Energie ist der Lebenssaft, den wir gewöhnlich erst dann bemerken, wenn er fehlt, also kein Strom da ist oder die Heizung nicht wärmt. Energie ist zugleich ein Bereich, um den sich in letzter Zeit verstärkt die große Weltpolitik dreht, um den bereits – wenn auch meist indirekt – Kriege geführt werden, um den sich das Konfliktpotential stetig zuspitzt.
Eine stabile Energieversorgung ist ein wesentliches Element der nationalen Sicherheit und der normalen Entwicklung jeder Volkswirtschaft. Nun ist Kasachstan bekanntlich reich mit Energievorräten gesegnet, allerdings sind gewaltige Investitionen notwendig, um diese auch nutzbar zu machen. Vor einigen Wochen hat nun hierzulande eine Diskussion begonnen, die unter dem Titel „drohende Energiekrise“ geführt wird. Gemeint ist, dass etwa ab 2008 die eigene Erzeugung von Elektroenergie den Bedarf nicht decken wird und deshalb Strom importiert werden muss. Das ist zwar kein Drama und meines Erachtens auch keine Krise, doch das soll hier nur am Rande vermerkt werden. Fakt ist, dass der Energieverbrauch in Kasachstan in den letzten Jahren schneller steigt als die Produktion. Das bedeutet, dass die Energieintensität der gesellschaftlichen Produktion wächst. Diese hat sich in den letzten Jahren etwa verdoppelt. Es sind also folglich nicht nur keine Rationalisierungs- oder andere Einsparungseffekte zu verzeichnen, sondern im Gegenteil: der Energieverbrauch wächst extensiv. Das verschlechtert unter anderem auch die preisliche Kokurrenzfähigkeit vor allem der Metalle, die für ihre Erzeugung einen hohen Energieaufwand benötigen. In den meisten Industriestaaten hat sich schon längst eine andere Richtung etabliert, nämlich die Entkopplung von Produktionswachstum und Energieverbrauch. Das bedeutet, dass eine wachsende Produktion mindestens mit relativ, oft aber schon mit absolut weniger Energieaufwand erzielt werden kann. Es existieren also Erfahrungen, ausgereifte Technologien, organisatiorische u.a. Voraussetzungen für die Umkehr der für Kasachstan geschilderten Situation. Prinzipiell kann der in der Welt vor allem durch die Entwicklung in China und Indien wachsende Weltenergiebedarf auf drei Wegen gedeckt werden, wobei eine Kombination am effektivsten sein wird. Man kann, erstens, die traditionellen Erzeugungstechnologien ausbauen, also auf die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen setzen. Das hat den Vorteil, dass man ausgereifte Technologien mit geringem Risiko einsetzen kann. Nachteil ist allerdings die hohe Umweltbelastung dieser Technik und das nur noch sehr begrenzte Potenzial der Effizienzerhöhung. Diesen ersten Weg geht Kasachstan – aus meiner Sicht: leider. Der zweite Weg ist die Nutzung regenerierbarer Energiequellen, also Wasser, Sonne, Wind und Biomasse. Diese Energieträger sind im Unterschied zu den Kohlenwasserstoffen überall in der Welt verfügbar, sie sind mittlerweile technologisch auch ausgereift und haben noch große Innovationspotenziale. Allerdings sind sie noch nicht immer wirtschaftlich, d. h. sie bedürfen noch eine zeitlang staatlicher Subventionen. In Deutschland und vielen anderen Ländern wird sehr stark auf diese Richtung gesetzt, weil hier viele Innovationen entstehen und die Umwelt entlastet wird. Der dritte Weg ist die Energieeinsparung. Leider finde ich in den Diskussionen um die Energiestrategie Kasschstans diesen Begriff nicht. Doch gerade hier ist das Potenzial in Kasachstan enorm. Etwa zwei Drittel der Maschinen und Anlagen sind verschlissen und müssen ausgewechselt werden, die Übertragungsverluste bei Elektroenergie betragen fast 30 Prozent und sind damit fast fünfmal so hoch wie technisch heute möglich, die meisten Gebäude sind schlecht isoliert usw. Das Energieeinsparpotential wird von hiesigen Experten mit etwa 30 Mio. Brennstoff beziffert, das ist etwa die Jahresleistung von zwei Großkraftwerken. Energieeinsparung, das zeigt die Praxis in vielen anderen Ländern, ist der billigste und auch schnellste Weg zur Entspannung kritischer Energiesituationen und langfristig der Weg zur Lösung einer ganzen Reihe von damit verbundenen Problemen. Allerdings ist er weniger spektakulär. Es müssen eben z. B. eine Million Elektromotoren ausgewechselt werden, was niemanden groß interessiert. Mit dem Bau eines großen Kraftwerkes kann man in der Öffentlichkeit mehr Eindruck erwecken, auch wenn das weniger effizient ist. Das aber sieht man ja einem Kraftwerk nicht an. Insgesamt ist in meiner Bewertung die Energiestrategie Kasachstans als Ergebnis traditionellen Herangehens entstanden. Mehr Produktion wird also ohne weiteres Analysieren automatisch mit mehr Energieverbrauch assoziiert. Das hierzulande im Moment vielbeschworene innovative Denken fehlt jedoch ziemlich. Damit sind aber in der Zukunft weitere „Energiekrisen“ vorprogrammiert, denn der Bau neuer Erzeugungsanlagen dauert sehr lange. Veraltete Elerktromotoren sind da schneller ausgewechselt. Außerdem würde es die Umwelt sehr danken, wenn wir uns auf Verringerung, statt auf immer mehr Verbrennung begrenzt vorhandner Ressourcen konzentrieren würden.
Bodo Lochmann
01/12/06