Große Sonnenbrille, auffallende Tunnels, enge Jeans und Sportschuhe: Diese Leute ziehen die Blicke an – denn den typischen Hipster trifft man nicht täglich auf den Straßen Zentralasiens. Der 20-jährige Arman, der selber über sich sagt, dass in ihm ein kleiner Hipster steckt, erklärt die Subkulturauswirkung in Kasachstan.

Leise Indie-Elektro-Musik strömt durch die Gänge, vermischt sich mit Klappern der Gläser und lautem Lachen der Gäste. Die Bar „Raketa“ in Almaty ist extravagant geschmückt: An den Wänden hängen ungewöhnliche Dekorationen, Kronleuchter und Hirschgeweihe. Eine europäische Szenebar mitten in Zentralasien, der Treffpunkt für die jungen Kreativen, die Hipster Almatys. Arman sitzt mit seinem MacBook am Tisch, trinkt die hausgemachte Limonade. Nicht nur die Atmosphäre, auch die Preise der Bar sind europäisch vergleichbar und für den Durchschnittsverdiener Kasachstans überteuert. Der 20-jährige Arman kommt aus Karaganda und war dort lange Mitarbeiter eines Rockclubs, erst vor kurzem ist er nach Almaty gezogen, um bei einer Onlineplattform in Kasachstan zu arbeiten. Seiner Meinung nach ist die Zugehörigkeit zu jener Subkultur ein Gefühl. „ Man fühlt sich so, wie man eigentlich ist. Es ist unabhängig von dem Einfluss der Umgebung.“

Das Internet als Inspiration

Bei ihm hat alles 2011 mit dem Kauf einer engen Jeans begonnen. „Nach meinen ersten Onlinekäufen begann Google mir seltsame Anzeigen anzubieten, in denen mit dem Schlüsselwort Hipster geworben wurde.“ Daraufhin hat er im Internet den Begriff genauer recherchiert. „ Jetzt habe ich eine enge Jeans, Sportschuhe, Tunnels, große Brillen und eine ungewöhnliche Frisur – ja, ich bin ein Hipster, aber doch kein Unmensch“, lacht er. Doch Arman betont, dass die heutige Gesellschaft in Kasachstan noch nicht dazu bereit ist, szenezugehörige Menschen zu akzeptieren. In Karaganda beispielsweise, wurde er mit seinem speziellen Ohrschmuck, den Tunnels, noch seltsam angesehen. „Manchmal hatte ich Angst, dass sie einen Exorzisten rufen“, sagt er scherzhaft. Doch in Almaty reagieren die Menschen offener. Es gibt zwei, drei Szenebars in den man die jungen Leute trifft, aber vor allem sieht man sie auf der Straße – Jugendkultur in Kasachstan drückt sich häufig mit Sport aus. An öffentlichen Plätzen wie vor dem Lermontow-Theater treffen sie sich nachmittags und abends, fahren Skateboard oder BMX.

Visuell ist nicht gleich Innerlich

Arman unterscheidet stark zwischen echten und unechten Hipstern: „Es kommt darauf an, ob das Gefühl der Zugehörigkeit von Innen kommt oder man einfach einen Trend mitmacht. Ich würde sagen, rund 60 Prozent sind einfach nur visuell.“ Darin liege auch der Unterschied der Hipster in Zentralasien und in anderen Ländern. Arman erklärt, dass die jetzige Elterngeneration noch in der Sowjetunion aufgewachsen ist und teilweise noch alten Weltbildern hinterhertrauere. So entstehen häufig Konflikte zwischen den Generationen. Die Älteren können nicht verstehen, dass auch Kasachstan und die Jugend mit ihm sich weiterentwickeln.

Hipster – eine unbekannte Rasse

In Europa ein Alltagswort, teilweise schon zum Schimpfwort verkommen, in Almaty noch kaum bekannt: Mit dem Begriff Hipster können nur wenige genau etwas anfangen. In einer Umfrage der DAZ in Almaty, konnte nur ein Bruchteil die Subkultur erklären. Alexander, Kellner der Bar „Raketa“ erinnert ihr Kleidungsstil an die USA in den sechziger Jahren und an die „Stiljagi-Bewegung“ in der Sowjetunion „Ich respektiere die Menschen, die keine Angst haben, etwas Neues zu kreieren, für sich Neues entdecken und einfach mit ihrem Aussehen experimentieren.“ Jedoch sein Leben lang mit seinem Aussehen zu experimentieren – das kann nicht allen gelingen, denkt Arman. Manche Hipster können ihre Ansichten ändern, aber den Stil nicht wechseln. Andere werden sich einem neuen Trend anpassen. Was Arman anbetrifft, hat er verraten, dass solange er für enge Jeans dünn genug ist, und noch kein Bauch hat, bleibt er seinem Stil treu. „Wir alle sind manchmal Hipster“, sagt er mir einem Lachen.

Dieser Text ist im Rahmen der VIII. Zentralasiatischen Medienwerkstatt (ZAM) entstanden. Die ZAM ist ein Kooperationsprojekt der Deutschen Allgemeinen Zeitung, des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa), der Goethe-Institute Almaty und Taschkent, des deutsch-russischen Jugendportals To4ka-Treff sowie der Friedrich Ebert Stiftung.

Von Larissa Mass, Julia Popowa und Aizhan Karypbayeva

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