Bisher durfte das jährliche Haushaltsdefizit eines Landes der Eurozone nicht mehr als drei Prozent seiner Wirtschaftskraft betragen. Nun haben sich die EU-Finanzminister auf eine Reform des Stabilitätspakts geeinigt. In Zukunft sollen Verstöße gegen das Drei-Prozent-Kriterium nicht mehr zwangsläufig geahndet werden.
Bisher durfte das jährliche Haushaltsdefizit eines Landes der Eurozone nicht mehr als drei Prozent seiner Wirtschaftskraft betragen. Nun haben sich die EU-Finanzminister auf eine Reform des Stabilitätspakts geeinigt. In Zukunft sollen Verstöße gegen das Drei-Prozent-Kriterium nicht mehr zwangsläufig geahndet werden.
Deutschland bricht schon seit drei Jahren die Defizitvorgaben des Euro-Stabilitätspaktes. Nach bereits erfolgter Abmahnung drohten gar empfindliche Sanktionen aus Brüssel. Nun soll bei der Berechnung des Staatsdefizits nicht mehr so genau hingeschaut werden. Deutschland konnte sich mit der Forderung nach Berücksichtigung der Wiedervereinigung als Sonderfaktor staatlicher Verschuldung durchsetzen.
Viele weitere Forderungen Deutschlands und Frankreichs fanden ebenfalls die Zustimmung der EU-Finanzminister. Im Zuge einer Rezession sollen die Mitgliedstaaten mehr Haushaltsspielraum erhalten. Dafür soll in Zeiten wirtschaftlicher Prosperität in Zukunft mehr Konsolidierung der Staatsfinanzen betrieben werden als bisher. Des Weiteren sollen die Netto-Zahlungen eines Landes an die EU-Kasse in die Berechnung des Staatsdefizits nach den Kriterien des Stabilitätspaktes eingehen.
Weitere relevante Sonderbelastungen, wie etwa Reformen der Sozialsysteme, sollen ebenfalls von Mitgliedstaaten mit hohem Defizit geltend gemacht werden können. Dieser Passus wurde vor allem auch von zukünftigen Mitgliedern der Eurozone wie Polen oder Ungarn unterstützt. Außerdem können noch Ausgaben für Bildung sowie Forschung und Entwicklung in Zukunft einen Anstieg der Staatsschuld von über drei Prozent des BIP entschuldigen. Geringen Überschreitungen des Drei-Prozent-Kriteriums soll nun zudem weniger Beachtung beigemessen werden. Des Weiteren wird Defizitsündern nunmehr auch mehr Zeit gegeben, ihr Defizit abzubauen.
Berlin und Paris, die bereits seit Jahren die Defizitvorgabe des Pakts und seine flexiblere Auslegung fordern, haben sich damit weitestgehend durchgesetzt. Lange fanden sie kaum Verbündete in Europa. Da aber derzeit die fünf größten Länder Europas kaum die Kriterien des Stabilitätspaktes einhalten, schaffte es der Stabilitätspakt nun auf die europapolitische Agenda.
Die Deutsche Bundesbank und die Europäische Zentralbank ließen verlauten, sie seien über die Reform ernsthaft besorgt. Die nächsten Tage und die fernere Zukunft werden zeigen, ob die beschlossene Flexibilität beim Schuldenmachen Europa und der Stabilität des Euro gut bekommt. Auf kurze Frist wird es interessant seiná zu beobachten, wie die internationalen Devisenmärkte reagieren; auf lange Frist, ob die Regierungen der neuen Verlockung, mehr Schulden zu machen, widerstehen können.
Der Euro musste am ersten Handelstag nach der Änderung des Stabilitätspaktes leichte Kursverluste an den internationalen Devisenmärkten hinnehmen. Auf kurze Frist droht sicherlich keine Inflationsgefahr, aber der Einzelfallbetrachtung bei der Bewertung der Fiskalpolitik der Staaten der Eurozone ist nun Tür und Tor geöffnet. Unklar ist, wie in Zukunft genau abgegrenzt werden soll, ob ein Staat sich zu hoch verschuldet oder nicht.
Wachsen aber die Schuldenberge mancher Staaten weiter, dann verlieren die internationalen Finanzmärkte das Vertrauen in die Stabilität des Euros. Der Bundesrepublik Deutschland, die derzeit von den Finanzmärkten noch als Schuldner höchster Qualität angesehen wird, könnte bei weiterer Verschuldung gar der Verlust dieser Bewertung drohen. Wenn die größte Volkswirtschaft Europas aber kein glaubwürdiger Schuldner bester Qualität mehr ist, dann wird es wohl auch am Vertrauen in den Euro mangeln.
Genau eine staatliche Ausgabenpolitik ohne Rücksicht auf das Haushaltsdefizit sollte der Stabilitätspakt in seiner alten Auslegung verhindern. Die Politiker haben sich nun neue Freiräume geschaffen. Bei berechtigter Skepsis ist nun zu hoffen, dass die Regierungen die neue Flexibilität ökonomisch sinnvoll nutzen. Ansonsten wird irgendwann und hoffentlich nicht zu spät wieder eine Reform des Euro-Stabilitätspaktes notwendig. Nur dann mit umgekehrtem Vorzeichen.