetzt. Frauen bräunen sich in der Sonne, Männer trinken Bier aus Plastikbechern, Kinder planschen im Wasser. Über den See rasen Bananenschlauchboote, die ihre kreischenden Mitfahrer ins Wasser werfen. Hier scheint sich die Vorstellung von Urlaub kaum von der in den großen Ferienanlagen am Mittelmeer zu unterscheiden. Ich lasse mich vom Urlaubsfeeling mitreißen. Schon früh morgens reserviere ich mir mit meinem Handtuch eine Liege am Schwimmbecken, schlafe in der Sonne ein und wache erst am Nachmittag wieder auf. Es ist Zeit für eine Abkühlung im Pool.
Es ist alles eine Nummer kleiner und einfacher in Kaptschagai. Noch sind es relativ wenig Menschen, die hierher kommen, aber ich glaube, der Ort hat Potenzial als Urlaubsziel. Die Region Almaty hat große Pläne zum Ausbau des Tourismus, von denen auch Kaptschagai profitieren soll. Neue Hotels und Ferienanlagen werden gebaut, die Infrastruktur ist dank der Kasinos bereits sehr gut. Und vielleicht wird es irgendwann wirklich soweit sein, dass die Kasachstaner nicht mehr ans Mittelmeer fliegen, sondern Urlaub am Stausee machen. Zumindest in Kaptschagai träumt man vom ganz großen Tourismus.