Schleswig-Holstein nimmt als erstes Bundesland den Schutz der Sinti und Roma in die Landesverfassung auf. Als „Zigeuner“ werden diese an vielen Orten in Europa immer noch verfolgt.

Als erstes deutsches Bundesland erwähnt Schleswig-Holstein die Minderheit der Sinti und Roma in seiner Landesverfassung. Mitte November beschloss der Landtag in Kiel einstimmig eine Ergänzung des Verfassungsartikels, der den Schutz nationaler Minderheiten und Volksgruppen regelt. Dort heißt es nun: ,,Die nationale dänische Minderheit, die Minderheit der deutschen Sinti und Roma und die friesische Volksgruppe haben Anspruch auf Schutz und Förderung.“ Bislang waren nur Dänen und Friesen erwähnt worden.

Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, war bei der Abstimmung im Landtag anwesend. Im Vorfeld sprach er von einem Zeichen für ganz Europa, das Schleswig-Holstein mit seiner Minderheitenpolitik setze. „Unter dem Eindruck der für uns Sinti und Roma als historisch empfundenen Einweihung des Denkmals beim Reichstag in Berlin ist dies ein zweiter großer Schritt für eine gleichberechtigte Anerkennung unserer Minderheit als Bürger dieses Landes“, wird Rose in einer Presseerklärung des Zentralrats zitiert.

Ende Oktober dieses Jahres war in Berlin ein Mahnmal für bis zu 500.000 in der Zeit des Nationalsozialismus ermordete Sinti und Roma eingeweiht worden (siehe DAZ Nr. 43). Vorangegangen war eine lange Diskussion, in der um die Vergleichbarkeit des Völkermordes an den Sinti und Roma mit dem an den Juden gestritten wurde. Zum Gedenken an Letzteren steht in Berlin bereits seit 2005 das Holocaust-Mahnmal.

Auch die jetzige Aufnahme der Sinti und Roma in die Landesverfassung des nördlichsten deutschen Bundeslandes benötigte einige Anlaufzeit. Wie der Zentralrat erinnerte, gab es bereits 1998 unter Ministerpräsidentin Heide Simonis eine entsprechende Gesetzesinitiative, die aber damals noch an der für eine Verfassungsänderung notwendigen Zweidrittel-Mehrheit scheiterte.

In Schleswig-Holstein leben nach Angaben des Landes heute rund 5.000 Sinti und Roma mit deutscher Staatsbürgerschaft, wo sie vor allem in Kiel, Lübeck sowie im Umland von Hamburg ansässig sind. Die erste urkundliche Erwähnung in Lübeck geht auf das Jahr 1417 zurück. In ganz Deutschland wird mit etwa 70.000 deutschen Sinti und Roma gerechnet. In dieser Zahl nicht enthalten sind Sinti und Roma, die als Zuwanderer und Flüchtlinge vorwiegend aus Südosteuropa in jüngerer Zeit nach Deutschland gekommen sind.

Neben dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma existiert in Deutschland als Dachverband mehrerer Vereine auch die Sinti Allianz Deutschland. Sie erachtet den Begriff „Sinti und Roma“ als zu eng und bevorzugt als Sammelbezeichnung für verschiedene Völker und Ethnien das historische Wort „Zigeuner“, das von anderen wiederum als stigmatisierend wahrgenommen wird.

Sinti als ethnische Gruppe sind vorwiegend in Deutschland ansässig, während weltweit meist lediglich von Roma gesprochen wird. Schätzungen ihrer weltweiten Anzahl schwanken stark zwischen rund sieben und zehn Millionen. Große Bevölkerungsanteile stellen sie in mehreren Ländern Südosteuropas, darunter Rumänien, Ungarn, der Slowakei und den Nachfolgestaaten Jugoslawiens.

Gerade hier leiden die Roma auch in besonderer Weise unter gesellschaftlicher Ausgrenzung und sozialen Problemen. So erreichte in Ungarn, wo nach offiziellen Angaben mehr als 200.000 Roma leben, die rechtsextreme Partei Jobbik bei den Parlamentswahlen 2010 mehr als 16% der Stimmen.

Gleichzeitig kam es in dem Land wiederholt zu Märschen von Rechtsextremisten und Ausschreitungen gegen Angehörige der Roma-Minderheit.

In Schleswig-Holstein soll nach der erfolgten Verfassungsänderung nunmehr auf Anweisung von Landtagspräsident Klaus Schlie ein ,,Gremium für die Sinti und Roma in Schleswig-Holstein“ geschaffen werden. Das mit Abgeordneten aller Landtagsfraktionen und Vertretern der Sinti und Roma besetzte Organ soll den Schutz der Volksgruppe im Alltag sicherstellen.

Von Robert Kalimullin

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