Um die Öffentlichkeitsarbeit in der Wolgaregion zu stärken, haben sich Ende Mai PR-Experten und Journalisten zum „1. PR-Summit auf der Wolga“ getroffen. Auf dem Wolgaschiff „Alexander Newski“ diskutierten sie ihre Verantwortung gegenüber russischen Medien. In Astrachan berieten sie mit Vertretern von Hochschulen, Ministerien, Medien und Parteien die Rolle der Public Relations bei der Entwicklung der Bürgergesellschaft in ihrer Region. Gemeinsam entwickeln sie nun Ideen, die Regionen entlang der Wolga stärker in die Öffentlickeit zu rücken.
„Das ist Werbung“, lehnt die Journalistin Natalia Jaralowa strikt ein Interview mit der „Wimpelkom“-Pressesprecherin Anastasia Kusnezowa ab. Die Redakteurin des Astrachaner Fernsehsenders „Prospekt“ fürchtet, durch solch ein Interview könne ihr Lokalsender Probleme mit dem Kartellamt bekommen. Dabei ist Anastasia Kusnezowa als Referentin eingeladen zur internationalen Konferenz „1. PR-Summit auf der Wolga“, über die die TV-Journalistin berichten soll. Und sie hat eine Botschaft, für die sie von den Teilnehmern der Konferenz Lob erntet: „Wir wissen: Kostenlose PR ist teuer. Dennoch bezahlen wir niemals Veröffentlichungen von Journalisten“, sagt die 26-Jährige Wolgograderin.
„Die Angst vor PR nimmt groteske Züge an“, bestätigt Leonid Barkow, Chefredakteur der Wolgograder Wirtschaftszeitung „Vremja – Dengi“. Um diese Situation zu ändern, haben die Tageszeitung „Kommersant“, die PR-Assoziation „Untere Wolga“ und das Institut für Wirtschaft und PR in Wolgograd PR-Experten und Journalisten zu einer dreitägigen Schiffahrt auf der Wolga eingeladen. In Seminaren und Workshops verfolgen die Teilnehmer aus Russland, Deutschland und den USA vor allem ein Ziel: PR-Fachleute sollen Journalisten wieder als Kollegen sehen, deren Meinung nicht zu kaufen ist.
„Der Untergang des russischen Journalismus hat mit schwarzen PR-Techniken begonnen“, so Barkow. „Nur die PR-Branche selbst kann den Ruf des Journalismus wieder aufrichten.“ Der 54-Jährige beobachtet seit mehreren Jahren Tendenzen im Medienbereich. Dafür wurde er 2004 in Moskau mit dem russischen PR-Preis „Silberner Bogen“ ausgezeichnet für die beste journalistische Arbeit über Public Relations. Seine Theorie: Erst wenn PR-Manager strikt ihrem Berufsethos folgen, wird die Arbeit des Journalisten wieder anerkannt. Davon profitieren dann auch die Profis. Denn heute glaube niemand mehr an unabhängige Berichterstattung. Damit sei selbst klassische PR zwecklos.
Mit der Kreuzfahrt auf der Wolga will Igor Maljugin der PR-Assoziation „Untere Wolga“ neues Leben einhauchen. Er ist Vize-Präsident der 2002 gegründeten Vereinigung mit rund 20 privaten Mitgliedern und gesellschaftlichen Organisationen. „Wir wollen ethische Standards auf regionaler Ebene setzen“, so Maljugin. In den nächsten Jahren will er ein Netzwerk schaffen über die Wolga-Region hinaus. Internationale Projekte mit Kasachstan könne er sich ebenso vorstellen wie eine engere Zusammenarbeit mit Europa und den USA, meint der PR-Chef des größten Landmaschinenwerks im Wolgagebiet „Agromaschholding AG“.
Mit gemeinsamen Projekten will die Assoziation die Wolga-Region bekannter machen. Stolzes Beispiel sei die Stadt Urjupinsk, erklärt Dmitri Gruschewski, Generaldirektor der Wolgograder Niederlassung des „Kommersant“. Die Kleinstadt mit 49.000 Einwohnern ist heute Ziel für Touristen und Investoren. Die PR-Assoziation hat der Stadtverwaltung bei der Umsetzung von PR-Strategien geholfen. So wurde aus einem maroden Provinznest im Wolgograder Oblast in wenigen Jahren ein florierendes Städtchen. „Das Image einer Region wirkt sich auf Wirtschaft und Infrastruktur aus und umgekehrt“, betont der Wirtschaftsjournalist. Nicht nur, dass die Stadt es mit ihrer Strategie bis in die Endrunde nationaler PR-Wettbewerbe schaffte, in Urjupinsk arbeitet mittlerweile ein Drittel der Bewohner in kleinen und mittleren Unternehmen. Aus einem städtisch geplanten Projekt hat sich eine kollektive Euphorie entwickelt. Plötzlich wird die Stadt lebenswert und ihre Einwohner haben Ideen, sie noch besser zu machen. Sie packten an, und schon bald zog der Ruf des Ortes über die Ufer der Wolga hinaus. Mit dem Effekt, dass sich bald auch Unternehmen und Händler für die Kleinstadt interessierten. In einem nächsten Projekt will die Assoziation weitere Strategien für die Regionen entwickeln.
Von Ulrike Butmaloiu
01/06/07