Es ist absurd – im Kampf um den sozialen Frieden bekriegen wir uns gegenseitig. Ohne Konkurrenz scheint es nicht zu gehen – auch nicht in der sozialen Welt, wo es alle nur gut miteinander meinen; wo sich die Probleme türmen und drängeln.

Und das tun sie zur Genüge. Und so sind eigentlich genügend Probleme für alle da. Auch in Köln. Und drum muss man die sozialen Brennpunkte auch gar nicht lange suchen, sondern nur das Stichwort in die Runde geben – russische Jugendliche – und schon geht es los: Vingst, Kalk, Neubrück, Merheim, Ossendorf, Porz … das sind die Stadtteile, in denen es besonders schlimm zugeht. Ja, schon schlimm, für die Jugendlichen selbst und für die Anwohner. Aber auch gut. Und beruhigend. Für uns. Denn das verschafft uns Arbeit. Ohne Probleme keine Aufträge. Also, Ärmel hoch und ran! Und da wir nun wissen, wo es etwas für uns zu tun gibt, gibt es nichts zu zögern und zu zaudern, und wir wollen loslegen. Aber nein! So einfach geht das dann doch nicht. Denn wir sind ja natürlich nicht die einzigen und schon gar nicht die ersten, die etwas Gutes tun wollen, damit es anderen besser geht. Auf dem sozialen „Markt“, auf dem es um Berufsvorbereitung, Integration, Bewährungshilfe und Sprachförderung geht, tummeln sich schon jede Menge Akteure. Und die sind nämlich schon viel länger zugange. Die haben das Feld besetzt und blieben auch am allerliebsten allein in ihrem Revier. Wir wollen niemandem ins Gehege und zu nahe treten, wollen das Angebot ergänzen, uns schüchtern und passgenau in die Lücken fügen und einfach mittun, wie man eben miteinander mehr tun kann als alleine. So sehen wir das. So sehen das aber nicht die anderen. Die haben eine andere Rechnung: Wenn man den Kuchen teilt, bleibt für jeden einzelnen weniger übrig. Ja, auch das verstehen wir. Aber wir bringen ja unseren eigenen Kuchen mit. Und weil der für uns zu groß ist, möchten wir von unserem Kuchen etwas abgeben. Bei dem Kuchen handelt es sich um Fördermittel, die beantragt werden sollen. Das öffnet die Türen einen Spalt breit. Aber nur einen Spalt breit, dass wir hindurchsehen dürfen, wer was wo macht. Und wer es besonders gut mit uns meint, erklärt uns, an wem man nicht vorbei darf. So lernen wir viel über die Psychologie des sozialen Akteurs. Und es wird wieder einmal deutlich: Wir meinen es alle nur gut. Vor allem mit uns selbst. Wir brauchen Arbeitslose, um selbst nicht arbeitslos zu werden. Und wenn wir alle gut arbeiten und schon bald niemandem mehr geholfen werden muss – was tun wir dann? Helfen wir uns gegenseitig oder helfen wir uns selbst? Aber diese Gefahr bleibt vorerst unbegründet, denn die Probleme werden uns so bald nicht ausgehen, es rücken immer welche nach. Also, ran! Dass wir in Konkurrenz stehen, ist ja nicht nur schlecht. Denn ein gesunder Wettbewerb fördert Erfolg und Fortschritt. Man verliert seinen Biss nicht und muss sich immer wieder etwas Neues ausdenken. Das ist quasi ein Naturgesetz und das wichtigste Marktgesetz sowieso. Und dass das soziale Elend nicht nur zur Gesellschaft dazugehört, sondern auch unsere Daseinsberechtigung bedeutet und einen Markt darstellt, an dem wir verdienen, ist nicht weiter schlimm – solange gute Konzepte dabei herauskommen und wir uns nicht gegenseitig im Wege stehen. Dann ist uns am Ende allen geholfen.

Julia Siebert

09/02/07

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