„Lies das Buch, gib uns deine Hand und wir geben dir den Autoschlüssel!“ So lautet die Losung eines Wettbewerbs in Usbekistan. Jugendliche, die viele Bücher lesen, können gewinnen und bekommen ein Auto als Präsidentengeschenk.

Wir leben im Zeitalter der Informationstechnologien. Junge Menschen wachsen entsprechend auf – viele von ihnen interessieren sich mehr für Computer und Smartphones als für Bücher. Dabei gerät schnell in Vergessenheit, dass wahre Bücher immer auch die Entwicklung von Staat und Gesellschaft mit beeinflussen. Auch für die persönliche Entwicklung des Menschen haben sie einen unschätzbaren Wert. In Usbekistan hatte man dagegen für Jahrzehnte die Vorstellung, dass die Jugendlichen gar keine Bücher lesen.

Der neue Präsident Shavkat Mirziyoyev brachte in seinem Vorwahlprogramm 2016 eine Idee vor, um dem Abhilfe zu schaffen. Das Hauptziel seiner Initiative war es, die Lesefreude bei den jungen Menschen zu fördern und ihre Einstellung zu Büchern zu verändern. Um das umzusetzen, verabschiedete die Agentur für den Jugendrat Usbekistans ein neues Gesetz. Es sah die Ausrichtung eines Wettbewerbs unter den Jugendlichen des Landes vor – unter dem Titel: „Junge Buchliebhaber“. Der Wettbewerb war von Anfang an ein Erfolg, und so gibt es ihn nun schon seit drei Jahren.

Zum ersten Mal konnten die „Jungen Buchliebhaber“ 2017 ihre Kenntnisse unter Beweis stellen. Der Wettbewerb fand in zwei Alterskategorien statt: einer für die 15-bis 19-Jährigen und einer für die 20-bis 30-Jährigen. Die Jugend zeigte großes Interesse, weil die Teilnahme ihnen gesellschaftliche Anerkennung versprach. Da auch jüngere Leser mitmachen wollten, gab es im zweiten Jahr eine Änderung im Regelwerk: es kam die Alterskategorie der 10- bis 14-Jährigen hinzu.

Auch Bücher aus den Nachbarländern werden gelesen

Bei der Durchführung des Wettbewerbs arbeiten mehrere Verbände und Organisationen zusammen. Die wichtigste unter ihnen ist die Jugendunion Usbekistans. Sie spielt die Hauptrolle bei der Organisation, während die anderen sich Aufgaben wie die Bewertung der Teilnehmer, die Literaturauswahl oder die Finanzen teilen.

Als Vorbereitung für „Junge Buchliebhaber“ erstellt ein Team mit Expertenkenntnissen auf einem bestimmten Gebiet eine Liste mit Büchern, die die Anwärter lesen sollen. Sie enthält Werke der Weltliteratur sowie Bücher aus den Nachbarländern, usbekische Literatur und literarische Zeitschriften aus Usbekistan. Die Liste muss mindestens drei Monate vor Beginn des Wettbewerbs bekannt gegeben werden. In diesem Jahr war das Mitte Februar. Da Jugendliche aus immer mehr unterschiedlichen Fachbereichen teilnehmen möchten, enthält die Liste nicht nur Belletristik, sondern auch einige wissenschaftliche Bücher wie Avicennas „Gesetze der Medizin“ oder Perelmans „Interessante Mathematik“.

Der Wettbewerb ist auch eine Glücksprüfung

Dass der Erfolg bei dem Wettbewerb nicht immer nur vom Wissen und Talent abhängt, sondern manchmal auch eine Portion Glück dazugehört, weiß Mansurbek Boysarijev, einer der Experten von der Jugendunion. Ein Bewerber, erinnert er sich, hatte dieses Glück leider nicht und schied aus, weil er in der Regionalrunde eine Frage nicht beantworten konnte. „Später kam sein Vater zu mir und sagte, dass er seinem Sohn alle notwendigen Bücher besorgt hatte – bis auf eines. Leider bekam er seine Frage aber genau daraus.“ Trotzdem sei der Vater dankbar gewesen, dass sein Sohn die Möglichkeit der Teilnahme gehabt habe.

Die Kandidaten, die am Ende keinen Preis gewinnen, fühlen sich in der Regel nicht als Verlierer. Sie empfinden es als eine Belohnung, aus den Büchern emotionale, mentale und spirituelle Energie erhalten zu haben. Wer eine Liste von Büchern durchgelesen hat, ist eine andere Person als zuvor, da das Lesen den Charakter prägt.

Deutschland als Vorbild

Das sieht auch Bakhodir Karimov vom Institut für usbekische Sprache und Literatur so. Karimov ist seit drei Jahren Mitglied der Jury und hat die Entwicklungen der jungen Leser und ihre Haltung zum Lesen beobachtet. „Die Teilnehmer haben im Laufe des Wettbewerbs neue Fähigkeiten entwickelt. Junge Leser, die die letzte Runde erreicht hatten, waren sehr zufrieden, teilgenommen zu haben, obwohl sie am Ende nicht gewannen und das Auto nicht bekommen konnten. Aber durch ihre Teilnahme hatten sie viele neue gebildete, motivierte Freunde gefunden.“

Als vorbildhaft sieht Karimov die Entwicklungen in Deutschland an. Als er vor einigen Jahren dort war, fand er es bemerkenswert, wie die Deutschen ihre Zeit nutzten: „In der U-Bahn, in Bussen und Straßenbahnen konnte man viele Leute sehen, die ein Buch in der Hand hielten. Auch mit Tablets oder Smartphones lasen sie Bücher. Was ich an ihnen wirklich bewundert habe, ist, dass sie die modernen Technologien nutzen, um ihren Geist und ihr Wissen zu verbessern. Damals war ich sehr neidisch darauf. Heute kann ich mich auch in unserem Land daran erfreuen.“

„Junge Buchliebhaber“ für das ganze Land

Ähnlich zur Rolle des Lesens äußert sich Nodir Jonuzoq, Mitglied des Schriftstellerverbands Usbekistans und Chefredakteur der usbekischen Zeitschrift „Yoshlik“ („Die Jugend“). Er kritisiert die heute weit verbreitete Ansicht, dass man ein Buch von 300 oder 500 Seiten nicht durchlesen müsse, weil man den Hauptinhalt des Werkes ja im Internet recherchieren könne. „Das ist aber nichts weiter als Informationen, die das Gehirn aufblasen. Die Rolle der Literatur ist nicht darauf beschränkt, dass man die Handlung des Werkes kennt. Während des Lesens eines Werkes ändert sich der Mensch innerlich, ändern sich seine Gefühle – darin liegt der Wert des Buches.“

Die Finalrunde fand in Form eines Quiz’ statt und wurde im Fernsehen übertragen.
Die Finalrunde fand in Form eines Quiz’ statt und wurde im Fernsehen übertragen.

Der wichtigste Aspekt an dem Wettbewerb „Junge Buchliebhaber“ ist für Jonuzoq, dass er das gesamte Land erfasse – von den entlegensten Dörfern bis hin zur Hauptstadt. Auch entwickle sich durch ihn die Leseatmosphäre nicht nur unter den Jugendlichen, sondern auch in der ganzen Familie, vor allem unter den Eltern: sie kaufen im Buchhandel die Literatur für ihre Kinder, suchen im Internet nach Werken und Autoren oder schauen sich zusammen die Finals von Quiz-Shows an.

In diesem Format werden schließlich auch die Endrunden von „Junge Buchliebhaber“ im Fernsehen übertragen. Im Finale des letzten Wettbewerbs testeten die Teilnehmer aus 14 Regionen des Landes ihr Bücherwissen und ermittelten so die Gewinner vor laufender Kamera.

Man liest für sich

Bemerkenswert war, dass es in der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen ausschließlich Siegerinnen gab. Den ersten Platz und das Geschenk des Präsidenten – ein Spark Car – gewann Shahzoda Karimbaeva aus der Republik Karakalpakstan.

Über ihre Motivation sagt sie: „Ein echter Buchliebhaber liest ein Buch ohne besonderen Anlass, nur für sich selbst. Aber als unser Staat uns die Chance gab, durch das Lesen von Büchern auch noch ein Auto zu bekommen, wollten wir davon profitieren.“ Die Wahl sei ein großer Konkurrenzkampf gewesen und habe den Teilnehmern ermöglicht, zu sehen, was sie schon können, wo aber auch ihre Schwächen liegen. Für die Jugendlichen hat der Sieg bei „Junge Buchliebhaber“ für zusätzliche Ambitionen gesorgt: „Vor der Teilnahme an diesem Wettbewerb wollte ich eine bekannte Person in Usbekistan sein“, erzählt sie. „Nun möchte ich auf der ganzen Welt berühmt sein, dafür habe ich alle Möglichkeiten, und ich glaube, das werde ich schaffen.“

Auch die anderen Gewinnerinnen wurden reich beschenkt. Farangiz Isakova, eine junge Buchliebhaberin aus Buchara, erhielt von der Jugendunion für den zweiten Platz einen Computer mit einem Drucker, hundert Bücher und eine Auslandsreise. Die Drittplatzierte Nigora Askaralieva aus der Region Taschkent bekam ebenfalls hundert Bücher und eine Auslandsreise.

Der Wettbewerb zeigt, dass man durch regelmäßiges Lesen und gute Literaturkenntnisse einen bestimmten Platz in der Gesellschaft erreichen kann. Den Organisatoren ist daran gelegen, dass das Lesen nachhaltig populär bleibt und auch in Zukunft viele Jugendliche an dem Wettbewerb teilnehmen. Um das zu unterstützen, wurden nach der letzten Finalrunde
53 Buchtitel unter der Überschrift „Jugendbibliothek“ in 1.000 Exemplaren veröffentlicht und an alle Bildungseinrichtungen im ganzen Land verteilt. Außerdem ging eine offizielle Homepage für die „Jungen Buchliebhaber“ online und es wurden den Jugendlichen die aufgelisteten Bücher als E-Book zur Verfügung gestellt.

Malokhatkhon Turgunova

Dieser Beitrag ist Teil eines Projekts, das vom Institut für Auslandsbeziehungen e. V. aus Mitteln des Auswärtigen Amtes gefördert wird.
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