In der vergangenen Woche trafen sich 18 Deutschlehrer aus Kasachstan und Kirgisien in der 18. Schule in Almaty zu einem Theaterseminar unter Leitung von Professor Dr. Dieter Kirsch. Bei der einwöchigen Weiterbildung mussten die Pädagogen nicht einfach nur stillsitzen und zuhören, sondern konnten sich spielerisch darstellen und ausprobieren.

Die große Bühne im Linguistischen Gymnasium Nr 18 in Almaty ist mit vielen Stühlen dekoriert. Erst nach und nach betreten die Schauspieler die Szene und eröffnen damit das Schauspiel. An der Wand zeichnet sich eine Silhouette des deutschen Dichters Heinrich Heine ab, dessen 150. Todestag in diesem Jahr begangen wird. Das aufgeführte Stück „Heimat – was ist das?“ gab den Zuschauern die Möglichkeit, mehr über die Person Heine und sein Leben zu erfahren. Die als Revue inszenierte Aufführung führte das Publikum mit einer Mischung aus Theaterszenen und Liedern in die Zeit Heines, die geprägt war durch die französische Revolution. Die Umsetzung des Heine-Stoffes erfolgte durch Professor Dieter Kirsch, der bereits im letzten Jahr mit Deutschlehrern in Almaty einen Literaturklassiker erarbeitet hatte. Im Schillerjahr 2005 führten die Pädagogen unter seiner Leitung das Theaterstück „Die Räuber“ auf. Dass Kirsch sich in diesem Jahr Heine mit einer Revue widmet, begründet er mit dem 150. Todestag des Dichters: „Viele kennen Heine als Lyriker, sozialkritischen Geist oder Romantiker. Es gibt viele Facetten, jedoch kein einheitliches Bild. Deshalb war es sehr viel schwieriger, dieses Stück zu inszenieren, als Schiller im letzten Jahr. Ich habe die Revue-Form gewählt, damit die Texte zusammen mit Musik unbefangener mit allen Sinnen aufgenommen werden können. Zusammen mit den Lehrerinnen haben wir die ganze Woche, jeden Tag, viel geprobt.“

Lehrer als Theaterspieler

Jeder Lehrerin wurde eine Rolle zugeteilt, und niemand wurde vergessen. Die Erarbeitung eines solch komplexen Stoffes in nur einer Woche erfordert großen Einsatz. Dass dies jedoch möglich ist, bewiesen die Deutschlehrerinnen aus Kasachstan und Kirgisien mit ihrem deutschen Regisseur bei der Aufführung in der Schule Nummer 18. „Das bedeutet vor allem, dass man in der wenigen Zeit sehr intensiv arbeiten muss“, so Dr. Kirsch. Die Pädagogen probten jeden Tag von 10 Uhr morgens bis halb fünf. Dabei hatten die Lehrerinnen auch die Möglichkeit, sich selbst mit Ideen in das Stück einzubringen und etwas zu verändern. Auf die Frage, ob Lehrerinnen denn überhaupt als Schauspielerinnen geeignet sind, antwortet Dieter Kirsch: „Jeder Mensch ist ein Schauspieler, selbst das Publikum im Theater. Wir alle spielen unsere Rolle. Und jeder Lehrer ist ein Schauspieler, und der Alltag zwischen Tafel, Tischen und Stühlen ist wie ein Theater. Als Lehrer muss man sich darstellen können. Das gehört einfach zum Beruf.“

Für das Erlernen einer Fremdsprache spielt das Theater eine große Rolle, findet Dr. Kirsch. Es helfe den Lehrern, ihren Unterricht zu verbessern und erlaube, alle pädagogischen Dimensionen damit zu realisieren. „Ich denke, dass das ein neuer Weg zum Erschließen der Klassik ist“, so die Seminarteilnehmerin aus Pawlodar, Nadeschda Stepanowa. „Nicht alle Schüler wollen Literatur lesen. Aber mit dem Spiel wird der Stoff für die Jugendlichen vielleicht interessanter und bringt sie so an das Lesen heran. Ich bin auch der Meinung, dass ein Lehrer auch ein Schauspieler sein muss. Und ich bin zufrieden damit, was wir hier in einer Woche alles schaffen konnten“, freut sie sich.

Schauspiel als Teil des Schulalltags

Das bei dem Seminar erlernte Wissen ist nach Ansicht von Dieter Kirsch auch in den jeweiligen Schulen mit Schülern umsetzbar: „Ganz viele Elemente dieses Schauspiels können im Schulalltag einen Platz finden und als praktische Teile den Deutschunterricht bereichern.“
„Dieses Projekt hat einen sinnvollen und multiplikatorischen Charakter für das Deutschlernen an den jeweiligen Schulen der Teilnehmer und war außerdem eine schöne Inszenierung“, findet Richard Künzel, Leiter des Goethe-Instituts in Almaty. „Mir hat vor allem die Mischform zwischen dem Schauspiel der Lehrerinnen und den szenischen Lesungen gefallen. Die sich ständig ändernden Bilder auf der Bühne sorgten für viel Bewegung und erzählten immer eine neue Geschichte.“ Zum Abschluss der für die Teilnehmer anstrengenden Seminarwoche zeigten sich alle sehr zufrieden mit dem Erreichten. Vor allem die Lehrerinnen waren sehr dankbar für die neuen Eindrücke und die Möglichkeit, einmal auf einer großen Bühne vor Publikum zu spielen wie richtige Schauspieler.

Von Aljona Judina

07/04/06

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