Die aktuelle Finanz- und mittlerweile auch Wirtschaftskrise ist in allen ihren Facetten in den weltweiten Wirtschaftsanalysen und -kommentaren natürlich Thema Nummer 1. Das ist sicher auch normal, schließlich greifen die Krisenprozesse mittlerweile doch zunehmend in die täglichen Lebensprozesse vieler Menschen und Unternehmen ein.
Doch es wäre für Politik, Unternehmen und uns einfachen Leute zu kurz gedacht, unseren Blick nur auf diese Krise zu fixieren. Natürlich weiß im Moment niemand, wie lange diese dauern wird und mit welchen konkreten Wirkungen wir sie überstehen. Dass sie aber vorbeigehen wird, im Extremfall auch ohne staatliche Hilfe, ist sonnenklar. Zwar ist die aktuelle Krise zweifelsohne eine schwere, aber eben bei Weitem nicht die erste. Mittlerweile gibt es doch eine ganze Reihe von Erfahrungen, die bei der Bewältigung solcher unangenehmen Dinge hilfreich sein können. Doch die Krise wird auch in verschiedener Hinsicht missbraucht. Nicht allein, aber doch besonders stark hinsichtlich einer anderen, wesentlich bedrohlicheren Krise: der Umweltkrise. Als Begründung dafür müssen oft die zweifelsohne vorhandenen Finanz- und Wirtschaftsprobleme herhalten. Die Vorhaben zum Klimaschutz, so viele Politiker und Manager, müssten einige Jahre warten, bis sich die Finanzlage wieder stabilisiert hat.
Auf den ersten Blick ist da etwas dran, schließlich kostet Umweltschutz auch Geld. Doch eine abwartende Haltung, die im Grunde schon in den letzten Jahrzehnten dominiert hat, verkennt den Ernst der Lage. Zum einen bietet gerade der Umweltschutz über die Entwicklung und den Verkauf moderner umweltfreundlicher Technologien die große Chance, schneller als mit traditionellen Produkten aus der Krise zu kommen. Der Aufschwung aus dem Tal der (Krisen)tränen – so zeigt die Wirtschaftsgeschichte – ist fast immer über das Anbieten neuartiger Produkte oder Dienstleistungen gelungen. Schließlich ist es nicht so (das gilt zumindest für viele westliche Länder), dass die Leute kein Geld hätten. Sie haben es, geben es aber in den unsicheren Zeiten nur sehr vorsichtig aus. Das auch deshalb, weil es einen hohen Sättigungsgrad an herkömmlichen Erzeugnissen gibt. Nur neue Dinge bieten die Chance, den Kunden zum Kaufen zu locken. Den Ausweg aus den beiden Energiekrisen in den 1970er Jahren brachten im Wesentlichen Maßnahmen zur Energieeinsparung (samt entsprechender Technik); einen Gutteil der Lösung der Absatzkrise von 1980-1982 brachte die Computertechnik. Heute kann das eben umweltfreundliche Technik in einer sehr großen Bandbreite (Wasser, Energie, Wind, Sonne, Geothermie, Einsparungslösungen) sein. Wichtig dafür, dass solche Innovationen auch wirklich einen Effekt erzielen können, ist, dass das Umfeld dafür bereit ist. Das ist in unserer gegenwärtigen Krisenperiode zweifelsohne der Fall. Das Umwelt- und Klimaproblem drückt nicht nur aus objektiven Gründen, sondern es ist auch bei einem Großteil der Politiker, Manager und einfachen Leute angekommen, in Kasachstan allerdings noch vergleichsweise bescheiden.
Beeindruckend, vielleicht auch bedrückend beim Vergleich der aktuellen Finanz- mit der aktuellen Umweltkrise ist, dass sie doch irgendwie nach dem gleichen inneren Schema entstanden sind: Gier, überzogenes Streben nach schnellem Profit, Nichtbeachtung der Prinzipien der Nachhaltigkeit – so könnte man das Gemeinsame auf eine griffige Formel bringen.
Die Natur ist die Bank; die Plünderung der Natur und die Erderwärmung, die weltweit in gigantischem Maße laufen, sind der Ausdruck für das ungehemmte kurzfristige Profitstreben. Alles, was wir der Natur entnehmen, ist letztlich eine Art Kredit. Wenn wir diesen nicht zurückzahlen, wird sich die „Liquidität“ der Natur notwendigerweise verringern, was sie denn auch schon lange tut. Das komplexe, aber intakte System der Existenz der Menschen, dass uns vor vielen Jahren übergeben wurde, zerstören wir in einer enormen Geschwindigkeit. Keinen kann dabei beruhigen, dass ausnahmslos alle mitmachen, wenn auch manche mehr, andere weniger.
Doch die Finanzkrise kann uns auch hier helfen. Sie sollte die Botschaft transportieren, dass es möglich ist, umzusteuern, bevor es zu spät ist (notwendig ist es sowieso). Wir sollten bei der Naturnutzung ebensolche Grenzen ziehen, wie bei der Vergabe von Krediten und dem Erzielen von Profiten. Umsteuern also, bevor das Naturkreditsystem in solche existentiellen Gefahren gerät, wie heute das Bankensystem. Dazu gehört auch, die Kosten zu kalkulieren, die die Umweltbelastung wirklich verursacht. Die verstecken wir meist noch und beruhigen damit unser finanzielles Gewissen. Wenn der Bilanzschwindel dann auffliegt ist es zu spät – Patient tot, Operationen sinnlos.
Bodo Lochmann
23/01/09