Fortsetzung des „Stammtisch unterm Schanyrak“

Nachdem der erste „Stammtisch unterm Schanyrak“ großen Anklang fand, setzte die kasachische Botschaft in Berlin das Format nun fort. Thema diesmal: „Tulpen – Die Frühlingsschönheit“. Dazu lud der Botschafter der Republik Kasachstan, S.E. Nurlan Onzhanov, Experten aus den Bereichen Wissenschaft, Botanik, Tourismus als auch Freunde Kasachstans, Medienvertreter und Mitglieder von „Willkommen in Berlin“ ein des einzigen Diplomatenclubs Deutschlands beim Auswärtigen Amt.

Der Schanyrak einer Jurte, die auf dem Botschaftsgelände aufgestellt wurde.

In seiner Einleitung verwies der Botschafter auf die Wichtigkeit des kulturellen und historischen Erbes des Schanyrak und die damit verbundenen spirituellen und naturbezogenen Wesensmerkmale der Turkvölker. Anschließend betonte er mit Blick auf das Thema des Abends, dass Tulpen das kulturelle und historische Erbe des kasachischen Volkes seien und seit der Antike eine besondere Rolle spielten, wie zahlreiche archäologische Funde belegten. Im Mittelalter wurden Ornamente in Form von Tulpen in der Architektur und Keramik verwendet. Blumenmotive schmückten das Mausoleum von Khoja Ahmed Yasawi aus dem 14. Jahrhundert in der Stadt Turkestan. Darüber hinaus verwendeten die Kasachen das Tulpenmotiv im nationalen Schmuck. Der kasachische Diplomat wies darauf hin, dass Tulpen für die Wiedergeburt der Natur stehen, weshalb sie in Kasachstan das Symbol des Frühlingsfestes Nauryz sind.

Tulpen sehr gut an Umgebung angepasst

Als erster Gast sprach der aus Österreich stammende renommierte Wissenschaftler Prof. Dr. Hans Walter Lack. Lack ist ein österreichischer Botaniker und Humboldt-Forscher, langjähriger Direktor am Botanischen Garten und Botanischen Museum Berlin, sowie Mitglied einer Reihe internationaler wissenschaftlicher Gesellschaften und Herausgeber vieler fachlicher Publikationen.

Obwohl nie in Kasachstan gewesen, ist Lack ein ausgesprochener Kenner der Tulpe. Über ihre Herkunft ist bekannt, dass sie ursprünglich in den Bergen von Kasachstan entdeckt wurde. Insgesamt gibt es ca. 150 Tulpenarten, wovon 39 in Kasachstan vorkommen und darunter 18 vom Aussterben bedroht sind.

Im 16. Jahrhundert wurde ein Teil Kasachstans vom Osmanischen Reich erobert. Der Anführer dieses Feldzuges war Sultan Süleyman der Erste, der befand, dass die Tulpe eine prächtige Blume war. Einige Tulpen wurden in die heutige Türkei gebracht und in den Gärten der mächtigsten Menschen des Osmanischen Reiches gepflanzt.

Das damalige Konstantinopel und heutige Istanbul hatte die schönsten Gärten. Jedes Jahr, wenn die Tulpen blühten, gab der Sultan ein großes Fest. Die Tulpe wurde immer beliebter und galt schon bald als Symbol für Macht und Reichtum. Um das zu zeigen, trugen osmanische Sultane die Tulpe auf ihrem Turban. Da die Tulpen auch den ursprünglichen Turbanen sehr ähnlich waren, wurde ihr Name vom persischen Wort „tulipan“, was Turban bedeutet, abgeleitet. Übrigens fand die Tulpe auch den Weg nach Tadschikistan, Usbekistan, Turkmenistan und dem Iran.

Tulpen wurden an den entlegensten Orten wie dem Dschungan-Gebirge aufgefunden. Es werden jedoch immer noch neue Arten entdeckt, so gerade im Kosovo oder in Albanien. Tulpen seien, so der Experte aus Österreich, eigentlich überall anzutreffen. Man müsse einfach nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Denn Tulpen seien nicht wählerisch und teilweise sehr spezialisiert an ihre Umgebung angepasst.

Wie die Tulpe nach Europa kam

Sultan Süleyman der Erste war von der Besonderheit und Schönheit der Tulpe so begeistert, dass er wichtigen Gästen einzelne Exemplare schenkte. So auch Ogier Ghislain de Busbecq, dem Wiener Botschafter des Osmanischen Reichs. de Busbecq wiederum schenkte seinem Freund Carolus Clusius, der zu dieser Zeit die Gärten der österreichischen Kaiser verwaltete, einzelne Tulpen. Diese ließ er, nachdem er an der Universität von Leiden zum Professor ernannt wurde, 1593 erstmals in seinem botanischen Garten pflanzen. Das wiederum wird als Geburtsstunde der Tulpe in den Niederlanden gesehen.

Die Tulpe gab es jedoch nicht nur dort, sondern sie wurde erstmalig im 16. Jahrhundert in der Fugger- und Römerstadt Augsburg gesichtet. Dort hat sich der früheste Beleg einer blühenden, aus dem Osmanischen Reich importierten Tulpe im christlichen Europa erhalten. Ihr Aussehen überliefert ein auf 1557 datiertes Aquarell aus dem Besitz des Züricher Naturforschers und Botanikers Conrad Gessner. 1559, zwei Jahre nach Erhalt dieses Bildes aus Augsburg, sah Gessner im Garten des Augsburger Ratsherren Johann Heinrich Herwart seine erste und einzige blühende Tulpe in natura, beschrieb diese zum ersten Mal wissenschaftlich und publizierte sie 1561 im Druck mit einem illustrierenden Holzschnitt. Die erste Zeichnung der ersten Augsburger Tulpe von 1557 wird heute in der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg aufbewahrt.

Als nächster Gastredner referierte der Ökologe und wissenschaftliche Experte des World Wildlife Fund (WWF), Dr. Heinz Klöser. Zuerst stellte Klöser die klimatischen Verhältnisse in Kombination mit den Klimaveränderungen im zentralasiatischen Raum dar. Er verwies auf die Gegensätze zwischen Trockenheit in Kasachstan und Feuchtigkeit in der Mongolei, und umgekehrt. Die Winter in der Steppe sind in der Regel sehr trocken, was im Umkehrschluss bedeutet, dass in der ganzen Region Wassermangel herrscht. Dies ist wiederum für die Vegetation eine Herausforderung, so dass sich Tiere und Pflanzen an extreme klimatische Bedingungen anpassen müssen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in entlegensten Regionen zwischen Steinen, Grasbüscheln und trockener Erde Tulpenarten aufzufinden sind.

Köser sprach über die Lebensräume der Tulpen und bezeichnete sie als „den einzigartigen Naturreichtum Kasachstans“. Nirgendwo in der Welt wüchsen so viele Wildtulpen wie dort. Oft seien es eher kleine unscheinbare Arten, die vielleicht an Schneeglöckchen erinnerten – nur mit dem Unterschied, dass die Kelche nicht nach oben schauten, sondern nach unten. Auch dem professionellen Botaniker fällt es mitunter schwer, diese als Tulpen zu identifizieren.

Drei Tulpen-Spezialisten in Kasachstan

Ein Beispiel für die extreme Anpassung einer Tulpe ist die Zenaida-Tulpe (Tulipa zenaidae). Diese gehört zu den seltensten Wildtulpen der Welt und wächst nur in einem einzigen Tal des kirgisischen Alatau, einem Gebirgszug des Tienschan im Grenzgebiet zwischen Kasachstan und Kirgistan. Sie wächst auf feinen Erdschutthängen im Mittelgebirgsgürtel zwischen Gras-Schwingel-Steppen und Gestrüpp. Die Zenaida-Tulpe ist im Roten Buch von Kasachstan eingetragen.

Ein anderes Beispiel ist die Tulipa schrenkii. Schrenk’s Wildtulpe kommt von der Krim über den Kaukasus bis Kasachstan vor. Sie tritt hier vom Meeresniveau bis in hochmontane Gebirgslagen auf. Tulipa schrenkii besiedelt hauptsächlich sommertrockene Wiesen, etwas stickstoffreichere Kontinentale Steppenrasen und Almmatten. Sie neigt zur Bildung individuenreicher Bestände, die zur Blütezeit aspektbildend sind. Heißt: Das Aussehen der Art, des Ökosystems oder der Landschaft sind von einer regelmäßig wiederkehrenden Abfolge von Merkmalen charakterisiert.

Die Referenten der Veranstaltung in der kasachischen Botschaft in Berlin.

Die Art ist sehr farbvariabel. An Naturstandorten sieht man oft rote, orangene, gelbe, weiße und vereinzelt auch rosa blühende Exemplare zu einem bunten Blütenmeer vereinigt.

Tulipa regelii ist eine der seltsamsten und seltensten Wildtulpen überhaupt. Sie hat gerippte Blätter, die an einen Heizkörper erinnern. Die rippenförmigen Blätter sind möglicherweise eine Anpassung an die harten Wachstumsbedingungen im Chu-Ili-Gebirge (800 m) nördlich von Almaty. Denn dort ist es tagsüber im Sommer oft sehr heiß und nachts eiskalt.

Abschließend berichtete der Experte über seine kürzlich erfolgte erste Reise nach Kasachstan, um Wildtiere zu studieren. In diesem Zusammenhang verwies er auf die Vielfalt der Naturlandschaften Kasachstans.

Als dritter Gast trug die Autorin des ersten deutschsprachigen Reiseführers für Kasachstan, „Kasachstan entdecken“, Dagmar Schreiber vor. Sie sprach über die Etymologie des kasachischen Wortes „kyzgaldak“, was übersetzt „rote Blume“ bedeutet. Ihre Präsentation war eine Art Gleichnis zur Schöpfung und stellte die Tulpe in den Mittelpunkt. Ebenso trug Schreiber Ihre Eindrücke von der Tulpenblüte in Kasachstan vor. Die Kasachstan-Expertin bezeichnete Tulpen als „Schatz des Landes, den die Menschen schützen und schätzen sollten“. In diesem Zusammenhang verwies sie auf Hinweise an den Eingängen in den kasachischen Nationalparks. Dort heißt es, dass die Zerstörung oder der Diebstahl einer Tulpe mit bis zu 11 Millionen Tenge bestraft werden können.

Auch der zweite „Stammtisch unterm Schanyrak“ war für alle Seiten ein voller Erfolg. Die Experten und Gäste konnten sich in einem anschließenden Empfang mit dem kasachischen Nationalgericht „Nauryz – kösche“ vertraut machen und ihre Gespräche, teils in einer in der Botschaft aufgestellten Jurte, fortführen.

Christian Grosse

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