Irgendwann ist die Partyzeit vorbei. Zum Beispiel jetzt. Womit ich nicht das Feiern als solches meine, sondern das Partyfeiern, wie wir es als Studenten taten.
Früher war es einfach zu feiern. Ich habe einigen Kumpels einen Tag genannt, dieser hat sich wie von selbst herumgesprochen. An besagtem Tag kamen viele Leute, die man kannte, und fast ebenso viele, die man nicht kannte. Jeder hat was mitgebracht. Dann haben wir uns alle miteinander besoffen. Und wenn das Bier ausging, hat irgendwer an der Tankstelle Nachschub besorgt. Irgendwer hat irgendwelche Musik eingelegt, und fast alle haben getanzt.
Heute geht das nicht mehr. Denn heute sind wir erwachsen. Wir haben das Alter verlassen, in dem die Abenteuer- und Entdeckerlust alles bestimmte und alles verzieh. Da war das kunterbunte Durcheinander verschiedener Speisen, Getränke und Leute angesagt. Heute vertragen wir kein Durcheinander mehr. Es muss in geordnetem Rahmen vonstatten gehen, sonst fühlen wir uns nicht wohl. Wir sind empfindlicher geworden, und zwar auf allen Ebenen. Unser Gehör und unsere Mägen sind vor Überlastung zu schützen, da wir inzwischen nicht nur eine Nacht, sondern drei Tage inkl. Nächte brauchen, um eine durchzechte Nacht abzubauen. Das können wir uns nicht leisten, weil wir im Büro fit sein müssen und uns sowieso unsere Lebenszeit kürzer und damit wichtiger geworden ist. Da steht Sport ganz oben auf der Liste. Um morgens laufen zu können, lassen wir uns abends nicht mehr so gehen.
Auch haben wir uns inzwischen gesellschaftlich orientiert und positioniert. Wir finden es nicht mehr spannend, gänzlich unterschiedliche Meinungen und Lebenskonzepte zu hören, das finden wir nur noch anstrengend und nervig. Mit Widersprüchen wollen wir nicht mehr den demokratischen Diskurs- und Diskussionsgeist fördern, sondern andere Meinungen schnell plattreden. Aber dieses Kräftemessen wollen wir allenfalls noch im Job und ganz bestimmt nicht mehr in der Freizeit, am allerwenigsten auf Feiern. Am wohlsten fühlen wir uns zu Hause, und wenn wir das traute Heim schon verlassen müssen, wollen wir auf den Pflichtveranstaltungen zumindest möglichst viel Vertrautes vorfinden.
So weit, so gut die Theorie. Doch nun zur Praxis, die mich vor ungeahnte Herausforderungen stellt. Die letzten drei Feiern ging ich an wie gewohnt: Jeder komme, wann er wolle. Eingeladen wird, wer mir gerade in den Sinn kommt. Jeder nehme sich aus der Küche, was er brauche, um sitt und satt zu werden. Jeder sorge für die eigene Unterhaltung und suche sich adäquate Gesprächspartner. Einziger Unterschied zu den Studentenpartys: Ich sorge für alles, niemand braucht etwas mitzubringen.
Klingt einfach. War es aber nicht. Nur ein Teil der Gäste bediente sich selbst, bei den anderen musste ich immer nach leeren Gläsern schielen, um niemanden auf dem Trockenen zu lassen. Die anderen bedienten sich nur so weit, wie sie alles offensichtlich vorfanden. Das mutige Stöbern und Reingreifen in geschlossene Schränke war in den Studenten-WGs normal, heute ist dieses jugendliche Ungestüm passé. So wurde ich ständig gerufen, weil dieses oder jenes fehlte. Noch weniger forsch waren meine Gäste, sich mit anderen Gästen bekannt zu machen, so dass ich versuchte, mich um die einsamen Gesellen zu kümmern. Richtig entspannt war ich erst, als die letzten Gäste gegangen waren.
Nach Gesprächen mit Freunden und der Lektüre von Zeitschriften und Romanen komme ich zu der Erkenntnis, dass die Partyzeit endgültig vorbei ist und es nun gilt, Gesellschaften auszurichten, die einem wohl durchdachten Konzept konsequent folgen, bei dem alle Elemente aufeinander abgestimmt sind und die der Moderation des Gastgebers folgen. Was mich stark an meinen Beruf erinnert, womit mir die Freude am Feiern jäh vergeht. Und immer wieder muss ich feststellen: Es ist gar nicht so einfach, älter und erwachsen zu werden. In der zunehmenden Stur- und Starrheit wird sogar das Feiern zu einer Anstrengung. Puh!