Dr. Alexander Hoffmann leitet seit Ende 2007 in Bonn die Seelsorgestelle für deutsche Katholiken aus Russland, Kasachstan und anderen Ländern der GUS. Mit der DAZ sprach der Geistliche über seinen Lebensweg, seine Arbeit und die Integration von Aussiedlern in die katholische Kirche.

/Foto: Josef Bata/

Haben Sie einen besonderen Bezug zu Ihrer Seelsorgestelle?

Dadurch, dass ich in Kasachstan geboren bin und die russische Sprache noch gut beherrsche, spüre ich auf besondere Weise, wo den Menschen der Schuh drückt.

Sie sind im Jahr 1958 in Karaganda geboren worden und in einem Land aufgewachsen, das nicht nur atheistisch, sondern vielmehr antitheistisch, also gegen jegliche Religion, war. Wie konnten Ihre Eltern und auch Sie ein bekennender Christ bleiben?

Meine Eltern und auch Großeltern waren tiefgläubige Menschen. So wuchsen wir Kinder in einer durch den Glauben geprägten Atmosphäre auf. Mein Vater war mit Geistlichen befreundet, die regelmäßig zu uns nach Hause kamen und sogar Gottesdienste bei uns gefeiert haben. Diese Kontakte, aber vor allem der tiefe Glaube meiner Eltern und Großeltern waren der Grund dafür, dass der Glaube unter uns Kindern weiter gepflegt wurde.

Wann haben Sie Kasachstan verlassen?

Im Jahr 1971 ergab sich für unsere Familie ein günstiger Moment. Es herrschte „Tauwetter“ in der sowjetischen Politik. Leonid Breschnew war an der Macht, und meine Eltern hatten das Gefühl, es sei eine günstige Zeit, umzuziehen. In Karaganda waren gerade für uns als große Familie mit zehn Kindern die Lebensumstände nicht einfach. Meine Mutter hatte zuvor einen Kurzurlaub in Litauen gemacht und seitdem nur noch einen Wunsch: nach Litauen umzuziehen. Und wir taten das dann auch im Jahr 1971. Ich bin dort auf ein litauisches Gymnasium gegangen und erst 1980, nachdem ich den Militärdienst im damaligen Leningrad abgeleistet hatte, sind wir nach Deutschland ausgewandert.

Wie viele Katholiken sind inzwischen aus der GUS nach Deutschland übergesiedelt?

Etwa drei Millionen Russlanddeutsche sind seit dem zweiten Weltkrieg aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland gekommen. Davon bekennt sich etwa ein Viertel zum Katholizismus.

Wie kommen die Russlanddeutschen in einer typisch deutschen, katholischen Kirchengemeinde an? Werden sie angenommen oder bleiben sie Fremde?

Es gibt einige Diözesen, die besondere Anstrengungen in dieser Hinsicht unternommen haben. Aber was ich auch selbst erlebe und was ich von den Menschen erfahre, ist, dass diese Anstrengungen im Allgemeinen zu gering sind. Man muss dabei bedenken, dass viele Aussiedler die deutsche Sprache womöglich noch nicht beherrschen und dass sie eine andere Mentalität haben. Aus diesem Grund ist die Hilfe der Seelsorger vor Ort von großer Wichtigkeit. Ich habe andererseits Verständnis dafür, dass dies nicht immer möglich ist, allein schon weil die Ortspfarrer zeitlich und kräftemäßig häufig überfordert sind. Da sind wiederum wir hier an unserer Seelsorgestelle bei der Deutschen Bischofskonferenz gefragt, um neue Ideen für die Seelsorge vor Ort zu erarbeiten.

Welche Rolle spielt die deutsche Sprache bei der Integration der Aussiedler in die katholische Kirche?

Die Sprache ist ein ganz wichtiges Moment der Integration in die Gesellschaft, aber auch in die Kirche. Nur dürfen wir Seelsorger nicht nach der Sprache urteilen, wen wir seelsorgerisch betreuen oder wem wir Glaubensangebote machen. Wir schauen zunächst auf den Menschen. Wenn sie nicht in der Lage sind, mich auf Deutsch zu verstehen, dann muss ich die Freiheit haben, zu ihnen auf Russisch zu sprechen. Die Menschen wissen doch selbst, dass ihnen die Sprache fehlt, und sind täglich dabei, sie besser zu erlernen. Sprache muss also eine untergeordnete Rolle spielen. Sonst würde man den Menschen viele Chancen verbauen.

Seit dem Zerfall der Sowjetunion hat sich Einiges in den Nachfolgestaaten geändert. Wie stellt sich die Situation der Katholiken in den GUS-Staaten dar?

Die Spannungen zwischen der Katholischen und der Orthodoxen Kirche nehmen eher zu als ab. Das ist ein bedauerlicher Zustand. Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich bei den Orthodoxen um unsere Schwesterkirche handelt. In den zentralasiatischen Republiken ist der Islam sehr stark auf dem Vormarsch. Ein Islam, der mit einem viel stärkeren Anspruch auftritt als in den anderen Regionen der ehemaligen Sowjetunion. Das macht natürlich für die Katholiken dort das Leben sehr schwer. Kasachstan scheint eine Ausnahme zu sein. Dort klappt das Miteinander wesentlich besser.

Das Interview führte Josef Bata

21/03/08

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Josef Bata
Josef Bata ist ein gebürtiger Ungar, lebt seit 37 Jahre in Deutschland. Er ist unter anderem ein freier Journalist für diverse Medien. Einer seiner Schwerpunkte sind die im Mitteleuropa und Zentralasien lebenden Deutschen. Hauptberuflich ist Bata Internetredakteur im Bereich Bevölkerungs- und Katastrophenschutz in Bonn. Auch für die DAZ verfasste er etliche Beiträge.