Reisen in Zentralasien ist eigentlich ganz einfach – man kann nämlich fast alles mit dem Taxi “er-fahren”. Auch wenn dies natürlich etwas übertrieben ist, so stimmt es schon, dass man einige Distanzen mit dem Taxi zurücklegen kann und dafür auch gar nicht so tief in die Tasche greifen muss. Netter Nebeneffekt dabei ist, dass man oft in witzige und interessante Gespräche verwickelt wird und – zumindest in meinem Fall bisher – nur selten bitterböse Erfahrungen macht.

Wer den Film „Night on Earth“ von Jim Jarmusch gesehen hat, kennt die Szene im nächtlichen New York der 1990er Jahre, in der der Afroamerikaner Yoyo auf den gerade aus Ostdeutschland eingereisten Taxifahrer Helmut Grokenberger trifft. Da Letzterer weder den Weg nach Brooklyn kennt noch Erfahrungen mit Automatikgetriebe vorzuweisen hat, übernimmt kurzerhand Yoyo das Steuer, und so entspinnt sich eine überaus lustige Szene zwischen den beiden.

Zwar ist es noch nicht so weit gekommen, dass mir das Steuer übergeben wurde, dafür mache ich andauernd die Erfahrung, dass mich die Taxifahrer nach dem Weg fragen. Ich kann mir ja schon vorstellen, dass es nicht leicht ist, in einer Metropole alle Straßen zu kennen, aber jetzt mal ernsthaft: Erstens haben die meisten doch eh ein Navi, zweitens wurde ich dies auch schon in der 400.000-Seelen-Stadt Karaganda gefragt (just nachdem ich am Bahnhof zum ersten Mal in der Stadt angekommen war) und drittens – Ich? Eine Ausländerin soll den Weg besser kennen als ein Taxifahrer? Meistens haben wir – oder eben das Navi – den Weg dann aber doch irgendwie gefunden.

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Bist du verheiratet?

Im Februar rief ich mir ein Taxi zum Flughafen in Astana. Später sollte mein Flug nach Bischkek gehen. Schon die Art, wie der Taxifahrer heranfuhr, lies mich ein bisschen erschaudern: Schön nutzte er den glatten Eisboden und sein scheinbar nicht existentes Reifenprofil aus, um in einem Kreis an meine Tür heranzuschlittern. Nach ein paar Minuten Autofahrt fielen mir die vielen Polizeikontrollen am Straßenrand auf und irgendwie dachte ich mir schon, dass wir bestimmt angehalten werden würden – bei dem Auto und dem Fahrstil!

So kam es schließlich auch, und es begann erstmal eine längere Kontrolle und Diskussion zwischen Taxifahrer und Polizisten. Ich hatte – wie immer vor Flugreisen – glücklicherweise viel zu viel Zeit eingeplant. Nach ein paar Minuten fragte ich dann aber doch nach, wurde jedoch geflissentlich ignoriert. Irgendwann schien es sich jedoch wirklich um ein auswegloses Problem zu handeln, sodass sich der Taxifahrer kurzerhand meinen Koffer schnappte und in ein anderes Taxi verfrachtete – ich kam mit Mühe und Not und meinem restlichen Gepäck hinterher.

Die ersten Minuten der neuen Fahrt waren ruhig, doch dann ging die Fragerei los. Woher ich denn komme und was ich mache? – Deutschland, Reisen. Und wie alt ich denn sei? Und ob ich einen Mann hätte oder einen Freund? Da mein Taxifahrer eher jünger als ich schien und sicher nicht bedrohlich, antwortete ich bereitwillig: Nein, alles nicht. Und ob ich denn Kasachstan oder Deutschland besser fände? Und ob ich lieber einen Kasachen oder Deutschen heiraten wollte? Eine merkwürdige Frage an jemanden, der nur herumreist. Am Ende der Fahrt erfuhr ich noch, dass mein Taxifahrer erst 19 Jahre alt war, aber schon mit 12 Jahren das Autofahren gelernt hatte.

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Die gute Seite der Taxifahrer

Wenig später in Bischkek auf dem Weg zum Busbahnhof, von dem aus ich an den Issyk-Kul fahren wollte, traf ich wieder auf einen äußerst gesprächigen Taxifahrer. Als er hörte, dass ich nach Karakol möchte, bot er sogleich an, mich direkt dorthin zu bringen – eine Strecke von etwas mehr als 400 km. Die Fahrt sei doch so viel komfortabler und ich könne überall anhalten und Fotos machen. Außerdem glaube er, dass heute eh keiner mit der Marschrutka an den Issyk-Kul möchte und diese fuhren ja erst, wenn sie voll wären.

Ich dachte mir schon, dass er mir nur zu gern seine Fahrt verkaufen wollte und bestand auf die Marschrutka. Am Busbahnhof angekommen, als hätte er mir nie von alledem erzählt, brachte er mich dann auch direkt zur nächsten Marschrutka, half mir noch beim Umladen und nach 15 Minuten fuhren wir schon. Das ist eben auch eine Seite mancher Taxifahrer hier: Erst binden sie einem irgendeinen Bären auf, aber letztendlich helfen sie einem bereitwillig – er hätte mich schließlich auch irgendwo hinbringen können, wo ich keine Marschrutka gefunden hätte.

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„Händi hoch!“

Vor einigen Wochen saß ich, mittlerweile in Almaty wohnend, mal wieder neben einem Taxifahrer. Im Verlauf unseres Gesprächs sagte er plötzlich: „ Händi hoch, Händi
hoch“ – Ich verstand nicht: „Handy hoch?“ – „Nein, Händi hoch…“. Schließlich erklärte er, dass er als Kind oft alte sowjetische Kriegsfilme gesehen hatte, in denen die deutschen Feindestruppen immer „Hände hoch“ schrien und mit Gewehren vor der Nase der Russen herumfuchtelten. So hatte er diese Phrase übernommen und mit seinen Freunden immer das Spiel „Hände hoch“ gespielt und die Filmszenen imitiert. Als ich das Taxi verließ, verabschiedete er sich mit den Worten „Hände hoch!“

Doch nicht nur in Kirgisistan und Kasachstan lässt sich fantastisch Taxi fahren, sondern auch in Usbekistan. Zum Glück hatte mir eine Freundin vorweg den maximalen Preis fürs Taxi vom Flughafen zum Verhandeln genannt. Ausländer können am Flughafen in Taschkent jedoch keine usbekische Som abheben und eine Wechselstube für US-Dollar gibt es nicht, weshalb ich mit der Freundin ausmachte, dass ich zu ihr auf die Arbeit kommen würde und sie mein Taxi vorerst bezahlte.

Dem Taxifahrer erzählte ich dies natürlich erst, als wir bereits am Ziel angekommen waren. Anstatt mir die Möglichkeit zu geben, Anna ausfindig zu machen, lief er sogleich selbst los und war damit verschwunden. Den Schlüssel ließ er stecken. Da ich nicht einfach ohne Bezahlung abhauen wollte und auch kein Interesse an dem Diebstahl seines Autos hatte, blieb mir also nichts anderes übrig, als im Taxi zu warten. Schließlich kam der Taxifahrer nach ein paar Minuten zurück und wen brachte er mit – Anna.

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Ein paar schwarze Schafe

Dennoch muss auch nicht jede Fahrt ein nettes – oder halbwegs nettes – Erlebnis sein. Wie Sabine Hoscislawski berichtet, wollte ein Taxifahrer in Almaty am Ende umgerechnet 40 Euro für eine Fahrt haben, die normalerweise um die 3 Euro kostet. Und auch als ich letztens mitten in der Nacht am Busbahnhof von Almaty nach einer langen Fahrt wieder ankam, hatte ich nicht das beste Taxi-Glück.

So stieß ich auf einen Taxifahrer, der zunächst ein anderes Paar nach Hause brachte. Dies gestaltete sich als sehr langwierig, da er die Adresse (mal wieder) nicht fand. Als ich schließlich an der Reihe war, fiel ihm ganz plötzlich auf, dass der abgemachte Preis doch viel zu gering sei und veranschlagte gleich einmal 50 Prozent mehr. Ich sträubte mich natürlich – insbesondere, als er auch nicht die Adresse, zu der ich wollte, fand. Da ich jedoch kein Kleingeld dabei hatte und auf sein Wechselgeld angewiesen war, konnte ich nur wutschnaubend den höheren Fahrpreis annehmen. Lektion gelernt: Nimm nie ein Taxi ohne Kleingeld!

Insgesamt überwiegen bisher aber die positiven und netten Geschichten, und es ist immer wieder spannend, was sich hinter der nächsten Taxitür verbirgt. Auf die Art komme ich zumindest zu Gesprächen mit Leuten, mit denen ich sonst wohl eher nicht interagieren würde. Außerdem erzählte mir neulich ein Freund, dass auch ihm die ganzen Fragen um seinen Familienstand immer wieder gestellt werden. Gehört hier halt so zum Smalltalk, wie bei uns das Wetter. Außerdem gab er mir den Rat, selbst auch mal die Verheiratet/Kinder/etc.-Frage als Gegenfrage zu stellen, da kämen wohl immer interessante Geschichten zustande!

Lydia Wachs

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