Die makroökonomischen Daten Kasachstans sehen für das erste Halbjahr 2010 wieder blendend aus. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist um etwa acht Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres gestiegen. Innerhalb des BIPs ist das Außenhandelsvolumen besonders schnell gewachsen. Etwa 45 Prozent des BIPs werden über diesen Bereich realisiert. Kasachstan ist damit etwa in gleichem Maße wie Deutschland von der Nachfrage der Weltmärkte nach seinen Produkten abhängig. Der Unterschied ist, dass Kasachstan nach wie vor mit wenig oder gar nicht veredelten Rohstoffen Geld verdient, während in Deutschland weltweit konkurrenzfähige Produkte der verarbeitenden Industrie, insbesondere des Maschinenbaus, Geld in die Kassen der Unternehmen spülen.
Das kasachstanische Exportvolumen ist innerhalb eines Jahres um enorme 40 Prozent gewachsen. Solche hohen Zuwachsraten sind verdächtig, lassen sich in diesem Falle aber leicht erklären: Im Jahr 2009 ist der Export im Vergleich zu 2008 fast um die Hälfte zurückgegangen. Die Vergleichsbasis für 2010 ist daher sehr niedrig. Jetzt werden die Volumina wieder knapp erreicht, die schon mal Standard waren. Weiterhin kommt hinzu, dass die Konjunktur auf den wichtigsten Abnehmermärkten Kasachstans brummt, also die Preise für Rohstoffe entsprechend gestiegen sind. Tatsächlich ist denn auch das physische Volumen des wichtigsten kasachstanischen Exportguts Erdöl nur um knapp fünf Prozent gestiegen, der Erlös infolge der Preissteigerung jedoch um fast 90 Prozent.
Der Saldo der laufenden Export- und Importsaldi, also das, was in Devisen vom Exporterlös nach der Bezahlung der Rechnungen für die Importe in Dollar, Euro usw. noch übrig bleibt, ist mit fast 17 Milliarden Dollar mehr als hoch. Auf den ersten Blick ist das nicht schlecht, und eine ganze Reihe positiver Momente gibt es bei solch einer Geldschwemme auch. So können sehr leicht die Rechnungen der anderen Teilbilanzen des Außenhandels, die keine Überschüsse erwirtschaften (vor allem die Dienstleistungsbilanz mit etwa sechs Milliarden Dollar Defizit), ausgeglichen werden. Auch haben die nach wie vor im Ausland hochverschuldeten Unternehmen keine Probleme, sich Devisen auf dem heimischen Devisenmarkt zu beschaffen.
Die vor etwa zwei Jahren aufgekommenen Pläne, dass für Unternehmen und Bevölkerung eventuell eine Devisenbewirtschaftung, also eine Begrenzung des freien Kaufs von ausländischem Geld, notwendig sein könnte, sind endgültig vom Tisch. Stirnrunzeln dürfte der hohe Exportüberschuss aber bei der Nationalbank auslösen. Geld stinkt nicht, macht jedoch ab einem bestimmten Niveau auch nicht mehr glücklich. Die Devisenerlöse werden überwiegend auf dem heimischen Devisenmarkt zum Kauf gegen Tenge angeboten. Je größer nun das Dollarangebot, umso weniger wird die Ware Dollar in Tenge kosten. Der Tenge wertet auf. Damit werden Importe in Tenge billiger, was den heimischen Produzenten die Sicherung ihrer preislichen Konkurrenzfähigkeit erschwert.
Auch die Exporteure wollen nicht unbedingt eine Aufwertung, weil sie dann weniger Tenge für ihre Dollars bekommen. Also greift die Nationalbank in das freie Spiel des Devisenmarktes ein und kauft die nicht nachgefragten Dollars gegen Tenge. Damit aber wächst die Geldmenge wieder (offiziell nur Tenge), was wiederum die Inflation anheizt. Die ist mit fast acht Prozent schon wieder über den Planrahmen hinausgeschossen.
Diese Sorgen der Nationalbank werden ergänzt durch die Sorgen der Regierung: Trotz aller Programme zur Diversifizierung der Wirtschaft ist davon nichts zu spüren. Mit 63 Prozent ist Erdöl bei den Exporterlösen mit Abstand das führende Produkt, der Rohstoffsektor insgesamt bringt 77 Prozent ein. Im Vergleich zum Zeitraum vor der Verkündung des Ziels, von der einseitigen Rohstoffabhängigkeit abzurücken, ist das ein deutlicher Anstieg. Folglich muss man das Scheitern der teuren Diversifizierungsprogramme konstatieren, zumindest auf absehbare Zeit.