Almaty ist ein wahres Zentrum der Kino- und Spielfilmindustrie. Im Jahr 1895 läuteten die französischen Lumière-Brüder mit einem 50-sekündigen Kurzfilm das Zeitalter des modernen Kinos ein, und bereits am 22. Juni 1910 fand im damaligen Wernyj die erste Kinovorstellung statt. Das erste regulär geöffnete Kino der Stadt ging schließlich im Jahr 1911 in Betrieb.

Nach 1917 entwickelte die neue Sowjetmacht das Kino in besonderem Maße. Kinovorstellungen waren nicht nur zur Unterhaltung, sondern insbesondere zur politischen Bildung und zur Agitation gedacht. Auch im nun sowjetischen Alma-Ata eröffneten zahlreiche neue Kinosäle. Das 1934 gegründete Dokumentarfilmstudio „Alma-Ata“ produzierte zuerst Wochenschauen, später Dokumentar- und Spielfilme. Nach Ausbruch des zweiten Weltkrieges wurden die bis dahin größten sowjetischen Filmstudios „Mosfilm“ und „Lenfilm“ nach Kasachstan evakuiert, seitdem entstanden alle wichtigen Propagandafilme der Kriegsjahre in Alma-Ata. Seit 1960 trägt das Filmstudio den Namen „Kasachfilm“ und produziert bis heute erfolgreiche Filme für Kino und Fernsehen.

Auch nach dem Krieg wurden neue Filmtheater gebaut, so wie das 1968 eröffnete Kinotheater „Arman“ der Architekten A. Korzhempo und I. Slonow. Nach den Stalinschen Jahren des neoklassizistischen Pomps verordnete der neue Generalsekretär der KPdSU Nikita Chruschtschow der Sowjetunion architektonische Schlichtheit. Der sogenannte Internationale Stil, geradlinige und auf reine Funktion ausgelegte Gebäudekörper ohne jeglichen Schmuck wurden populär. Aber Chruschtschows Zeit war 1964 zu Ende und auch die Architektur wagte wieder mehr Experimente. So stand das Kinotheater mit seiner strikt kubischen Form am Übergang von der strengen, schlichten Moderne zur stärker ornamentierten, sowjetischen Spätmoderne, welche mehr gestalterischen Spielraum einforderte.

Kinotheater Arman war seiner Zeit weit voraus

Die Künstler W. Konstantinow und G. Sawisionnyj gestalteten an den Außenseiten des rechteckigen und ansonsten schnörkel- und fensterlosen Komplexes Wandreliefs, die dem 50. Jubiläum der Oktoberrevolution 1967 gewidmet waren. Sie gehören noch heute zu den herausragendsten Beispielen sowjetischer Monumentalkunst in der Stadt. Das Relief an der Ostseite trägt den Titel „Wissenschaft“ und preist mit seinen Darstellungen von Kosmonauten und Wissenschaftlern die technischen Leistungen der Sowjetunion. Das Relief namens „Oktober“ an der Westseite stellt Helden und Errungenschaften der Sowjetisierung des Landes wie Traktoren, Fabrikarbeiter oder Soldaten, aber auch Reiter auf Pferden dar. Eine Reliefinschrift jeweils auf russisch und kasachisch lautet: „Groß ist der Weg unseres Volkes, groß ist seine Leistung. Es wird ein ewiges Beispiel für zukünftige Generationen sein, für alle, die den Weg der Freiheit gewählt haben“.

Das Kino selbst war an modernen Annehmlichkeiten seiner Zeit voraus. Der im Inneren liegende Lichthof mit Springbrunnen, das mondäne Foyer oder das Café waren ein absolutes Novum für ein Kinotheater dieser Tage. Doch trotz aller Moderne blieb die sowjetische Ideologie nicht außen vor. Das Kino besaß zwei Filmsäle mit insgesamt 1.000 Sitzplätzen. Im „roten“ Saal liefen ausschließlich propagandistische Kriegsfilme, während im „blauen“ Saal sowjetische Liebesschmonzetten gezeigt wurden.

In den 1990er Jahren verschlechterte sich der Zustand des Theaters zunehmend, zeitweise befand sich eine Diskothek in dem Gebäude, die imposanten Wandreliefs verfielen oder wurden teilweise zerstört. Viele der ehemaligen Kinos aus sowjetischer Zeit wurden inzwischen abgerissen und Schnellrestaurants an gleicher Stelle hochgezogen. Dem „Arman“ widerfuhr es anders, die Kinotechnik wurde modernisiert, die Gebäudestruktur und die Reliefs restauriert. Auch wenn das Kino gegen die gigantischen, modernen Kinokomplexe heute geradezu altbacken wirkt, das Gebäude wurde in die Liste städtischer Architekturdenkmäler aufgenommen und bleibt uns somit glücklicherweise für die Zukunft erhalten.

Philipp Dippl

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