Wohnzimmer, unfertige Stadtteile, Menschen aus dem Alltagsleben – eine Fotoausstellung im zentralen Ausstellungssaal im der Scheltoksan-Straße 137 dokumentiert bis 22. Februar das Alltagsleben der Deutschen in ihrem Heimatland. Sechs verschiedene Künstler treffen aufeinander. Was sie verbindet, ist das Medium der Fotografie.
Der Höhepunkt der Vernissage „Die ganze Stadt“ war die Eröffnungsrede des aus Ungarn stammenden Fotografen Zoltán Jókay im Foyer des zentralen Ausstellungssaals in der Scheltoksan-Straße 137. „Ich betrachte es als Geschenk, in Kasachstan zu sein. Und dieses Geschenk möchte ich zurückgeben“, sagt der ungarische Künstler. „Frei nach dem Motto ‚Das Ganze ist mehr als die Summe der Einzelteile’ von Prof. Dr. Gilbert Probst, eines Organisationsentwicklers, zeigt die Ausstellung sechs unterschiedliche Künstler und deren Lebensformen, also, wie Deutsche in der urbanen Gesellschaft leben“, so Jókay.
Die Künstler und ihre Blickwinkel
Die in Tokio geborene Künstlerin Tomo Yamaguchi, welche in Leipzig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studierte und bis heute dort lebt, zeigt in ihren Fotos verschiedene Lebensstile in deutschen Wohnzimmern. „Angefangen vom ‚Gelsenkirchener Barock’, den klassischen deutschen Einrichtungsgegenständen der Mittelschicht, bis hin zu alternativen Lebensräumen, kann man am Wohnen oft das Alter und geistige Haltungen ablesen“, so Zoltán Jókay. Er selbst fotografiert Zeitgenossen beim „Erwachsenwerden“, wie er sagt. Vorwiegend junge, aber auch ältere Menschen bilden den Mittelpunkt seiner Werke. Da Jókay in Ungarn geboren und in der Bundesrepublik aufgewachsen ist, benutze er farbige, typische Stillleben, weil er damit stärker die emotionale Bindung zu seinen beiden Heimatländern ausdrücken könne, erklärt er.
Details aus alltäglichen Situationen zeigt die Berlinerin Eva Bertram in ihrem fotografischen Projekt „Barrikaden“. Zoltán Jókay sagt über Bertrams Werke auf der Vernissage: „Deutsche neigen dazu, sich zu verbarrikadieren, die Folge ist Einsamkeit, weil keine zwischenmenschliche Kommunikation stattfinden kann“.
Der in der ehemaligen DDR aufgewachsene Ulrich Wüst widmet sich der abstrakten Fotografie. Vor allem die Abbildungen unfertiger Bau- und Abrissorte stehen im Mittelpunkt seiner Werke. „Er ist sich seiner Linie immer treu geblieben“, so Zoltán Jókay, „trotz des schwierigen Hintergrunds in der DDR.“ Auch die Werke von Maria Sewcz und Andreas Rost, die ebenso aus der ehemaligen DDR stammen und ein Fotografiestudium absolvierten, sind auf der Ausstellung vertreten.
Abschließend sagt Jókay in der Eröffnungsrede: „Wir sind alle verschieden, aber haben auch alle Gemeinsamkeiten!“ Der Künstler nimmt Bezug auf das gemeinsame Anliegen aller sechs Fotografen. Es ist das Verständnis der Stadt als komplexes System. Hier schließt sich für Jókay der Kreis: „Das Ganze ist mehr als die Summe der Einzelteile.“
Die Ausstellung in Almaty
Die Ausstellung wurde vom Goethe-Institut Almaty organisiert, das Institut für Auslandsbeziehungen Stuttgart stellte die Bilder zur Verfügung und finanzierte den Transport. „Da lange keine Fotoausstellung des Goethe-Instituts in Almaty stattfand, wurde es wieder Zeit“, so die Interims-Institutsleiterin Alix Landgrebe. „Die Parallelen zwischen unseren beiden Ländern sind ja, dass sich beide Hauptstädte im Moment rasant entwickeln und es viele Baustellen gibt.“
Zusätzlich zur Ausstellung veranstaltet das Goethe-Institut einen Fotoworkshop. Der Fotograf Zoltán Jókay wird drei Tage lang Almatyer Kunststudenten im Umgang mit der Kamera schulen. Auch in Pawlodar wird die Ausstellung gezeigt und der Workshop veranstaltet.
Die Almatyerin Natalia Detsik interessiert sich für Deutschland, deshalb ist sie zu der Ausstellung gekommen. „Mir gefällt, dass nicht nur Gebäude, sondern auch Leute gezeigt werden. Die illustrierte Vielfalt der Einwohner und deren Lebensweisen in Berlin finde ich sehr spannend. Die Fotoausstellung wird noch bis zum 22. Februar im Zentralen Ausstellungssaal in der Scheltoksan-Straße 137 (Ecke Dschambyl-Str.) gezeigt und kann während der Öffnungszeiten täglich von 10 Uhr bis 19 Uhr besichtigt werden.
Von Robert Vogel
09/02/07