Eine Band mit einem Faible für Wortspiele und Plow: Das ist „Holler My Dear“ aus Österreich. Am 2. April sind sie am Jazz Festival in Almaty aufgetreten. Trotz ihres vollen Terminkalenders hatten sie Zeit für einen Besuch in der DAZ-Redaktion. Diana Köhler hat sich mit ihnen unterhalten.

Ein ungewöhnliches Bild im Deutschen Haus Almaty: Vier Menschen, vollbepackt mit Instrumentenkoffern auf dem Weg in die DAZ-Redaktion. Es ist die österreichische Band „Holler My Dear“, die im Zuge des Jazz Festivals in Almaty aufgetreten ist. Das Quartett ist eigentlich ein Sextett, aber aus logistischen Gründen mussten zwei Mitglieder zu Hause bleiben. Zu Hause, das ist für Laura, Lucas, Steven und Ben Berlin. „Holler my Dear“ ist wie die Stadt, voll mit Menschen aus verschiedenen Ländern. Vor sechs Jahren ist Frontfrau Laura Winkler von Österreich nach Berlin gezogen. Zuerst hatte sie ein kleineres Projekt, nach und nach sind aber immer mehr Mitglieder hinzugekommen. Das geht oft über persönliche Empfehlungen, meint Lucas. Er ergänzt: „Laura und ich sind aus Österreich, Ben und Steven sind aus England und unsere zwei Russen haben wir zu Hause gelassen, leider. Und das zweite Gründungsmitglied Fabian Koppri auch. Insofern sind wir eine typische Berliner Band, weil wir so bunt zusammengewürfelt sind.”

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Ein internationales Ensemble

In der Band sind nicht nur einige Nationalitäten, sondern auch verschiedene Instrumente vertreten. Laura Winkler singt und schreibt die meisten Songs. Sie hat Gesang in Graz, Österreich, und Komposition in Berlin studiert. Aber eigentlich singe sie schon seit sie zwei ist, sagt sie lachend. Hinzu kamen Musikunterricht in Klavier und Saxophon, außerdem spielt sie Theater.

Lucas Dietrich ist eigentlich Kontrabass-Spieler. Da das Instrument eher unhandlich ist und nur schwer im Handgepäck transportiert werden kann, ist er auf Reisen auf die Bassukulele umgestiegen. Ebenfalls klein und reisefreundlich ist das Instrument von Steven Molchanski: Er spielt die Trompete seit über 20 Jahren. Steven spricht mit britischem Akzent, manchmal findet er nicht die richtigen Worte, aber seine BandkollegInnen helfen ihm aus. Zwischen den Musikstilen springt Steven hin und her, lässt sich mal hier, mal dort nieder: „Ich habe mal klassische Trompete, Klavier und Komposition studiert. Daneben habe ich außerdem ganz andere Musik gespielt – Jazz, Hip-Hop, Reggae – und wohne seit sieben Jahren in Berlin. Ich spiele in ein paar verschiedenen Bands aber unser Projekt ist für mich das Wichtigste, da steckt ganz viel Mühe drin. Ist Mühe das richtige Wort? Ist Mühe ‚good or bad‘?“

Auch Ben kommt aus London. Er war schon seit Langem ein „Holler My Dear“-Fan, und hat auch deren drittes Album produziert, das bald erscheinen soll. Im Moment tourt er jedoch mit der Band, spielt Gitarre und Mandoline. „Für uns gehörst du schon zur Familie!”, meint Laura Winkler.

Wortspiele und Probleme

Aber wie ist es eigentlich zu dem Namen „Holler My Dear“ gekommen? Das sei ein sehr langwieriger Prozess gewesen, sagt Lukas Dietrich und lacht. Laura Winkler erzählt: „Wir hatten zuerst einen wirklich unsäglichen Namen. Ich war immer auf Wortspiele aus, die niemand versteht. Da hießen wir mal „L und Speiche“.“ Doch das hatte nie jemand richtig verstanden. „Dann hießen wir immer nur Speiche oder so, aber es kommt halt von Elle und Speiche, also der Knochen. Auch Speichel hießen wir oft. Das war wirklich eine Fehlentscheidung. Irgendwann haben wir gesagt, bevor wir unsere erste CD rausbringen, können wir das ändern, dann ist es aber in Stein gemeißelt.“ Das war ungefähr vor vier Jahren. Da es sehr schwierig war, sammelten sie zunächst Ideen. Es musste ein Name sein, der gut klingt, der aber auch Sinn macht. Lucas schrieb irgendwann Holler auf. Holler ist unter anderem ein österreichisches Wort für Holunder, im Englischen bedeutet ‚to holler‘ ‚brüllen‘. Da der Name „Holler” bereits besetzt war und auf einem anderen Zettel ‚dear‘ stand, kam bei einem weiteren Brainstorming plötzlich von der Labelchefin der Vorschlag „Holler My Dear!”.

The Sound of Music – ganz anders

Das Reisen ist „Holler My Dear“ gewöhnt. Mehrmals im Jahr spielen sie auf Festivals auf der ganzen Welt. Zum Beispiel im Iran, in Rumänien oder der Ukraine. „Holler my Dear“ ist Mitglied des NASOM-Programms, ein Musik-Nachwuchsprogramm des Vereins „mica-music Austria“. Unterstützt wird dieser unter anderem vom Bundeskanzleramt und der Stadt Wien. NASOM heißt „New Austrian Sound of Music” und soll österreichische Musik und Kultur in der Welt vertreten. Dies scheint nötig zu sein, verbinden ja viele Menschen Österreich noch immer mit dem Film „Sound of Music” des Regisseurs Robert Wise.

Das Programm ermöglicht jungen Bands, im Ausland zu spielen. Laura Winkler erklärt: „Es beruht immer auf Eigeninitiative der Musiker. Wir müssen das organisieren, aber dann ist es eben auch möglich, so eine Reise zu machen.“ NASOM unterstützt die Künstler finanziell und organisatorisch. Oft müssen sie sich aber selbst organisieren. „Im Oktober waren wir eigentlich bei einem Festival in Südkorea und haben dann gesagt, wir wollen unbedingt mal nach Japan. So haben wir versucht, eine kleine Tour zu organisieren. Wir hatten ein bisschen finanzielle Unterstützung, aber nicht beim Booking oder Ähnliches. Das Ganze war ein Mega Projekt. Es ist aber super, Musik mit Reisen zu verbinden!”

Kasachisches Publikum

Satt von Plow und mit traditioneller Tjubitejka auf dem Kopf wird auf die Tour angestoßen. | Bild: hollermydear

Die Organisation ist aufwändig, die Reise anstrengend, aber das macht der Band nichts aus. Im Flugzeug nach Almaty wurde sie von einer ganzen Kinderfußballmannschaft belagert – Schlafen vor dem Konzert war nicht möglich. Das Publikum in Kasachstan sei „sehr großzügig und konzentriert”, meint Steven. Es schnippt und klatscht sofort im Takt mit. Vor allem in kleiner Besetzung ohne Schlagzeug sei das wichtig. „Ich hab auch das Gefühl, dass es hier eine ganz andere Wertschätzung gibt. Ich habe schon vor ungefähr sieben Jahren hier gespielt, auch auf dem Jazz Festival in Almaty. Auch damals war das Publikum total euphorisch und begeisterungsfähig. Wenn man in Europa unterwegs ist, ist es oft gar nicht so leicht, die Leute zu packen”, so Lucas.

Die Menschen in Europa schienen reservierter, vielleicht verwöhnter. Auch die Spielstätten unterschieden sich stark von jenen in Europa. „Das waren immer so abgefahrene Säle, wo man reinkommt und erst mal Wooaaa sagt. Wir sind nicht einmal annähernd ein Orchester, aber wir tun mal so, als ob. Ich liebe es, wenn die Bühnen so groß sind und man dann so viel Platz hat.”, sagt Laura Winkler. Auch Steven konnte sich im großen Saal der Philharmonie Almaty mit seiner Trompete akustisch ausbreiten: „Eine Trompete gehört einfach
in so einen Raum.”

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Neue Horizonte

„Holler My Dear“ steht nicht nur auf der Bühne. Was die Band in einem fremden Land fasziniert, ist vor allem auch das Essen. Sogar ein ganzes Album haben sie dem Essen gewidmet. In Almaty mussten natürlich auch Plow, Kurt und Manti gekostet werden. Mit dem Hashtag auf Facebook #itsplovlove dürfte das Urteil recht gut ausgefallen sein.

Haben die Reisen aber nicht nur einen kulinarischen, sondern auch einen musikalischen Einfluss auf die Musikerinnen und Musiker? Lucas fasst es folgendermaßen zusammen: „Diese Reisen haben definitiv einen Einfluss, aber für mich ist es oft nicht so direkt. Also, das kann man nicht an einer spezifischen Sache sagen. Es eröffnet neue Horizonte. Nicht unbedingt nur musikalisch, sondern auch generell. Man spielt für ganz andere Leute, kriegt ganz andere Reaktionen, spielt an ganz anderen Orten, isst andere Dinge. Diese Gesamteindrücke schlagen sich für mich sicher ganz nachhaltig in der Musik nieder.”

Für die Band ging es am Mittwoch schon wieder weiter nach Bischkek. Danach Estland und Ende April wieder zurück nach Deutschland. Aber lange wird es „Holler My Dear“ dort sowieso nicht aushalten.

Mehr Infos zur Band unter www.hollermydear.com

Diana Köhler

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