Am 1. Oktober 2010 trat der Deutsch-Kasachische Wirtschaftsrat zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Die Gründung des bilateralen Gremiums geht auf ein Memorandum of Understanding zurück, das im Juli während des Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Astana unterzeichnet wurde. Kasachstan aktuell sprach mit Peter Tils, CEO, Deutsche Bank Eastern Europe, Co-Vorsitzender des Deutsch-Kasachischen Wirtschaftsrates und Mitglied des Foreign Investor‘s Council Kazakhstan, über die Aufgaben des Wirtschaftsrates.

/Bild: KA. ‚Peter Tils, CEO, Deutsche Bank Eastern Europe.’/

KA: Herr Tils, in den deutsch-kasachischen Wirtschaftsbeziehungen existieren verschiedene Gremien, um Handel und Investitionen zu fördern, so die Deutsch-Kasachische Regierungsarbeitsgruppe, die Delegation der Deutschen Wirtschaft in Zentralasien oder der Deutsche Wirtschaftsklub. Was unterscheidet den neuen Wirtschaftsrat von den bestehenden Einrichtungen?

Tils: Mit dem Wirtschaftsrat soll in erster Linie die Modernisierungspartnerschaft vorangetrieben werden. Dabei geht es darum, zunehmend deutsche Technologie und deutsches Know-how zur Modernisierung der kasachischen Wirtschaft einzusetzen, im Gegenzug ist Deutschland insbesondere an Rohstoffen und Seltenen Erden interessiert.
Der Wirtschaftsrat wird von den Gremien, die Sie genannt haben, sowie vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft und dem OMV getragen. Wir wiederum werden unsere Erkenntnisse und Erfahrungen in die Arbeit der Regierungsarbeitsgruppe einfließen lassen. Der Vorstand besteht aus Firmenvertretern, unter anderem von Siemens, ThyssenKrupp, Knauf, Claas, Metro und Deutsche Bank. Schon allein diese Zusammensetzung garantiert, dass ganz konkrete Projekte besprochen werden.

Co-Vorsitzender auf kasachischer Seite ist Herr Kulibayev, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Staatsfonds Samruk-Kazyna. Zu dieser Aktiengesellschaft gehören verschiedene staatliche Unternehmen Kasachstans, was den deutschen Mitgliedern des Wirtschaftrates einen direkten Kontakt zu den Entscheidungsträgern in Kasachstan sichert.

KA: Welche Themen standen auf der Tagesordnung der ersten Sitzung?

Tils: Ganz oben auf der Tagesordnung standen Vorhaben im Bereich Medizintechnik, Infrastruktur und Landwirtschaft. Deutsche Unternehmen liefern ja bereits erfolgreich Ausrüstungen für Unternehmen dieser Branchen. Aber der kasachischen Seite geht es nicht nur um Lieferungen, sondern auch um Produktion im Lande. ThyssenKrupp zum Beispiel hat bereits Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit kasachischen Unternehmen. Diese werden im Wirtschaftsrat an die deutschen Firmen weitergegeben, die bisher vor allem als Exporteure in Erscheinung getreten sind. Kurz: Wir wollen helfen, dass deutsche und kasachische Unternehmen mehr gute Geschäfte miteinander machen, so dass beide Seiten zufrieden sind.

KA: Wie viele Unternehmen haben sich bereits mit der Bitte um Unterstützung an den Wirtschaftsrat gewandt?

Tils: Wir stehen natürlich noch am Anfang. Die erste Vorstandssitzung findet Anfang Februar in Berlin statt, eine erste große Sitzung planen wir für Mai. Zweimal jährlich wollen wir größere Wirtschaftskonferenzen veranstalten – im Frühjahr in Deutschland, im Herbst in Kasachstan.

KA: Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Entwicklung in Kasachstan ein?

Tils: Von Januar bis Oktober 2010 ist das Bruttoinlandsprodukt um 7,1 Prozent gewachsen. Dabei muss man berücksichtigen, dass Kasachstan ja auch 2009 ein Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent zu verzeichnen hatte, die Ausgangsbasis also nicht so niedrig war, wie in anderen Ländern. Die Wirtschaft wuchs im vierten Quartal moderater. Da der Ölpreis nach Expertenmeinung auch 2011 stabil bleiben wird, erwarten wir für 2011 ein BIP-Wachstum von vier bis fünf Prozent.

KA: Von der wirtschaftlichen Erholung profitiert die deutsche Wirtschaft kaum. Während die deutschen Exporte in fast alle Länder in den ersten drei Quartalen 2010 gegenüber dem Vorjahreszeitraum zulegen konnten, sind sie nach Kasachstan gegenüber dem Vorjahreszeitraum erneut leicht gefallen.

Tils: Im vergangenen Jahr hat die staatliche Exportkreditversicherung Euler Hermes kaum Bürgschaften für deutsche Exporte übernommen, da im Zusammenhang mit der Finanzkrise Schadensfälle noch nicht geklärt waren und die Umstrukturierung großer Kreditnehmer verhandelt wurden. Jetzt hat man folgende Lösung gefunden: Hermes akzeptiert die Development Bank of Kazakhstan als Partner, wenn die Eurasian Development Bank als Garantiegeber eingebunden wird. Es ist sehr wichtig, dass Hermes wieder Deckungszusagen gibt, damit der deutsch-kasachische Handel wieder in Schwung kommt.

KA: Deutsche Firmen lieferten in der Vergangenheit Investitionsgüter aber auch ohne Hermesgarantie, beispielsweise an Leasinggesellschaften. Warum florieren auch diese Geschäfte nicht mehr?

Tils: Kasachstan hat aktuell ein Problem: Das negative Kreditwachstum. Viele Banken sitzen auch nach der Umstrukturierung noch auf notleidenden Krediten. Wie man hört, soll es sich bei rund einem Drittel der Kredite im Bankensektor um so genannte Non Performing Loans handeln. Insofern sieht man weniger Ausleihungen an kasachische Banken.
Auf der anderen Seite platzieren kasachische Finanzinstitute wieder erfolgreich Anleihen. Die Development Bank of Kazakhstan hat am 20. Dezember 2010 einen Eurobond in Höhe von 500 Millionen US-Dollar zu einem Zinssatz von 5,5 Prozent platziert, wobei der Preis angesichts der guten Nachfrage zweimal nach unten korrigiert wurde. Das ist ein gutes Zeichen und lässt für die Zukunft hoffen.

Das Gespräch führte Dr. Jutta Falkner, Chefredakteurin. Nachdruck aus Kasachstan aktuell 1/2011.

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Neuer Informationsdienst „Kasachstan aktuell“

Seit Januar erscheint im OWC-Verlag für Außenwirtschaft GmbH der neue Informationsdienst Kasachstan aktuell. Der 16-seitige Newsletter wird auf den Flügen der Lufthansa zwischen Deutschland und Kasachstan sowie von anderen Multiplikatoren verbreitet. Darüber hinaus kann Kasachstan aktuell als pdf-Dokument zum Preis von 108,00 Euro pro Jahr abonniert werden.

Die erste Ausgabe der monatlichen Publikation informiert über aktuelle wirtschaftliche Ergebnisse Kasachstans von Januar bis November 2010, die anlässlich der Regierungssitzung am 14. Dezember 2010 veröffentlicht wurden. Neben Firmen- und Branchennachrichten, Regionalporträts, Beiträgen zur aktuellen Rechtsentwicklung und Branchenreports bietet der Informationsdienst auch Interviews mit Unternehmern und Managern, die in das Kasachstan-Geschäft involviert sind.

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Kasachstan auf Wachstumskurs

Das Bruttoinlandsprodukt Kasachstans ist in den ersten drei Quartalen 2010 um 7,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen, die Industrieproduktion legte zwischen Januar und November 2010 um 10,5 Prozent zu. Nachdem die staatliche Exportkreditversicherung Euler Hermes im April 2009 die generelle Anerkennung von kasachischen Banken aufgehoben hatte, da drei kasachische Kreditinstitute ihre Zahlungen ganz oder teilweise eingestellt hatten, und Garantien für die deutschen Exporteure nur noch für Banken in Betracht kamen, die mehrheitlich in ausländischem Besitz standen, erkennt Hermes nun die Development Bank of Kazakhstan als Garantin und Darlehensnehmerin an, sofern eine zusätzliche Garantie der multilateralen Eurasian Development Bank vorliegt. Das teilte das Unternehmen im jüngsten AGA-Report 198/14.12 mit. Damit darf man davon ausgehen, dass die deutschen Exporte, die in den vergangenen zwei Jahren stark zurückgegangen sind, mit dieser neuen Regelung 2011 wieder zulegen werden. (Kasachstan aktuell)

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