Kann die zeitgenössische Kunst die Beziehungen zwischen Kasachstan und Deutschland stärken? Wie kann man Europäer für Kasachstan interessieren? Was sind die ästhetischen Vorstellungen und Bedürfnisse der heutigen Einwohner Deutschlands? Diese und viele weitere aktuelle Fragen beantwortet die Unternehmensgründerin der Runfeld Group und Projektleiterin von „Art is Passion“ Tatjana Runge.
Kann zeitgenössische Kunst die Beziehungen zwischen Kasachstan und Deutschland stärken?
Selbstverständlich! Aber nicht nur zwischen Kasachstan und Deutschland, sondern sogar zwischen Kasachstan und Europa. Kunst ist die universelle Sprache der Welt und eröffnet seit Menschengedenken Wege zu einem gegenseitigen Verstehen. Genau deshalb ist auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) auch die dritte Säule der deutschen Außenpolitik. Und zeitgenössische Kunst ist immer auch ein Spiegelbild aktueller Entwicklungen in einem Land, sodass durch Austausch gegenseitiges Verständnis und gemeinsame Perspektiven entwickelt werden können.
Wie können wir das Interesse der Europäer an Kasachstan wecken? Über welche Projekte, einschließlich gemeinsamer Projekte, können wir in diesem Fall sprechen?
Je nachdem, wer die Person ist und welche Interessen sie hat, lässt sich Interesse verschieden wecken. Wie schon erwähnt, gibt es Kunst und Kultur – zu den konkreten Initiativen gehören zum Beispiel die Förderung verschiedener Kulturprogramme wie Ausstellungen kasachischer Künstler oder Kooperationsprojekte, wie es AULAN war. Da wären auch diverse Bildungsprogramme wie die Partnerschulinitiative „Schulen: Partner der Zukunft (PASCH)“. Wirtschaftlich betrachtet bietet sich Kasachstan als alternativer Investitions- und Produktionsstandort an; die Mitgliedschaft in der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) und die geographische Lage Kasachstans ermöglichen es, aufstrebende Märkte in Zentralasien zu erschließen. Das Deutsch-Kasachische Wirtschaftsforum Anfang September 2022 hat natürlich auch Interesse geweckt.
Was sind die aktuellen ästhetischen Vorstellungen und Bedürfnisse der Deutschen? Welche Art von Kunst lieben sie? Was ist jetzt in Mode?
Es ist natürlich immer schwierig, das zu verallgemeinern – einfach weil die ästhetischen Vorstellungen von jedem anders sind –, und was die Bedürfnisse der Deutschen angeht, würde ich auch ungern alle über einen Kamm scheren. Tatsache ist, dass in Deutschland Bildung und Kunst immer aktiv und breit gefördert werden, weil sie in der Gesellschaft und im Erbe des Landes eine wichtige Rolle spielt. Es gibt über 600 Kunstmuseen, Galerien und Ausstellungshäuser, und das nicht nur in den Großstädten. Messen und Festivals werden trotz der Covid-Situation gerne von einem breiten Publikum besucht. Das Jahr 2022 hatte für Kunst-Liebhaberinnen und -liebhaber also eine Menge zu bieten, und ich finde, wenn man dann zeitgenössische Kunst betrachtet, stechen als Kunst-Highlights Werke zur „Fetischen Zukunft“ hervor.
Wie haben Sie die Welt der Kunst und Kultur für sich entdeckt? Was waren Ihre ersten Schritte?
Die allerersten Schritte habe ich bereits als Kind gemacht, als ich die Kunstschule besuchte. Danach hatte ich eine längere Pause, aber ich habe mich trotzdem weiter auf die eine oder andere Art mit Kunst und Menschen aus der Kunstszene umgeben. Vor etwa zwölf Jahren habe ich dann auf Anraten eines Freundes hin einen Malkurs bei Angelika Domenig in Österreich besucht und mein erstes großes Bild gemalt: „Die Pusteblume“. Es ist zwar kein Claude Monet, aber ich finde nichts desto trotz, dass es ein kleines Meisterwerk geworden ist. Seitdem ist die Kunst wieder ein aktiver Teil meines Lebens, und ich habe mich in den abstrakten Realismus verliebt. Ich begann nicht nur selbst zu malen, sondern auch Malkurse für andere zu organisieren, damit auch sie die Liebe zur Kunst entdecken. Der nächste Kunstworkshop „Aquarylic – Organisation Runfeld Group“ findet vom 10.-12. März statt. Genau so habe ich mein eigenes Potenzial in der zeitgenössischen Kunst entdeckt.
Was sind zentrale Exponate in Ausstellungen, die Sie organisieren (oder zu organisieren planen)? Was ist der Schwerpunkt Ihrer Projekte?
Von den Ausstellungen, die ich bereits organisiert habe, sind die aus dem Jahr 2021 besonders nennenswert. Die zwei Ausstellungen der österreichischen Künstlerin Angelika Domenig im Rahmen unseres gemeinsamen Projekts „Art is Passion“ fanden damals in Italien und Deutschland statt, und ich würde mir wünschen, sie in Zukunft auch in Kasachstan zu präsentieren. Die zentralen Exponate, die derzeit in Lindau ausgestellt werden, sind: „Prague“, „Ein Hauch von nichts“, „Zwischen den Zeiten“ und „Blick in die Zukunft“. Gerne können diese besichtigt und erworben werden. Jedes Bild ist ein Unikat, das entstanden ist durch aquarylic® – eine von Angelika eigens entwickelte Maltechnik und Farbe.
Die Schwerpunkte in meinen Projekten liegen entsprechend auf zeitgenössischer Kunst und dem abstrakten Realismus, welcher eine Art psychologische Kunst ist, eine Konzentration von Gefühlen und Energie. Diese Stimmung, die mit Hilfe der Bilder erzeugt wird, kann nicht beschrieben, sondern muss erlebt werden. In diesen Kunstwerken werden Emotionen und Gefühle mit Farben sichtbar gemacht, was es dem Betrachter ermöglicht, die Kunst und alle Facetten des Emotionalen zu erleben.
Warum haben Sie sich entschieden, die kasachische Kultur und Geschichte in Deutschland zu fördern? Wie kam es zu der Idee, solche Ausstellungen zu organisieren?
Ich selbst bin aus Kasachstan und habe dort meine erste große Liebe für Kunst entdeckt. Als ich mich dann hier in Deutschland erneut in Kunst verliebt habe, wurde mir wirklich bewusst, dass Kunst keine Sprachbarrieren kennt. Kunst kennt auch keine Diskriminierung. Kunst ist die universelle Sprache der Welt, sie stimuliert den gedanklichen Austausch und kann uns die Augen und die Welt öffnen. Aber dafür muss man auch die Kunst der Welt sehen – nationale Kunst zeigt einem oft nur einen nationalen Blick auf die Dinge. Für mich war klar, dass ich mich als Unternehmensgründerin mit meinen kasachischen Wurzeln und meiner Expertise im Bereich Kunst in der idealen Position befinde, dazu beizutragen, dem Betrachter einen außereuropäischen Blick auf die Welt zu präsentieren. Die kasachische Kunstszene hat der Welt viel zu bieten: unglaubliche Kunsttalente, einzigartige kulturelle Repräsentation, ausgeprägte Individualität und sogar rebellisches Charisma. Die Entscheidung, Kunstausstellungen zu organisieren, war für mich also intuitiv und naheliegend.
„Man kann von allem müde werden, sogar von Perfektion, wenn es zu viel davon gibt“, sagt die deutsche Schriftstellerin Kerstin Geer. Was halten Sie davon? Warum ist das so?
Zunächst muss man verstehen, dass ich einen Unterschied mache zwischen Perfektion beziehungsweise Perfektionismus und dem ehrgeizigen Streben, seine Sache gut zu machen. Für viele bedeutet es das Gleiche, aber für mich sind das zwei verschiedene Dinge. Perfektionismus bedeutet für mich, etwas zu tun und krampfhaft keine Fehler machen zu wollen, weil man Angst hat, dass andere Menschen einen als fehlerhaft ansehen. Es geht also nicht um die Sache selbst, sondern darum, wie man vor anderen dasteht. Deshalb sind Perfektion, Perfektionismus und ich auch unvereinbar. Ich bin nicht perfekt und strebe Perfektion auch nicht an.
Was ich bin, ist eine Praktikerin. Jemand, der seine Sache gut machen will und keine Angst vor Fehlern hat, und sogar diese dazu nutzt, um mehr zu lernen. Meine Arbeit ist ein Prozess, in dem ich Dinge kreiere und gestalte; ich experimentiere und verbessere und passe Dinge an – und das so lange, bis ich das Ergebnis für gut befinde. Zu diesem Ergebnis stehe ich dann auch, auch wenn andere Menschen es vielleicht anders sehen. Ich gehe meinen eigenen Weg und stehe zu mir und meiner Arbeit, und ich finde, dass man nicht aufhören darf, an sich selbst zu arbeiten, weil es immer etwas Neues zu lernen gibt. Perfektion heißt, dass ich akzeptiere, dass es nichts Neues mehr zu lernen und zu erschaffen gibt, und dass man nichts hat, wonach man noch streben will. Darum finde ich, dass Perfektion etwas ist, dessen man überdrüssig werden kann.
Vielen Dank für ein sehr interessantes Gespräch.
Die Fragen stellte Marina Angaldt.
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