Die Produkte des Medtech-Konzerns B. Braun sind gerade in Zeiten von Corona stark gefragt. Deshalb darf auch die Tochtergesellschaft in Almaty ihre Arbeit während der Quarantäne fortsetzen. In normalen Zeiten sind die Geschäftsaussichten im postsowjetischen Raum ebenfalls gut, trotz starker Konkurrenz aus Asien.

Deutschlands drittgrößtes Medizintechnikunternehmen kommt aus einem Ort, den außer seinen Einwohnern wohl nur wenige kennen: Melsungen im hessischen Schwalm-Eder-Kreis, eine mittelalterliche Kleinstadt, 30 Kilometer von Kassel, 13.000 Einwohner. Die Firma, die dort rund 6.000 Menschen einstellt und damit selbstverständlich der größte Arbeitgeber vor Ort ist, kennen zumindest außerhalb Deutschlands ebenfalls nur wenige: B Braun, Traditionsunternehmen, 1839 gegründet.

Das mag auch daran liegen, dass das Unternehmen auch nach fast zwei Jahrhunderten immer noch fest in Familienhand ist und – anders als etwa die Wettbewerber Fresenius und Siemens Healthineers – nicht an der Börse notiert. Dabei mischt B. Braun global mit insgesamt 54 Tochtergesellschaften auf dem Medtech-Markt kräftig mit. Weltweit beschäftigt der Konzern 64.600 Mitarbeiter. Mit seinen vier Produktsparten deckt er ein breites Spektrum an Bereichen ab – von Chirurgie über Anästhesie, Dialyse bis hin zum Out-Patient-Bereich.

Video: B. Braun Melsungen AG

Zudem stellt das Unternehmen Produkte wie Schutzausrüstungen und Desinfektionsmittel her, die gerade jetzt im Zuge der Corona-Krise auf eine hohe Nachfrage stoßen. Die Hessen bewiesen ihre Krisenfestigkeit erst Ende März wieder, als sie einmal mehr mit überzeugenden Quartalszahlen aufwarten konnten und erklärten, dass man auch in der Corona-Krise mit weiterem Umsatzwachstum rechne.

Bislang keine Lieferprobleme in Kasachstan

Auch die Tochtergesellschaft in Zentralasien verzeichnet aktuell wegen Corona eine erhöhte Nachfrage. „Besonders gefragt sind Produkte für die Intensivmedizin und natürlich alles rund um Desinfektionsmittel“, sagt Kevin Koch, der die Zentrale in Almaty leitet.
Probleme mit den Lieferungen und Lieferketten gebe es trotz der weltweiten Abschottung nicht. Dennoch sei es „schwer, die Kunden mit den sehr gefragten Produkten zu beliefern, weil die Nachfrage momentan auf der ganzen Welt enorm hoch ist.“

Da B. Braun als Medizinfirma und Hersteller von lebensnotwendigen Gütern die Pforten nicht gänzlich schließen musste, kümmert sich aktuell noch eine Kleinstgruppe im Büro um das Tagesgeschäft. Koch selbst ist trotz Ausnahmezustand und Quarantäne in Almaty geblieben und hält im Homeoffice die Stellung.

In normalen Zeiten ist dagegen deutlich mehr los in den lichtdurchfluteten Räumen der Almatiner Zentrale. 52 Mitarbeiter hat B. Braun in Kasachstan, von denen die Hälfte im Außendienst in anderen Regionen des Landes unterwegs ist. Als die Niederlassung 2007 eröffnet wurde, seien es gerade einmal fünf bis sechs gewesen, so Koch.

„Großes Potential“

Der 35-Jährige, der selbst aus Melsungen stammt, leitet die hiesige Tochtergesellschaft seit etwas mehr als drei Jahren. Davor war er sechs Jahre für die Firma in der Ukraine. Kochs Begeisterung für den postsowjetischen Raum begann, als er nach dem Abitur mit einem Freund ein paar Tage in Moskau verbrachte. Danach lernte er Russisch und entschied sich für ein Studium in Jena – unter anderem, weil er hoffte, an einer ostdeutschen Uni seine Sprachkenntnisse noch besser ausbauen zu können.

Kevin Koch, Leiter von B. Braun in Kasachstan, mit Kolleginnen in der Almatiner Zentrale

Damit war er bei B. Braun gut aufgehoben. Denn Russland und die ehemaligen Sowjetländer waren für das Unternehmen schon interessant, bevor Koch 2010 bei den Hessen anfing. „Um 2007 herum hat auch in Kasachstan viel geboomt, damals war der Ölpreis noch ein anderer als heute“, so der Melsunger. „Vor allem in Astana wurde viel investiert, auch in Krankenhäuser, deshalb hat man da ein großes Potential gesehen.“

Heute deckt die Almatiner Zentrale den kasachischen Markt und die anderen vier Länder der Region ab, für eine Sparte auch Aserbajdschan. Die Geschäfte laufen über lokale Händler und Partner. Das Gros der Aktivitäten spielt sich aber in Kasachstan ab. Trotzdem hat der kasachische Ableger im Gegensatz zu dem im benachbarten Russland keine eigene lokale Produktion, da der Markt hierfür zu klein ist. Zudem gilt ein Produkt, welches von der russischen Tochter produziert und unter der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) registriert wurde, auch in Kasachstan als lokales Produkt. In der Regel kommen die Lieferungen aber per Lkw direkt aus Melsungen. In Kasachstan herrscht in „normalen Zeiten“ der größte Bedarf an Infusionspumpen und Zubehör sowie an zentralvenösen Kathetern.

Infusions- und Spritzpumpen von B. Braun

Fokus auf staatlichen Kliniken

Die Kunden von B. Braun hierzulande sind hauptsächlich staatliche Kliniken, da der private Sektor noch nicht so stark ausgeprägt ist. Koch erwartet aber, dass sich das in den kommenden drei bis vier Jahren ändern wird. „Man sieht jetzt schon, dass es mehr und mehr auch Privatkliniken im ambulanten Bereich gibt, die Operationen durchführen. Das gab es vor einigen Jahren so noch nicht.“ Trotzdem bleibe der Fokus zunächst auf den staatlichen Kliniken.

Die Entwicklungen auf dem kasachischen Markt in den vergangenen Jahren sieht er mit gemischten Gefühlen. Einerseits profitiere man davon, dass zuletzt kasachische Ärzte um die ganze Welt gereist sind, um an Konferenzen und Schulungen teilzunehmen. „Dort sehen sie Dinge, die sie auch haben wollen“, so Koch. Etwas Sorge bereite ihm dagegen, dass in den letzten Jahren immer stärker reguliert werde. Dadurch werde man mitunter in seinen Margen beschnitten, etwa mit Maximalpreisen für Pharmazeutika. Ein weiteres Problem sei, dass das Gesundheitsbudget im kasachischen Staat stagniere, eben weil es kaum lokale Produktion in dem Bereich gebe.

Hinzu kommt, dass sich westliche Medizintechnikfirmen harter Konkurrenz aus Asien erwehren müssen. Vor allem Firmen aus China und Indien seien laut Koch mitunter in einer besseren Position, weil sie von der geographischen Nähe und anderen Ansprüchen an ein Produkt profiterten. „In Deutschland ist es wichtiger, Produkte mit einem hohen Sicherheitsstandard zu haben“, so Koch. „Hier spielt dagegen in vielen Fällen eher der Preis die entscheidende Rolle.“

Krisenfestes Geschäft

Insgesamt blickt der Melsunger mit Zuversicht in die Zukunft. Der Medizinbereich sei sehr krisenstabil, da die Menschen an vielem sparen würden, aber nie an ihrer Gesundheit. „Das ist auch in Kasachstan nicht anders.“ Auch wenn Statussymbole eine hohe Bedeutung genössen, würde eine Familie im Zweifel eher das Geld für eine anstehende Operation eines Familienmitglieds zusammenlegen und etwa einen Autokauf verschieben.

Für die kommenden Jahre hat sich B. Braun in Kasachstan noch einiges vorgenommen. So wolle man laut Koch noch mehr an die Trends in den Bereichen Digitalisierung und Technik anknüpfen, wenngleich Sicherheit und Nachhaltigkeit weiterhin höchste Priorität hätten. Konkret will B. Braun in diesem Jahr mit Endoskopie im 3D-Format beginnen. „Der Arzt hat dann bei der OP einen riesigen Bildschirm und eine 3D-Brille, sieht dadurch das innere des Patienten in 3D“, erklärt Koch. „Das wird einiges erleichtern.“

Christoph Strauch

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