Ein kleiner niedersächsischer Ort erregt internationale Aufmerksamkeit mit einem einfachen aber genialen Energiekonzept. Jühnde versorgt sich seit 2005 selbst und verkauft sogar überschüssigen Strom. Ein Beispiel, das auf Nachahmer nicht lange warten muss.
/Bild: Pixelio / Wolfgang/
Seit 2005 pilgern Energiefachleute aus den USA, Japan und anderswo nach Jühnde im Landkreis Göttingen. Allein 2007 kamen 7.200 Gäste. Der niedersächsische Ort ist das erste Bioenergiedorf Deutschlands. Seit Winter 2005 decken die cirka 1.000 Einwohner ihren Elektro- und Wärmeenergiebedarf ausschließlich aus regenerativen Quellen.
Energie mit dem zu erzeugen, was in der von Forstwirtschaft und Viehhaltung geprägten Umgebung Jühndes reichlich anfällt, liegt nahe. Eine Biogasanlage erzeugt aus Gülle und Biomasse von den umliegenden Äckern Methan, dessen Verbrennung den Generator des Blockheizkraftwerkes antreibt.
Da Jühnde in Deutschlands Mitte liegt, wo die Sonne nicht allzu häufig und dazu sehr unregelmäßig scheint, wären Solarzellen eine weniger zuverlässige Energiequelle. Während bei einer jährlichen durchschnittlichen Scheindauer von circa 1.422 Stunden die Sonne im Mai täglich etwa 6 Stunden und 9 Minuten scheint, bringt es ein durchschnittlicher Jühnder Dezembertag nur auf circa 1 Stunde und 7 Minuten. Almaty wartet übrigens bei jährlich etwa 1.596 Sonnenstunden an einem durchschnittlichen Maitag mit fast 8 Stunden auf, ein gewöhnlicher Dezembertag liefert immerhin zwischen 3,5 und 4 Stunden Sonne. Der entscheidende Vorteil der Biomasse ist, dass die in ihr über den Prozess der Photosynthese gespeicherte Sonnenenergie das ganze Jahr über abrufbar ist.
Die Rückstände aus der Biogasanlage werden als Dung auf die Felder zurückgebracht, die bei der Verbrennung entstehende Wärme wird über ein Nahwärmenetz in die angeschlossenen Heizungen der Dorfhaushalte geliefert.
Das Blockheizkraftwerk erzeugt 4.000.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Das ist etwa doppelt soviel, wie das Dorf derzeit selbst benötigt. Der Überschuss kann für circa 17 Cent pro Kilowattstunde ins Stromnetz eingespeist werden, was der Gemeinde erkleckliche Zusatzeinnahmen beschert.
Für Kälteperioden, in denen die so entstehende Wärmemenge nicht ausreicht, steht ein zusätzliches Heizkraftwerk zur Verfügung, in dem Holzhackschnitzel verfeuert werden können. Zweieinhalb Kilogramm trockenes Holz besitzen einen ähnlich hohen Heizwert wie ein Liter Heizöl, außerdem wächst Holz nach und setzt bei seiner Verbrennung wesentlich weniger Kohlendioxid frei als Öl.
Organisiert wird das alles in der „Bioenergiedorf Jühnde eG“, also einer Genossenschaft. Der gehören alle Landwirte und Wärmeabnehmer des Dorfes an.
In den vergangenen drei Jahren hat Jühnde viele Nachahmer und Mitstreiter gefunden. Zschadraß und Ostritz in Sachsen, Freiamt im Schwarzwald, Mißlareuth im Vogtland sind hier beispielhaft für viele andere Gemeinden zu nennen, die mit Wind, Sonne, Biogas und Holz ihr Energieschicksal in die eigenen Hände genommen haben.
Die Mitte Februar auf einer Tagung der Uni Göttingen ausgewerteten Zahlen zeigen, dass jeder an das Wärmenetz angeschlossene Jühnder den Kohlendioxid-Ausstoß um mehr als 60 Prozent verringert hat. Sehr zufrieden sind 89 Prozent der mit Wärme versorgten Einwohner mit dem neuen Konzept, 11 Prozent sind zufrieden, unzufrieden keiner.
Für die Zukunft lässt sich bei aller gebotenen Zurückhaltung prognostizieren, dass immer mehr kleine und mittelgroße Gemeinden auf eigene Mittel bei der Energieerzeugung bauen werden. Dezentralisierung und Diversifizierung werden als wirksame Instrumente kostengünstiger, verlustarmer und umweltschonender Elektro- und Wärmeerzeugung in Deutschland seit Jahren auch staatlich unterstützt. Die weltpolitischen und – oft damit im Zusammenhang stehenden – preislichen Turbulenzen um konventionelle Energieträger geben dieser Politik Recht.
Unter Beteiligung aller Einwohner ist damit ein Projekt des Interdisziplinären Zentrums für Nachhaltige Entwicklung der Universität Göttingen (IZNE) zum Modell für Unabhängigkeit vom konventionellen Energiemarkt und vorbildlichem Umgang mit der Umwelt geworden. Gefördert wurde das Projekt durch die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) und das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV).
Von Steffen Eck
12/09/08