Niemand wird gern unfreundlich bedient, auch ich nicht. Und da ich mir fest vorgenommen habe, mir nicht mehr alles gefallen zu lassen und mich nicht mehr beleidigt in der Schmollecke zu trollen, sondern die zwischenmenschlichen Beziehungen durch einen offensiven Umfang konstruktiv zu optimieren, überlegte ich, wie ich meiner unfreundlichen Bäckereifachverkäuferin begegnen sollte.

 

Variante 1: Am liebsten gar nicht mehr. Ich würde einfach bei der anderen Bäckerei einkaufen. Diese liegt weiter weg, was aber wiederum gut wäre, so hätte ich mindestens ein Mal am Tag etwas Bewegung an der frischen Luft, redete ich mir die Sache schön. Aber da begehrte der kleine Held in mir auf: Du feige Nuss! Dich vertreiben lassen? Ha, auf keinen Fall!

Variante 2: Weiter hingehen, aber nix sagen, drüber stehen, ein dickes Fell zulegen. Sieht auf den ersten Blick souverän aus, auf den zweiten Blick jedoch: halbgar, ein bisserl feige und pseudoweise. Und es meldet sich wieder der kleine Held: Wieso soll immer ICH an mir arbeiten von wegen dickes Fell anlegen und so, das kostet schließlich auch Energie. Und wieso dürfen immer die anderen ungeschminkt ihren Launen freien Lauf lassen?

Variante 3: Dafür sorgen, dass die Bäckereifachverkäuferin freundlicher zu mir ist. Jetzt wird’s kniffelig. Denn sie bemüht sich ja, höflich zu sein und zwingt sich ein verkrampftes Lächeln ins Gesicht. Allein es gelingt ihr nicht, ihre schlechte Laune strahlt volle Möhre über die Theke hinüber, hinein in den Verkaufsraum, wo sie mich mit voller Wucht trifft. Worum soll ich nun bitten? Dass sie per Therapie für einen aufgeräumten Seelenhaushalt sorgt? Dass sie einen Rhetorikkurs besucht, um ihre gute Laune überzeugender zu verkaufen? Dass sie sich einen Job suchen soll, in dem sie nicht mit Kunden zu tun hat, sondern mit Bleistiften, Gartengeräten oder Papier? Und wenn ich das Recht hätte, gute Laune zu verordnen und man den Gute-Laune-Faktor in Siebert messen würde, wie viel Siebert muss man dann als Bäckereifachverkäuferin im Durchschnitt an den Tag legen oder im Einstellungstest nachweisen?

Variante 4: Nicht dafür sorgen wollen, dass sich jemand oder etwas ändert, aber zumindest den Unmut zum Ausdruck bringen, um es nicht in sich hinein zu fressen. Nicht konstruktiv, aber immerhin mutig. Fragt sich noch, ob in geschönten Ich-Botschaften („Ich finde das nicht so schön, dass Sie Ihre schlechte Laune hier so verbreiten“) oder authentisch („Mann, ey, wenn Sie keinen Bock aufs Verkaufen haben, warum suchen Sie sich dann nicht einen anderen Job!“).

Variante 5: Die Angelegenheit relativieren, für einen Tag nach Moskau fahren, dort fünf Geschäfte aufsuchen, sich dort nach allen Regeln der Kunst anpampen lassen, wieder nach Hause fahren und sich freuen, dass sich die heimische Bäckereifachverkäuferin bemüht, immerhin bemüht, freundlich zu sein. Wirkungsvoll, aber aufwendig.

Und während ich mir seit Wochen und Monaten das Hirn wund reflektiere, stelle ich heute morgen ganz ohne jegliche Reflexion fest, dass ich einen Bärenhunger habe, springe dynamisch in die Bäckerei, erkenne meine Bäckereifachverkäuferin erst auf den zweiten Blick, da neues Outfit, spontan rutscht mir heraus: „Schicke Frisur!“ und – sie lächelt nicht, sie strahlt! Fast schon hätte ich eine Dissertation verfasst, und dann besteht die Lösung aus zwei Worten und einem Ausrufezeichen.

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