Deutschland ist in den letzten Jahrzehnten vor allem durch Zuwanderer aus muslimisch geprägten Herkunftsstaaten religiös und kulturell vielfältiger geworden. Neben den Arbeitsmigranten sind ab Mitte der 1970er Jahre Muslime als Flüchtlinge und Asylsuchende hauptsächlich aus der Türkei, dem Libanon, Iran, Afghanistan, Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo und dem Irak nach Deutschland gekommen. Mittlerweile leben in Deutschland ca. vier Millionen Muslime. 800.000 von ihnen haben bereits die deutsche Staatsangehörigkeit.
/Bild: Christine Karmann. ‚Dr. Dina Wilkowsky’/
Dr. Dina Wilkowsky, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Zentrums Moderner Orient Berlin, stellte in Ihrem Vortrag „Der Islam in Deutschland“ im Rahmen des Jahres Deutschlands in Kasachstan Ende April an der Fakultät für Orientalistik der Kasachischen Nationalen al-Farabi-Universität die drittgrößte Religionsgemeinschaft der Bundesrepublik vor. Die in Almaty geborene Wissenschaftlerin über Muslime in Deutschland, den Euro-Islam und politische Initiativen für mehr Integration.
Frau Dr. Wilkowsky, was hindert Muslime daran, sich in Deutschland zu integrieren?
Das größte Problem ist ein niedriges Bildungsniveau. Bildung ist wichtig für Integration. Sie fördert die Annäherung zwischen dem deutschen Staat und den Muslimen im Land. Die deutsche Regierung kümmert sich bereits darum, und auch immer mehr Muslime merken, dass sie innerhalb der deutschen Gesellschaft leben. Viele Jugendliche wollen sich auch in die Gesellschaft integrieren, unter den Studenten der deutschen Universitäten sehe ich immer mehr Gesichter von Muslimen.
Welche Antworten hat die Wissenschaft auf die Frage der Integration der Muslime in Europa?
Einige Politik- und Islamwissenschaftler wie Bassam Tibi und Olivier Roy treten für eine neue europäisch-muslimische Identität ein. Der so genannte Euro-Islam widmet sich der Frage, wie Muslime ihr rituelles Leben mit europäischen Gesellschaftsnormen verbinden können. In ihren Schriften fordern die Anhänger des Euro-Islams die Partizipation der Muslime am gesellschaftlichen Leben sowie kulturelle Projekte im Einklang mit der europäischen Kultur und der muslimischen Ethik. Hinter dem Euro-Islam steht die Idee der Förderung eines europäischen Wissenschaftstransfers.
Wie beurteilen Sie die Wirkung politischer Initiativen, wie die der Deutschen Islam Konferenz?
Die Deutsche Islam Konferenz ist ein wichtiges Forum zwischen dem deutschen Staat und den in Deutschland lebenden Muslimen. Die Teilnehmer der Deutsche Islam Konferenz suchen nach konstruktiven Maßnahmen, wie sich Muslime besser in westliche Gesellschaften integrieren können. Dass Muslime den Dialog mit der deutschen Regierung halten, finde ich sehr wichtig. Ich hoffe, dass die Konferenz neue Initiativen für die Zukunft ausarbeitet. Mit den verschiedenen Projekten zu Islam in Deutschland und Europa verbinde ich die große Hoffnung, dass endlich ein Konsens gefunden wird.
Interview: Christine Karmann
23/04/10