Sie kommen als Austauschstudenten, Freiwillige, Sprachassistenten oder Praktikanten. Was zieht junge Deutsche nach Kasachstan? In einer losen Reihe stellen wir einige von ihnen vor, um dieser Frage auf den Grund zu gehen. Anika Ehrling (28) studiert im Masterstudiengang „Kulturwirtschaft“ an der Universität Passau. Als Austauschstudentin an der Ablai-Khan-Universität für Weltsprachen verbrachte sie fünf Monate in Almaty. Im Interview spricht sie über kasachische Hochzeiten, russische Babuschkas und den Plan, ein YouTube-Star zu werden.
Anika, wieso hast du dir Kasachstan für dein Auslandssemester ausgesucht?
Ich wollte nicht wieder nach Russland (lacht). Dort war ich schon fünf Mal und wollte deshalb in ein anderes russischsprachiges Land. Während meines ersten Russlandaufenthaltes 2014/2015 hatte ich sehr viele Zentralasiaten kennengelernt. Ich fand es ganz interessant, mehr über die Region zu erfahren und habe dann hier nach Partneruniversitäten geschaut.
Du bist im Februar in Almaty angekommen. Was war damals dein erster Eindruck von der Stadt?
Von außen sehr sowjetisch, aber von innen zentralasiatisch. Ich bin schon viel in Osteuropa und Russland gewesen. Die Gebäude hier sehen für mich sehr russisch aus. Als ich angekommen bin, war es kalt und ich hatte sofort das Gefühl, wieder in Russland zu sein. Aber als ich dann in meine Wohnung gekommen bin, gab es da viele Ornamente und Teppiche. Das hat mich sehr an Tadschikistan und Kirgisistan erinnert.
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Was hast du neben dem Studium in Almaty gemacht?
Mein Hauptziel war es, Russisch zu lernen. Deshalb habe ich fünf Mal die Woche einen Intensivsprachkurs an der Uni besucht. Außerdem war ich als Freiwillige beim DAAD und habe den Goethe-Club am Goethe-Institut geleitet. Der Goethe-Club ist ein Konversationskurs für Leute, die Deutsch lernen. Jetzt zur WM haben wir natürlich über Fußball gesprochen und die Teilnehmer auch zum Public Viewing eingeladen.
Beim DAAD war ich hauptsächlich für den Aufbau eines YouTube-Kanals zuständig. Wir haben kurze Videos gedreht, in denen wir den DAAD präsentieren, ehemalige Stipendiaten vorstellen oder allgemeine Tipps zu den Bewerbungsverfahren geben. Ich glaube, dass die Kasachstaner sehr Social-Media-affin sind und man sie über solche Kanäle sehr gut erreichen kann. Außerdem habe ich mich um die Redaktion des jährlichen DAAD-Newsletters gekümmert, war für den Facebook- sowie VKontakte-Auftritt zuständig und habe das Team des Informationszentrums bei den Veranstaltungen unterstützt.
Konntest du auch etwas von dem Land sehen?
Ja, ich war auf einer Hochzeit in Schymkent und bin nach Astana und Karaganda gereist.
Welchen Eindruck hast du von diesen Städten im Vergleich zu Almaty?
Ich fand Astana sehr besonders. So eine Stadt habe ich noch nie gesehen. Zuerst dachte ich, ich sei im Disneyland oder in Las Vegas, weil alles so künstlich wirkt, alles bunt ist und leuchtet. Es hat mir schon gut gefallen, nur das Wetter war selbst Anfang Mai noch nicht so angenehm.
Schymkent und Karaganda sind jetzt nicht so schön wie Almaty, aber vor allem Karaganda wurde mir vorher als sehr hässlich beschrieben, was ich überhaupt nicht bestätigen kann.
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Was wird dir besonders in Erinnerung bleiben?
Die kasachische Hochzeit in Schymkent. Das war ein ganz besonderes Erlebnis, weil ich zum ersten Mal auf einer Hochzeit war. Eine kasachische Freundin, die gerade in Passau studiert, hatte mich eingeladen und ich wurde von ihrer Familie wahnsinnig nett aufgenommen. Ich durfte sogar einen Toast auf Russisch halten!
So eine traditionelle kasachische Hochzeit ist sehr beeindruckend. Es ist eine Großveranstaltung, bei der es darum geht, zu zeigen, was man hat. Im Vorfeld der Hochzeit war zum Beispiel ein Pferd geschlachtet worden, das dann auf der Feier in Form des kasachischen Nationalgerichts Beschbarmak verspeist wurde. Das kann für Deutsche sehr gewöhnungsbedürftig sein. Auch der Umgang mit Privatsphäre war ein ganz anderer. Ich habe mit sehr vielen Leuten in einem Raum geschlafen, weshalb es eigentlich nie ruhig war. Wenn mitten in der Nacht das Handy klingelte, wurde eben trotzdem telefoniert. Außer mir hat das aber sonst niemanden gestört.
Wenn du dein Studentenleben hier und in Deutschland vergleichst: Was fällt dir dann auf?
Ich finde es sehr schön, dass es vor allem im Kulturbereich viel mehr Rabatte für Studierende gibt. Das ist nicht nur in Kasachstan, sondern auch in Russland so. In Sankt Petersburg können Studierende zum Beispiel kostenlos in die Eremitage.
Außerdem habe ich das Gefühl, dass junge Menschen hier viel kreativer sind und eher die Initiative ergreifen, ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Das liegt sicherlich auch daran, dass man sich viel weniger darauf verlassen kann, einen festen Job zu finden und den dann mehrere Jahre auszuüben. Ich denke, in Ländern, in denen die soziale Sicherheit geringer ist, werden die Menschen innovativer und suchen neue Ansätze. Almaty hat ein großes Potenzial für eine kreative Start-up-Szene.
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Du fährst Mitte Juli zurück nach Deutschland. Was steht als nächstes für dich an?
Ich werde etwas Zeit mit meiner Familie im wunderschönen Brandenburg und an der Ostsee verbringen. Anfang August werde ich dann nach Wolgograd fliegen und zwei Monate lang bei einer russischen Babuschka [russ. Wort für Oma, Anm. d. Red.] wohnen. Das ist ein Programm, das „Sprache der Generationen“ heißt. In Russland ist es häufig so, dass eine Familie nicht zusammen in einer Stadt wohnt, und das Programm gibt den Pensionären die Möglichkeit, mit Ausländern, die Russisch lernen wollen, in Kontakt zu treten. Ich war schon im vergangenen Sommer bei „meiner Babuschka“ und das hat sehr gut geklappt.