Andreas Horbelt ist Kreativdirektor des Deutschen Pavillons bei der EXPO 2017 in Astana und somit verantwortlich für Dramaturgie und Design-Konzept der größten ausländischen Länderpräsentation bei der Weltausstellung. Im Gespräch mit der DAZ erzählt er anschaulich von neuen Trends in Sachen Energiespeicherung und Innovationen wie der Energiegewinnung aus Algen und gibt damit einen Vorgeschmack auf den Deutschen Pavillon.
Können Sie Leitlinien benennen, die Sie bei der Entwicklung des Pavillon-Designs im Sinn hatten? Welche Botschaft will Deutschland kommunizieren?
Wenn man sich die Deutschen Pavillons der Vergangenheit anschaut, dann hatte Deutschland immer einen eigenen Ton und einen eigenen Stil. Man will dezidiert Inhalte vermitteln. Darum ist auch unser Ansatz vergleichsweise didaktisch, andere Länder gehen da andere Wege. Wir wollen das Publikum aber auch unterhalten, „Edutainment“ ist das Stichwort, das heißt, die Besucher sollen Spaß haben – und dabei gleichzeitig etwas lernen. Sie werden sehen: Die Länder präsentieren sich ganz unterschiedlich. Es gibt Länder, die sich rein touristisch darstellen und sagen: Wir zeigen euch mal, wie fantastisch unser Land zum Reisen ist. Andere gehen eher künstlerische Wege, während wir versuchen, Unterhaltung und Wissensvermittlung miteinander zu verbinden.
An wen richtet sich der Deutsche Pavillon? Geht es darum, den einzelnen Menschen zu überzeugen oder will man vielleicht auch die Entscheider erreichen?
Wir möchten beides. Am Ende der EXPO werden ungefähr 400.000 Menschen den Deutschen Pavillon besucht haben, und das sind in der großen Mehrzahl keine Fachleute, sondern Menschen, die sich noch nie intensiv mit dem Thema beschäftigt haben. Da geht es also vor allem darum, sie für das Thema zu begeistern, ihnen Ideen vorzustellen, Bilder zu zeigen und ihnen ein gutes Gefühl zu geben. Daneben werden viele Fachleute und politische Delegationen den Pavillon besuchen. Das ist die andere Ebene. Auch diese Experten haben die Möglichkeit, ihr Wissen in der Ausstellung zu vertiefen, Kontakte zu knüpfen und sich mit anderen Fachleuten auszutauschen.
Lesen Sie auch: Zukunftsmusik auf der Baustelle
Kasachstan setzt auch auf Atomenergie als saubere Energie. Welche Rolle spielt diese Energiegewinnung im Deutschen Pavillon?
Deutschland hat sich entschieden, aus der Atomenergie auszusteigen, was ich persönlich auch vollkommen richtig finde. Aus deutscher Sicht sind damit zu viele Risiken und Probleme verbunden wie die Gefahr eines Unfalls wie in Fukushima oder die ungelöste Frage der Endlagerung der Brennstäbe. Darum spielt das Thema im Deutschen Pavillon auch keine Rolle.
Die von ihnen aufgezeigten Ideen und Zukunftsmodelle klingen oft fantastisch. Bergen einige Szenarien nicht auch Gefahren – vor allem, wenn man Experimente macht, von denen man noch nicht genau weiß, wohin sie führen?
Alles, was neu ist, birgt immer auch Risiken. Ein gutes Beispiel dafür ist die Biomasse. Alle waren anfangs begeistert von der Idee, aus Pflanzen Energie zu gewinnen, bis man festgestellt hat, dass zunehmend auf Flächen, die ursprünglich landwirtschaftlich genutzt wurden, Pflanzen für Biogasanlagen angebaut werden, was zu einer Verteuerung von Nahrungsmitteln führen kann.
Darum wurde nach neuen Lösungen gesucht. Die Biomasse-Kraftwerke der nächsten Generation funktionieren deswegen hauptsächlich mit Pflanzenresten, also Abfallprodukten. Ein Riesenthema sind in diesem Zusammenhang gerade Algen. Sie stehen nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion, wachsen sehr schnell und eignen sich daher hervorragend zur Gewinnung von Bioenergie.
Werden auch neue Erfindungen vorgestellt, die vergleichbar sind mit der Tragweite eines Reißverschlusses, der auf der EXPO in Chicago von 1893 präsentiert wurde? Etwas, worauf man in der Zukunft zurückschaut. Die Algen vielleicht?
Das Thema mit dem größten Potential ist sicher Power-to-X. Dabei geht es stark vereinfacht um ein innovatives Verfahren, mit dem aus Energie, CO2 und Wasser Produkte hergestellt werden können, die heute aus Erdöl oder Erdgas produziert werden. Es lassen sich so zum Beispiel Kunststoffe aller Art herstellen, die dann zwei große Vorteile haben: Sie sind CO2-neutral, und sie entstehen ohne den Verbrauch von fossilen Stoffen. Damit könnte also der Verbrauch von Erdgas und Erdöl mittelfristig erheblich gesenkt werden. Power-To-X wird gerade erst entwickelt, aber es könnte eine Technologie werden, die die Welt verändert und ein entscheidender Baustein werden, um die Herausforderung des Klimawandels und des Ressourcenverbrauchs zu bestehen.
Sinn macht eine solche Technologie aber nur, wenn man über sehr viel erneuerbare Energie verfügt. Eine Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien bedeutet, dass es zu Schwankungen bei der Einspeisung kommt. Mal gibt es viel, mal wenig Sonne oder Wind. Um diese Schwankungen auszugleichen, wird man tendenziell sehr viele Einspeiser bauen, damit der Strom auch ausreicht, wenn mal weniger produziert wird. Im Umkehrschluss wird es bei günstigen Bedingungen viele Momente geben, in denen es „zuviel“ Strom gibt. Und da kommt Power-to-X ins Spiel, denn damit kann diese Energie in andere Dinge „umgewandelt“ werden.
Eine weitere Möglichkeit ist Power-to-Gas, das heißt, man nutzt überschüssige Energie, um CO2 aus der Luft zu binden und daraus künstliches Erdgas herzustellen. Das wird die wesentliche Speichertechnologie der Zukunft werden, denn für Erdgas gibt es schon jetzt die notwendige Infrastruktur, es gibt Pipelines, es gibt Speicher, es gibt Kraftwerke. All das kann weiter genutzt werden, nur eben mit künstlichem, CO2-neutralem Erdgas. Es wird zwar CO2 freigesetzt, wenn das Gas verbrennt, aber nicht mehr, als vorher verbraucht wurde, um das Gas herzustellen.
Ähnlich interessant ist die Technologie Power-to-Fuel. Hier wird aus CO2 künstlicher Kraftstoff hergestellt, mit dem bestehende Infrastrukturen und Fahrzeuge CO2-neutral betrieben werden können.
Früher hatte man Angst, dass erneuerbare Energie teuer sei, deshalb hat man auch deren Anteil im Strommix bis 2025 auf maximal 45% gedeckelt. Wie verhält sich die Politik zu all dem Fortschritt?
2000 trat das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG-Gesetz) in Kraft. Es wurde entwickelt, um einen wirtschaftlichen Anreiz für den Bau von Anlagen zum Erzeugen von Strom aus erneuerbaren Quellen zu schaffen. Das Gesetz hat die Abnahme des so erzeugten Stromes zum festen Preis garantiert, und zwar unabhängig vom aktuellen Strompreis an der Börse. Dieses Gesetz war so erfolgreich, dass sehr viele Wind-, Solar– und andere Anlagen zur Ökostromerzeugung entstanden und erfüllte seinen Zweck über die Maßen. Denn dadurch, dass man den Erzeugern einen Festpreis garantiert hatte, wurde Strom teurer. Darum mussten die gesetzlichen Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Situation angepasst werden.
Das Highlight des Deutschen Pavillons soll die Lasershow werden, die das Bündeln aller Energien symbolisieren und die Besucher beeindrucken soll. Was steckt dahinter?
Jeder Besucher der Ausstellung bekommt einen kleinen „Smartstick“, eine Art interaktive Batterie, mit der er Wissen – und damit Energie sammeln kann. In der Energy Show am Ende können die Besucher die gesammelte Energie nutzen, um gemeinsam die Welt ein kleines bisschen zu verändern. Die Energie der Besucher vereinigt sich, bildet eine Art Energiewirbel und verdichtet sich zu einem Laser. Das wird sehr viel Spaß machen. Wir möchten, dass die Besucher die Ausstellung mit einer positiven Erwartung an die Zukunft und dem guten Gefühl verlassen, dass sie selbst auch etwas dazu beitragen können, die Welt zum Besseren zu verändern. Wenn das funktioniert, wäre ich sehr glücklich.
Vielen Dank.
Das Gespräch führte Julia Boxler.