Die 24-jährige Sybille Kranz studiert Politikwissenschaft in Augsburg. Bis Ende Oktober arbeitet sie als Praktikantin in der politischen Abteilung der Delegation der Europäischen Komission in Kasachstan. Anara Kulmambetowa sprach mit ihr über ihre Familienpläne.

Anara Kulmambetowa ist 20 Jahre alt und Germanistik-Absolventin der Staatlichen Universität Koktschetau in Kasachstan. „Journalismus ist für mich interessant, da ich vielleicht einmal in die Öffentlichkeitsarbeit gehen will.“

Warum haben Sie sich als Land für Ihr Praktikum Kasachstan ausgesucht?

Ich habe einige Zeit in Russland gearbeitet und bin dort viel gereist, unter anderem nach Astrachan. Dort ist es schon sehr ähnlich wie in Kasachstan. Das hat meine Neugier geweckt. Das erste Mal war ich dann vor zwei Jahren in Kasachstan am Goethe-Institut. Dort hat es mir so gut gefallen, dass ich beschlossen habe, zurückzukommen.

Wie fühlen Sie sich als Frau hierzulande? Gibt es Unterschiede im Rollenverständnis der Männer und Frauen in Deutschland und Kasachstan?

Ich fühle mich in Kasachstan ganz wohl. Es entstehen keine Probleme, weil ich eine Frau bin. Was die Situation in beiden Ländern betrifft, so finde ich sie fast gleich. Viele sagen, es sei die Hauptaufgabe einer Frau, besonders in Asien, sich um ihre Familie zu kümmern, während der Mann das Geld verdient. Aber nicht nur in Kasachstan, sondern auch in Deutschland gibt es viele Frauen, die sich nur um ihre Familie kümmern und keine Karriere machen, z.B. ist das so bei meiner Tante und meinen Cousinen. Und umgekehrt kenne ich einige kasachische Frauen, die schon um die 30 sind, aber keine Familie gründen wollen. Sie widmen sich lieber der Arbeit. Und diese Tendenz in Kasachstan wird doch immer offensichtlicher. Die Frage ist immer, was die Männer und die Gesellschaft von einer Frau erwarten. In verschiedenen Ländern sind diese Erwartungen auch verschieden. Ich kenne ein gutes Beispiel: Ein Kasache wollte nicht von einer amerikanischen Lektorin unterrichtet werden, weil sie keine Familie hatte und dadurch nicht seinen Vorstellungen von einer richtigen Frau entsprach. Es ist komisch, aber wahr.

Was meinen Sie, haben Frauen und Männer in Kasachstan und in Deutschland die gleichen Möglichkeiten, ihre Fähigkeiten und Potenziale zu entfalten? Warum sind sie in verschiedenen Gebieten nicht gleich vertreten? Warum gibt es z. B. in der Wissenschaft und in der Politik wenige Frauen?

In Kasachstan bin ich nicht sicher. In Deutschland verfügen Frauen über gleiche Chancen. Aber für Führungspositionen sind Männer bevorzugt, sie werden nicht schwanger und bleiben der Firma als Arbeitskraft erhalten, es ist oft einfach ein finanzieller Aspekt. Beim Arbeitsprozess gibt es keine Einschränkungen. Was die Wissenschaft und die Politik anbetrifft, so fällt das meiner Meinung nach Frauen einfach schwerer. Zum Beispiel arbeiten im Auswärtigen Amt Deutschlands 70 Prozent Männer und nur 30 Prozent sind Frauen. Das ist auch eine Folge der Erziehung, Frauen werden eher dazu erzogen sensibel und zurückhaltend zu sein, da fällt es den Frauen schwerer, sich in Bereichen wie Politik und Wissenschaft, wo man doch aktiv und teilweise auch aggressiv sein muss, zurecht zu finden.

Welche Rolle spielt der Staat im Rollenverständnis von Frauen?

Der Staat muß dafür sorgen, dass die Frauen gleiche Chancen wie die Männer haben, dabei ist das nicht nur auf die Geschlechterverteilung bezogen, sondern er muss grundsätzlich für Chancengleichheit sorgen. Es gibt in Deutschland bestimmte Schutz- und Sicherungsgesetze. Die Frauen dürfen, wenn sie schwanger sind, ab dem sechsten Monat nicht arbeiten und dann bekommen sie eine Lohnfortzahlung bis das Kind ein Jahr alt ist, danach Kindergeld. Außerdem haben sie eigentlich ein Recht darauf, bis zu drei Jahre bei dem Kind zu Hause zu bleiben und danach wieder ihre alte Arbeitsstelle zu bekommen. Meistens wird sie wieder eingestellt, bekommt aber eine schlechtere Stelle, also nicht dieselbe Arbeitsstelle, die sie vor der Schwangerschaft hatte. Es gibt verschiedene kirchliche Organisationen, die die Mütter finanziell unterstützen, auch feministische Organisationen. Dass sie Einfluss nehmen, zeigt sich daran, dass man jetzt „Studenten und Studentinnen“ für die Bezeichnung männlicher und weiblicher Personen, anstatt einfach „Studenten“ sagt, wie es früher üblich war. Das spricht auch dafür. Es gibt auch ein Antidiskriminierungsgesetz von der Europäischen Union, das die Rechte der Frauen schützt, wenn sie aufgrund des Geschlechtsunterschiedes beschränkt sind oder brutal behandelt werden. Die Frau kann und muss dann damit vor Gericht gehen.

Was steht für Sie an erster Stelle: Familie oder Karriere? Werden Sie in Ihrem künftigen Familienleben die Haushaltspflichten mit ihrem Mann teilen? Wollen Sie Kinder? Wer muss sie erziehen: Mutter oder Vater?

Sowohl Familie als auch Karriere sind für mich von Bedeutung. Im Moment ist meine Karriere für mich wichtiger, außerdem mag ich mein Studium. Aber ich habe einen Freund, der mit mir eine Familie gründen möchte. Und wir diskutieren viel darüber. Zuerst will ich einen guten Beruf haben, und dann, wenn ich 29 oder 31 werde, Kinder bekommen. Ich meine, es ist schwer, einen richtigen Mann zu finden, der dich mit deinem Beruf versteht. Aber wenn man solch einen findet, so kann man problemlos Familie und Arbeit verknüpfen.
Mein deutscher Freund, er ist Wissenschaftler, arbeitet jetzt auch in Almaty, wir wohnen zusammen, und er macht den Haushalt. Er kommt einfach früher nach Hause als ich und hat die Zeit dazu. Er findet das nicht so gut, kocht aber gerne für mich, hat er gestern gesagt. Am Wochenende mache ich alles. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dann in Deutschland große Lust auf das Kochen haben werde. Aber in Deutschland wird mein Freund mehr arbeiten und keine Zeit haben, dann werde ich natürlich alle Haushaltspflichten übernehmen, wie meine Mutter, die zu Hause auch alles macht: Sie kocht, putzt und arbeitet usw. In Kasachstan, glaube ich, wird kein einziger Kasache kochen, das ist schon die Mentalität. Die Frauen erziehen die Kinder, sie sitzen zu Hause. Die Männer wollen das nicht machen, sie sind so erzogen, sie würden lieber eine Kinderbetreuerin bezahlen.

Denken Sie, dass die Situation für Frauen in allen Regionen Kasachstans gleich ist?

In großen Städten wie Almaty und Astana ziehen die Frauen oft die Karriere der Familie vor, das hängt von der Lebensweise ab. Ich kenne eine Frau in Ust-Kamenogorsk, die ihr Kind allein erzieht und nicht heiraten will. Für eine kleine Stadt ist das nicht so typisch. Die Situation in Russland ist ähnlich wie in Kasachstan, aber in anderen Ländern Zentralasiens sind die Traditionen noch stärker, die Männer dort auch anders. Ich war in Tadschikistan, eine Frau mit blonden Haaren wie ich ist dort auffällig, und die Männer haben mich angesprochen und nach Sex gefragt, das war wirklich unangenehm.

Was denken Sie über die wilde Ehe?

In Kasachstan ist sie nicht so populär, deshalb ist die Scheidungsrate so hoch. Man kann doch nur durch das Zusammenleben feststellen, ob die Partner wirklich zueinander passen, ob sie zusammenleben können. Mein Bruder wohnte, seit er 20 Jahre alt ist, unverheiratet mit seiner Freundin zusammen, erst nach zehn Jahren hat er sie geheiratet.

Würden Sie gern für einen Tag ein Mann sein wollen?

Nein, mir gefällt es, eine Frau zu sein. Das hat viele Vorteile. Aber es wäre doch mal interessant, ein Mann zu sein, aber nur für einen Tag.

Gibt es bestimmte Tätigkeiten, die nur Männer oder nur Frauen machen können?

Frauen und Männer haben eigentlich die gleichen Fähigkeiten, bekannte französische Köche sind Männer, d.h. sie können doch kochen. In Kasachstan fahren viele Frauen Trolleybusse, aber in Deutschland meinen die Männer, dass die Frau kein Auto fahren kann. Die Frauen müssen nicht schwach bleiben, sie müssen ihre Stärke zeigen, damit die Männer ihre Meinung ändern!

Frau Kranz, vielen Dank für das Gespräch!

24/08/07

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