Ulf Wokurka verfügt über umfangreiche GUS-Erfahrungen. Er wurde Anfang August 2008 zum Geschäftsführer der Metzler Asset Management GmbH ernannt. Zuvor war er von 2006 bis 2008 stellvertretender Vorstandsvorsitzender und Finanzvorstand bei der kasachischen Staatsholding Samruk-Kasyna in Astana, nachdem er mehr als zehn Jahre im Osteuropageschäft der Deutschen Bank tätig war. Anfang März 2009 wurde der 46-Jährige in den Aufsichtsrat der JSC BTA Bank, die vormals als Bank Turan Alem firmierte, gewählt. Kostja Dallibor sprach mit ihm in Frankfurt am Main.

/Bild: Kostja Dallibor. ‚Ulf Wokurka ist derzeit Geschäftführer der Metzler Asset Management GmbH und Kenner der GUS-Staaten.’/

Wie beurteilen Sie die Situation der kasachischen Banken vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise?

Wahrscheinlich verdient Kasachstan innerhalb der GUS bezüglich seiner Makro- und Mikrowirtschaftspolitik die besten Noten. Zu einem ähnlichen Schluss kommt die Ratingagentur Standard & Poor`s, die sowohl die Volkswirtschaft des Landes als auch einzelne kasachische Unternehmen laufend analysiert.

Alle vier systemischen Banken, also die BTA Bank, die Alliance Bank, die Kazkommerzbank und die Halykbank, funktionieren trotz erheblicher Krisenbelastungen weiter stabil. Das heisst die Privat- und Firmenkunden dieser Institute erhalten alle Dienstleistungen, die sie nachfragen.

Die BTA Bank erhielt kürzlich eine bedeutende Kapitalisierungshilfe des Staates. Darüber hinaus kam es auch zu einer Erneuerung der Führungsriege, nachdem die Regierung entschieden hatte, ihre Unterstützung über den Staatsfonds „Samruk-Kazyna“ zu leiten und über diesen auf eine Umorientierung der Geschäftspolitik bei BTA hinzuwirken. Erste Überlegungen in dieser Hinsicht gehen davon aus, dass die BTA Bank, die als regional orientierte Universalbankengruppe in fast allen Ländern der GUS Tochtergesellschaften oder verbundene Unternehmen hat, sich in Zukunft vor allem auf ihre Aufgaben als Firmenkundenbank für kleinere und mittlere Unternehmen und als Kreditgeber für den Agrarindustriekomplex in Kasachstan beschränken wird. Diese neue Aufgabenstellung verkündete der kasachische Premier Karim Massimov, nachdem die Bank durch Staatshilfen Anfang dieses Jahres stabilisiert worden war.

Die BTA Bank war in Schwierigkeiten geraten, weil sie in großem Umfang langfristige Kredite vergeben hat, sich selbst aber durch Mittelaufnahme auf den internationalen Märkten (Eurobonds, bilaterale Kredite) nur kurz- und mittelfristig refinanziert hat. Damit wurde die Grundregel der Fristenkongruenz verletzt, wodurch die Liquidität der Bank in Gefahr geraten war.

Aber bis jetzt sind alle Zahlungsverpflichtungen dank der Staatshilfe pünktlich beglichen worden. Mit den im März geleisteten Zahlungen hat man bereits ein Drittel aller Zahlungsverpflichtungen des gesamten Jahres 2009 erfüllt und ist zuversichtlich, auch künftig alle vereinbarten Tilgungspläne pünktlich erfüllen zu können. Der Staatsfonds „Samruk-Kazyna“ hat im März 2009 erklärt, man werde die Bank weiter unterstützen, vorausgesetzt die Gläubiger halten sich an die vereinbarten Tilgungspläne. Überdies hat sich die Bank Berater von Goldmann Sachs und White&Case ins Haus geholt, deren Berichte für Ende April erwartet werden, und dann wird man weitersehen.

Auch bei der Alliance Bank, einer weiteren systemischen Großbank Kasachstans, ist der Staat nun mit mehr als 75 Prozent Großaktionär. Dort gibt es ebenfalls ein neues Management, das den geschäftlichen Schwerpunkt künftig auf den Privatkundenbereich legen wird.

Die anderen beiden systemischen Institute, die Kazkommerzbank und die Halyk Bank, sind mit staatlichen Minderheitenbeteiligungen von weniger als 25 Prozent ausgestattet. Dadurch sind diese Banken in der Lage, ihre jeweilige Geschäftspolitik weiterhin selbstständig zu bestimmen, ohne dass ein Blockieren entsprechender geschäftspolitscher Entscheidungen von staatlicher Seite möglich wäre.

Bereits im November letzten Jahres hat Kasachstan seinen ursprünglichen Entwurf des Staatshaushaltplans für 2009 verworfen und eine zweite, realistischere und konservative Revision Anfang März vorgelegt, in der die staatlichen Stabilisierungsprogramme stärker fokussiert wurden. Weitere Einsparmaßnahmen sind jedoch nicht ausgeschlossen.

Ist es aus Ihrer Sicht sinnvoll, einen regionalen Markt und eine Währungsunion in Zentralasien anzustreben?

Grundsätzlich wäre ein Binnenmarkt bei 50 Millionen potenziellen Konsumenten sinnvoll. Da es jedoch in den fünf zentralasiatischen Staaten unterschiedliche Entwicklungsetappen, Wirtschaftsmodelle und Orientierungen – zum Beispiel Autarkiepolitik versus offene Marktwirtschaft – sowie auch unterschwellige Rivalitäten gibt, ist der Aufbau einer Markt- und Währungsunion gegenwärtig nicht realistisch. Meines Wissens gibt es zur Zeit auch keinen zentralasiatischen Staat, der sich dieses Ziel für die nahe Zukunft gestellt hat.

Welche Impulse erwarten Sie vom Kasachstan-Jahr in der Bundesrepublik?

Es gibt ja schon länger eine enge und vielfältige Zusammenarbeit zwischen Kasachstan und Deutschland. Auf wirtschaftlicher Ebene ist sicherlich zu erwähnen, dass es eine beachtliche Gruppe deutscher Spezialisten gibt, die seit mehr als zehn Jahren in Kasachstan leben und arbeiten und dadurch das Land sehr gut kennen. Oft streben deutsche Unternehmen, die in Kasachstan tätig sind, in ihrer Geschäftsleitung vor Ort eine Mischung aus entsandten und lokalen Experten an. Ein erfolgreiches Beispiel integrativer Markteintrittsstrategie sind die kasachischen Firmen von Siemens, die schon seit mehr als fünfzehn Jahren erfolgreich vor Ort tätig sind.

Nun ist das „Jahr Kasachstans in Deutschland“ Anfang Februar in Berlin durch die beiden Staatspräsidenten eröffnet worden. Aus diesem Anlass fand dort auch eine Tagung der Arbeitsgruppe „Kasachstan“ des Ost- und Mitteleuropäischen Vereins der deutschen Wirtschaft (OMV) statt, an der neben dem kasachischen Staatspräsidenten auch der Bundeswirtschaftsminister teilnahm. Wir planen für Mai 2009 eine nächste Tagung dieser Arbeitsgruppe in Frankfurt, auf der sich der Staatsfonds „Samruk-Kazyna“ vor der deutschen Industrie und Bankenwelt präsentieren will.

Kasachstans volkswirtschaftlicher Schwerpunkt liegt auf dem Rohstoffsektor. Im Nicht-Rohstoffsektor erreichte man erst 2008 wieder das Niveau der letzten sowjetischen Statistiken. Der größte Investor in Kasachstan ist zur Zeit China. Für deutsche Unternehmer ist Kasachstan nicht die allererste Adresse bei der Auswahl von Produktionsstandorten im Ausland. Die Infrastruktur ist verbesserungswürdig, das Land ist riesig, die Entfernungen sind groß. Zudem ist die Binnenkaufkraft relativ gering. Das alles ändert sich leider nicht, auch wenn einige Vertreter Kasachstans immer wieder bemängeln, dass die deutsche Wirtschaft das Land nur als Absatzmarkt sehe und keine lokalen Produktionsstätten errichten wolle. Im Rahmen des Kasachstan-Jahrs in Deutschland wird es Foren geben, auf denen sich Vertreter beider Länder besser kennenlernen und dadurch neue Ideen für eine künftig noch engere Zusammenarbeit entwickeln können.

Seit wann ist das Bankhaus Metzler in der GUS?

Im Jahr 2004 entschied sich das Bankhaus Metzler, gleich zweimal nach Osten zu gehen. Und zwar nach Ostasien und nach Osteuropa. Im Dezember 2008 erreichten wir mit dem Erhalt einer Lizenz zur Eröffnung eines Vertretungsbüros in Peking ein wichtiges Etappenziel bei der Verwirklichung unserer ostasiatischen Pläne. In Bezug auf Osteuropa aber sammelten wir in den Jahren 2004 bis 2006 vornehmlich Informationen über diese Region, nachdem Metzler schon seit 2001 einen Investmentfonds für osteuropäische Aktien erfolgreich betreibt.
Im Ergebnis unserer Marktuntersuchungen haben wir das größte Potential in der GUS identifiziert, zumal sich in Mittelost- und Südosteuropa bereits viele starke Konkurrenten im Bereich Asset Management bewegten.

Seit 2006 haben wir die identifizierten Zielmärkte aktiv bereist, darunter waren natürlich auch Kasachstan und Russland. Meine Aufgabe besteht seit August 2008 im aktiven Marketing unserer Dienstleistungen in der Region und im Umsetzen unserer Markteintrittsstrategie für Osteuropa. Dabei wollen wir uns über lokale Partner in den jeweiligen Schlüsselmärkten etablieren, nachdem die Sondierungsphase abgeschlossen ist und wir wissen, mit welchen Partnern wir in Russland und in Kasachstan Kooperationsvereinbarungen abschließen wollen. Wir hoffen, dieses wichtige Etappenziel auch in Osteuropa bis Ende dieses Jahres erreicht zu haben.

Das Interview führte Kostja Dallibor am 1. April 2009, mittlerweile hat sich die Situation bei einzelnen kasachischen Banken zum Teil drastisch geändert.

24/04/09

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