Dem Literaten Herold Belger, zu Lebzeiten unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz und dem Orden „Parasat“ für den Bereich Literatur ausgezeichnet, widmete man einen Raum in der Nationalbibliothek Almaty. Gleichzeitig wurden der erste Band eines Buchprojektes mit unbekannten Notizen des Autors sowie auch ein aktueller biographischer Dokumentarfilm präsentiert.
Kasachische Literatur dem russischsprechenden Leser nahezubringen, war eine seiner großen Berufungen. Namen wie Beimbet Mailin, Gabit Musrepow, Abdischamal Nurpeissow und viele andere übersetzte er aus dem Kasachischen ins Russische. Herold Belger schätzen viele vor allem für die Detailtreue, mit der er die Schönheiten der kasachischen Sprache ins Russische zu übertragen wusste.
In Gedenken an den voriges Jahr verstorbenen Kasachstandeutschen wurde an seinem Geburtstag, dem 28. Oktober, der Nachbau seines privaten Arbeitszimmers eröffnet. An diesem Tag wäre er 82 Jahre alt geworden. Das Gedenkzimmer befindet sich auf einigen wenigen Quadratmetern im zweiten Stock – im Lesesaal der Nationalbibliothek Kasachstans. Seine Witwe, Raissa Chismatullina, übergab einige Möbel und persönliche Gegenstände des Schriftstellers – den Schreibtisch, ein Bücherregal, die Dombra, Bücher, Fotografien und Auszeichnungen, sowie den geliebten Hausmantel. Man sieht keinen Computer, der Schriftsteller hat bis zu seinem Ableben am 7. Februar 2015 alle seine Werke per Hand niedergeschrieben. Das Akimat plante einen Gedenkraum frühestens fünf Jahre nach seinem Tod, doch die Bibliotheksleitung – so betont die Witwe in ihrer Ansprache – setzte sich mutig für dessen frühzeitige Eröffnung ein.
Pflichtbewusstsein über die Maßen
Seine Kollegen und Familie heben immer wieder die Bescheidenheit und den Edelmut dieses Literaten hervor. Seine Witwe betonte deshalb mehrfach, dass dem Schriftsteller selbst diese Ehrung und Aufruhr um seine Person äußerst unangenehm gewesen wäre.
Immer wieder ertönt in den Ansprachen die Bewunderung seiner uneingeschränkten Ergebenheit zu Kasachstan. „Herold sagte, dass jeder nach Glück strebt“, sagt die Witwe des Schriftstellers. Da er für immer in der Schuld des kasachischen Volks stehe, wäre sein höchstes Ziel gewesen, Gutes mit Gutem zu lohnen. „Nichts war wichtiger für ihn, als dass das kasachische Land seine wahre Heimat wurde. Vor allem in den letzten Lebensjahren. Er sagte immer, in seiner Seele klängen drei Saiten: eine deutsche, eine kasachische und eine russische, und alle drei gleichzeitig. Eine davon hervorzuheben wäre unmöglich und auch unnötig.“
Postskriptum
Neben seinem Schaffen als Übersetzer, war er auch Romancier, Essayist und Literaturkritiker. Aus Charakterisierungen der ihm Nahstehenden lässt sich herauslesen, dass Belger direkt, kritisch, diskussionsfreundlich und Workaholic war. Einer dieser engen Freunde ist Regisseur Jermek Tursunow. Aufgrund ihrer engen Freundschaft fungiert Tursunow nun sogar als Herausgeber des ersten Bandes der unveröffentlichten Manuskripte, der ebenfalls in der Bibliothek vorgestellt wurde. Unter dem Namen „Geplauderter Unsinn“ erscheinen nun Notizen und Texte Belgers. Drei weitere Bände sollen folgen. „Solange etwas geschieht, bleibt die Erinnerung lebendig“, so der Regisseur.
Bewegende Bilder
Tursunow wirkt gleichzeitig als Produzent eines neuen Dokumentarfilms über das Leben Belgers. Das Werk unter der Regie von Viktor Klimow wartet mit einem Erzählstrang auf, in dem Belgers Lebensstationen und –momente teils mit den Schauspielern des Deutschen Theater Kasachstan nachgestellt, teils in Interviews mit Familie, Freunden und Kollegen kommentiert werden. Theaterregisseurin Natascha Dubs fungiert immer wieder als Erzählerin und Kommentatorin, die die einzelnen Fragmente zusammenfügt.
Mit einem sehr dramatischen Auftakt bietet der Film einen Einstieg in die Geschichte der Russlanddeutschen und ihr tragisches Schicksal. Dieses Los erleidet auch Belgers Familie und bestimmt das Leben und Schaffen des zukünftigen Schriftstellers und Übersetzers. Belgers neue Heimat im „Aul“ (kasachisches Dorf) prägt den charismatischen Deutschstämmigen und begründet seine tiefe Liebe zur kasachischen Sprache und dem kasachischen Volk. Ein gemeinsames hartes Schicksal verband während der Kriegszeit Kasachen und Deutsche. Die seit Kindertagen arglose Liebe Belgers zu Kasachstan sollte ein Leben lang andauern. Sein Eigensinn und seine Direktheit bescherten ihm jedoch neben vielen Freunden und Bewunderern auch Barrieren. Er hatte immer große Herausforderungen zu erklimmen und meisterte sie alle. Ob es der Unfall in seiner Kindheit war, der ihn zeitlebens mit einer Gehbehinderung zeichnete, die lange fortwährende Geldnot oder auch die schwierige Etablierung als deutschstämmiger Schriftsteller im sowjetischen Raum.
Dass er zu Sowjetzeiten nicht genügend Ehrung erfahren hat, grämt jetzt noch Mitglieder des damaligen Schriftstellerverbandes Kasachstans, wie Dulat Isabekow, der sich heute dafür „schämt“, dass Belger kaum Zeichen der Anerkennung seitens offizieller Seite erfahren habe.
Tursunow, den mit Belger eine Vater-Sohn-Beziehung verband, kommt im Film auch zu Wort: „Man muss alles rechtzeitig machen. Dass man Poeten erst nach ihrem Tod ehrt, wird sonst bittere Realität.“ Ein mutiges, rührendes, kritisches Porträt – Eigenschaften, die auch Herold Belger ausmachten.