Am 8. Februar 2012 trafen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew, um das deutsch-kasachische Rohstoffabkommen zu unterzeichnen. Kasachstan hoffte auf Investitionen, Deutschland wollte sich den Zugang zu den kasachischen Rohstoffvorkommen sichern. Wie sieht es nach über fünf Jahren mit dessen Umsetzung aus?
Kasachstan ist wie kaum ein anderes Land reich an Ressourcen. Bekannt ist das Land vor allem durch seine Ölvorkommen. Doch nicht nur Öl, sondern auch seltene Erze und Metalle befinden sich in der kasachischen Erde. Mit ihnen will die kasachische Regierung Investoren anlocken. Deutschland unterstützt sie dabei. 2012 wurde das deutsch-kasachische Rohstoffabkommen geschlossen, das offiziell „Abkommen über eine Partnerschaft im Rohstoff-, Industrie- und Technologiebereich“ heißt. Seitdem ist der Zugang zum kasachischen Bergbausektor einfacher geworden. Mittlerweile steigt das Interesse an dem zentralasiatischen Land auch bei deutschen Unternehmen.
„Deutschland will dazu beitragen, dass in Kasachstan ökologisch und sozial nachhaltige Rahmenbedingungen im Bergbau geschaffen werden“, sagt David Oberhuber von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Dabei gehe es einerseits um Erleichterungen bei ausländischen Direktinvestitionen und bei der Lizenzvergabe für Minen. Andererseits unterstütze man Kasachstan bei der Einführung der dualen Berufsausbildung, wie sie in Deutschland üblich ist. Ein Teil der Ausbildung findet in der Berufsschule statt, der praktische Teil im Betrieb. Oberhuber hofft, dass das entsprechende Berufsausbildungsgesetz Ende 2018 in Kraft tritt.
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Enttäuschte Erwartungen
Fast ein Hundert verschiedene Metalle und Mineralien wurden bisher in kasachischem Boden gefunden. 30 Prozent des weltweiten Chromvorkommens und ein Viertel aller Manganerzvorkommen finden sich hier ebenso wie große Mengen an Uran, Chrom, Zink, Kupfer und Eisenerzen. Für die Regierung hat die Entwicklung des Bergbausektors hohe Priorität. Bis 2018 will Kasachstan seine Produktion im Vergleich zu 2013 verdoppeln. Mithilfe signifikanter Investitionen aus dem Ausland soll dieses Ziel erreicht werden. Dafür werden seit 2014 Reformen durchgeführt, die ausländischen Firmen einen einfacheren Zugang zum kasachischen Markt erlauben. Ein Gesetz nach australischem Vorbild, bei dem auch die GIZ beratend tätig ist, soll im nächsten Jahr kommen.
2012 sah die Zusammenarbeit noch nicht so vielversprechend aus. Die Umsetzung des Abkommens gestaltete sich nicht immer als einfach. „Es gab viele Missverständnisse“, sagt Oberhuber. Auf kasachischer Seite habe man direkte Investitionen erwartet. „Deutschland ist aber kein Bergbauland. Im Gegenteil, wir sind ein Konsument von Rohstoffen, kein Produzent.“ Die wenigen deutschen Energieunternehmen und Minenbetreiber, wie zum Beispiel RWE, orientieren sich aufgrund der Energiewende schon seit Jahren neu und seien international nicht sichtbar, erklärt er.
Beril Ocakli vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft betont, dass gerade zu Beginn der politische Druck auf beiden Seiten groß war. „Und das zu einer Zeit als die niedrigen Preise für einen Stillstand am Rohstoffmarkt sorgten.“ Immer wieder haben die Kasachen gefragt, wo die Investoren aus Deutschland bleiben. „Da war einfach eine Kluft zwischen dem Angebot aus Deutschland und der Nachfrage in Kasachstan“, sagt sie.
Eine gewisse Enttäuschung lässt sich auch aus dem Bundeswirtschaftsministerium vernehmen: „Das Abkommen hat vor allem dazu beigetragen, die Bedeutung der kasachischen Rohstoffvorkommen auch für die deutsche Wirtschaft deutlich zu machen“, heißt es auf Anfrage der DAZ. Doch seien aufgrund der schwachen Nachfrage an Rohstoffen in den vergangenen Jahren bisher nur wenige Projekte im Rahmen der Rohstoffpartnerschaft identifiziert worden.
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Im Gespräch bleiben
Die GIZ, der Ostausausschuss der deutschen Wirtschaft und die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sind zusammen für die Umsetzung des Projektes „Mineralische Rohstoffe für die Entwicklung in Zentralasien“ zuständig. Ziel ist die Modernisierung des Bergbausektors in Kasachstan und die Verbesserung von Rahmenbedingungen für deutsche Unternehmen.
Im Rahmen des Projektes treffen sich regelmäßig Regierungsvertreter, Bergbauunternehmen sowie Experten aus Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Deutschland bei einer regionalen Dialogplattform. Bisher gab es acht Treffen. Dabei ging es neben wirtschaftlichen und technischen Themen unter anderem auch um Umwelt- und Sozialstandards im Bergbau. Bei den Treffen wurde diskutiert, wo die drei zentralasiatischen Länder stehen, was Best Practices sind und Deutschland dazu beitragen kann.
So unterstützt Deutschland Kasachstan zum Beispiel bei der Schließung von Minen, der Renaturierung und dem Umgang mit Arbeitskräften. „Durch den Ausstieg aus der Braunkohle haben wir das entsprechende Know-How in Deutschland, während es für Kasachstan etwas Neues ist“, sagt Ocakli. Bei der Dialogplattform gehe es um konkrete Handlungsempfehlungen, aber auch darum, eine gemeinsame Sprache zu finden und die gegenseitigen Erwartungen der Realität anzupassen.
Kasachstan macht sich gut
Seinem Ressourcenreichtum verdankt Kasachstan seine wirtschaftliche Führung in Zentralasien. Metalle und Erze machen 19 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, was einem Wert von 39 Milliarden Euro entspricht. Rund 80 Prozent der in Kasachstan abgebauten Bodenschätze werden ins Ausland exportiert. Das wiederum sind ein Viertel aller Exporte Kasachstans. Momentan gibt es in Kasachstan 5004 Abbaufelder, die bereits genutzt werden oder in denen in Kürze mit der Nutzung begonnen wird. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde in Kasachstan kaum in geologische Forschung investiert. Das ändert sich langsam. Das Portal mining.com geht davon aus, dass 2017 mehr als 30 Milliarden Dollar in den Bergbau investiert werden, nachdem der Zugang zu den Minen für ausländische Investoren nun einfacher geworden ist.
Sie sind vor allem an seltenen Erden interessiert, die zur Herstellung von Hightech-Produkten wie Smartphones, Laptops und Flachbildschirmen gebraucht werden. Mittlerweile haben sich der Rohstoffmarkt und der Bergbausektor erholt. Die Preise steigen wieder. Für Ocakli war es ein „schlauer und mutiger Schachzug“, die Zeit bis dahin für Reformen zu nutzen. Kasachstan ist dabei der Klassenprimus in Zentralasien. Es seien viele Reformen umgesetzt worden, lobt Ocakli. Nun sei auch das Interesse bei deutschen Unternehmen größer.
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Maschinen statt direkter Investitionen
Ein großes Problem der Rohstoffbranche in Kasachstan ist jedoch, dass die abgebauten Mineralien nicht verarbeitet werden können. Sie müssen in ihrer Rohform ins Ausland, meist Russland oder China, zur Weiterverarbeitung transportiert werden. Hier sollen deutsche Unternehmen bei der Modernisierung sowie dem Aufbau der benötigten Infrastruktur helfen.
Direkte Investitionen in den Abbau oder die Erkundung von Rohstoffen wird es von deutschen Unternehmen auch in Zukunft kaum geben, stattdessen werden sie Maschinen und Anlagen liefern. Maschinen- und Anlagenbauer müssen aufgrund der Energiewende und des Ausstiegs aus dem Braunkohleabbau 2018 schon länger auf das Geschäft im Ausland setzen. Nach Angaben des Branchenverbandes VDMA beträgt die Exportquote bereits heute 94 Prozent. Kasachstan bietet für sie eine Menge Möglichkeiten und das Interesse an dem zentralasiatischen Land steigt. 18 deutsche Unternehmen nahmen im September an der Messe Mining World Central Asia in Almaty teil. Im vergangenen Jahr waren es nur zehn. Eines dieser Unternehmen ist die Steinert Elektromagnetbau GmbH aus Köln.
Das Unternehmen bietet Maschinen zur Trennung von Wertstoffen an. Kasachstan sei ein aussichtsreicher Markt – wie alle Turkstaaten, sagt Boris Anders, gebietsverantwortlicher Ingenieur für den Vertrieb bei Steinert. Er ist positiv gestimmt, auf dem kasachischen Markt Fuß zu fassen. „In Kasachstan wächst die Bereitschaft, unsere Technik zu nutzen.“ Steinerts Sortiertechnik kann nicht nur im Bergbau eingesetzt werden. „Man kann sowohl die wertvollen Mineralien vom Ganggestein oder Metalle aus Schlacke trennen, aber auch Haushaltsabfälle dementsprechend sortieren“, so Anders.
Er begrüßt die Bemühungen von deutscher Seite, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Denn die Konkurrenz sei groß, vor allem aus Russland und Osteuropa. „Es ist für uns kein Vorteil, dass vieles in Kasachstan anders läuft.“ Einen Kunden hat das Unternehmen in Kasachstan allerdings schon. Nördlich von Schymkent betreibt ein Kunde von Steinert eine mobile Sortieranlage, die Phosphorit von Dolomit trennt.
Stabile Partnerschaft schaffen
„Ich bin optimistischer als vor fünf Jahren“, meint Ocakli. Kasachstan habe sich gut entwickelt, Prozesse seien transparenter geworden. Man habe sich sowohl bei der Sprache als auch bei den Erwartungen angenähert. „Nach mehr als fünf Jahren sind wir jetzt soweit, das Abkommen tatsächlich umzusetzen“, sagt sie. In Kasachstan müsse man verstehen, dass deutsche Unternehmen risikoscheu seien und Vertrauen brauchen, so Ocakli.
Für den Rohstoffhandel selbst heißt das, dass die Importe mineralischer Rohstoffe aus Kasachstan seit 2012 zum Teil deutlich gestiegen sind. Laut Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums stieg der Import von Phosphor bis 2016 von 14.300 Ton-
nen auf 15.400 Tonnen, von Zink von 932 auf 4.577 Tonnen, von Silizium von null auf fast 3.000 Tonnen und von Blei von 41 auf 461 Tonnen.
Oberhuber betont, dass Deutschland auch in Zukunft auf Rohstoffe aus dem Ausland angewiesen sei und daher bestimmte Standards schaffen wolle. Das komme auch Kasachstan zugute. „Wir müssen kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen das Interesse an einer langfristigen und stabilen Partnerschaft gegenüberstellen“, sagt er.