Usbekistan verbinden viele vor allem mit Moscheen und Medresen. Doch in der Antike bildete es eine Region, in der griechische, buddhistische und andere Kulturen miteinander verschmolzen, wie eine aktuelle Ausstellung in Berlin zeigt.

Es sind Objekte, wie sie eigentlich nicht zusammenpassen: Die kleine Theatermaske aus Marmor mit dem grotesk verzerrten Gesicht, die aus einem griechischen Theater stammen könnte. Und die Buddhastatuen aus Indien in der Vitrine gegenüber. Doch beide Objekte wurden bei archäologischen Ausgrabungen auf dem Gebiet des heutigen Usbekistan gefunden. Sie sind Teil einer im Mai eröffneten Ausstellung zur vorislamischen Geschichte Usbekistans auf der Museumsinsel in Berlin.

Denn auch wenn Usbekistan von vielen mit den islamischen Prachtbauten der Timuriden assoziiert wird, die auch zu Beginn der Ausstellung groß präsentiert werden, zeigt ein Blick auf die in der James-Simon-Galerie und im Neuen Museum ausgestellten Funde die lange vorislamische Kulturgeschichte des zentralasiatischen Landes. Schon vor 2.000 Jahren trafen hier kulturelle Einflüsse aus Europa und Asien aufeinander.

Einen wichtigen Anteil daran hatte Alexander der Große, mit dem die Ausstellung eingeleitet wird. Der Makedone eroberte im vierten Jahrhundert vor Christus innerhalb weniger Jahre einen Großteil des damaligen Perserreiches und drang auch bis nach Indien und Zentralasien vor, wo er mehrere Städte wie etwa das im heutigen Tadschikistan gelegene Chudschand gründete. Mit den Eroberungen Alexanders drangen auch die griechische Kultur und Götterwelt nach Zentralasien vor, wie in der Ausstellung präsentierte Tongefäße und Münzen zeigen, die in von Alexander gegründeten Festungen und Städten gefunden wurden.

Einflüsse aus China und Makedonien

Auch wenn Alexanders Imperium nach seinem Tod in mehrere Teilreiche zerfiel, hielt sich der griechische Einfluss in der Region, wie der Blick in die weiteren Ausstellungsräume zeigt. Das graeco-baktrische Reich verband griechische Traditionen mit den Kulturen Persiens und der nomadischen Steppenvölker. Aus Persien stammte etwa der Zoroastrismus, eine der ältesten monotheistischen Religionen der Welt. Mit dem Schöpfergott Ahura Mazda, der den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse repräsentierte, prägte er nachfolgende Religionen.

Weiterer Einfluss kam aus China: Im 2. Jahrhundert vor Christus eroberte das nomadische Volk der Yuezhi Baktrien und errichtete das Reich der Kuschan, das bis nach Nordindien reichte. Von dort kam der Buddhismus nach Zentralasien, der im Reich der Kuschan seine Blüte erlebte und die wichtigste Religion wurde. Nach Vorbild der Götterstatuen der griechischen Mythologie wurde Buddha erstmals in menschlicher Gestalt wiedergegeben. Wie die Ausstellung informiert, diente Apollo, der griechische Gott der Künste, als Vorbild für die Buddha-Statuen im sogenannten Gandhāra-Stil, die den Religionsstifter mit lockigem Haar und in eine Toga gekleidet zeigen. Wer in den Süden Usbekistans reist, kann noch heute einige Reste der buddhistischen Kultur des Kuschan-Reiches bewundern, wie etwa die Ruinen von Stupas und buddhistischen Klostern.

Vieles vereint zu Neuem

Im Süden Usbekistans lag auch die Stadt Dalverzintepa, die eines der wichtigsten Zentren im Kuschan-Reich war. Römische Glaswaren und indische Elfenbeinschnitzereien zeugen von den weitreichenden Handelsbeziehungen entlang der Seidenstraße. Ein aus Goldbarren und Schmuck bestehender Schatz vom Reichtum der Stadt.

Das absolute Meisterwerk der Kuschan-Kultur ist jedoch der Palast von Chaltschajan mit seinen Terrakotafiguren. Es gibt wohl keinen weiteren Ort, wo westasiatische, iranische und griechische Gottheiten in einem Gesamtkunstwerk zusammentreffen. Hinzu kommen bildliche Darstellungen der Herrscher und Eliten des Kuschan-Reiches, die mit ihren fein ausgearbeiteten Gesichtern durchaus mit den Statuen der griechisch-römischen Antike vergleichbar sind. Doch auch wenn die Vorbilder offensichtlich sind, zeigt sich nach dem Besuch der Ausstellung, dass die Griechen unter Alexander dem Großen nicht einfach ihre Kultur nach Zentralasien „exportierten“. Vielmehr verbanden sich verschiedene Elemente zu etwas neuem – das heute leider größtenteils in Vergessenheit geraten ist.

Johann Stephanowitz

Archäologische Schätze aus Usbekistan
Von Alexander dem Großen bis zum Reich der Kuschan
04.05.2023 bis 14.01.2024
James-Simon-Galerie, Berlin

Teilen mit: