David Bäcker studiert Kunst- und Bildgeschichte an der Humboldt-Universität in Berlin. Im Dezember war er zwei Wochen lang als Sprachassistent bei der Vereinigung der Deutschen Kasachstans „Wiedergeburt“ in Almaty. Wir haben mit ihm über seine Erfahrungen gesprochen.

Wieso hast du dich für Kasachstan entschieden?

Eine Freundin hat mich auf das Programm aufmerksam gemacht. Sie selbst gehört der deutschen Minderheit in Kasachstan an. In der Vergangenheit hatte ich schon mehrfach die Gelegenheit, sie in Kasachstan zu besuchen, Almaty kannte ich also schon von früheren Reisen. Als sie mir die Ausschreibungen für die Stelle als Sprachmittler weitergeleitet hat, habe ich sofort eine Bewerbung geschrieben, da es für mich eine Chance bedeutet hat, meine Eindrücke von der Stadt zu vertiefen.

Was waren deine Aufgaben als Sprachassistent?

Als Sprachmittler in Almaty hatte ich ganz unterschiedliche Aufgaben. An erster Stelle stand die Begleitung der Sprachkurse bei der „Wiedergeburt“. Hier habe ich verschiedene Erwachsenen- und Jugendkurse besucht. Außerdem habe ich eine der Lehrerinnen zu einer privaten Unterrichtsgruppe und einem Sprachkurs an einem Gymnasium begleitet. Im Zeitraum meines Aufenthalts waren die Vorbereitungen für das Weihnachtsfest der deutschen Minderheit in vollem Gange. Die Jugendgruppe unterstützte ich daher bei der Ausarbeitung ihres Beitrags: Sie haben eine Szene für die Bühne geprobt.

Meine primäre Aufgabe war es aber, als Muttersprachler den Schülern Sprachpraxis zu ermöglichen. So hatten sie die Gelegenheit, ihr bisheriges Wissen an mir zu testen, Fragen zu stellen und Unterhaltungen zu führen. Damit sollte sowohl das Sprachgefühl als auch das Hörverstehen gefördert und vor allem die Hemmung abgebaut werden, Deutsch zu sprechen. Die Schüler waren alle sehr interessiert und haben sich nicht gescheut, ihr sprachliches Wissen an mir zu erproben. Sie haben mir zahlreiche Fragen zum Leben in Deutschland, zu Gesellschaft, Studium und Arbeit gestellt. Das war spannend, denn es war auffällig, dass es viele Vorstellungen gibt, die mit der Realität in Deutschland nicht viel zu tun haben. Gleichzeitig habe ich auf diese Weise mehr über das Leben in Kasachstan erfahren.

Neben den Sprachkursen habe ich die Probe für ein deutschsprachiges Stück am Deutschen Theater begleitet, das im Laufe des Jahres Premiere haben wird. Natascha Dubs inszeniert dort mit einer Gruppe von Schauspielstudenten „Andorra“ von Max Frisch. Diese Aufgabe hat mich besonders gefreut, weil ich sehr gerne ins Theater gehe und mit der Theaterszene in Berlin gut vertraut bin. Ich war neugierig darauf, welche Form von Theater in Kasachstan gespielt wird. Meine konkrete Aufgabe war in diesem Fall, den Schauspielern bei der Aussprache und Betonung ihrer Texte zu helfen. Das Sprachniveau der Schauspieler war ganz unterschiedlich: Manchmal musste ich nur kleine Aussprachefehler korrigieren, in anderen Fällen habe ich den Text vorgesprochen und aufgenommen, um eine Vorlage zu liefern. Die Herausforderung war dabei, eine korrekte Aussprache und Betonung zu vermitteln, ohne dabei die kreative Freiheit einzuschränken. Mit einigen Schauspielern stehe ich immer noch in Kontakt und beantworte weiterhin Fragen bei schwierigen Sätzen oder nehme kurze Sätze für sie auf.

Welchen Eindruck hast du von der deutschen Minderheit vor Ort?

In meinen zwei Wochen in Almaty habe ich zahlreiche ganz verschiedene Menschen kennengelernt, sowohl während meiner Arbeit als auch darüber hinaus. Das Interesse an Deutschland war dabei sehr groß, sowohl hinsichtlich einer beruflichen Zukunft dort, aber auch in Bezug auf das kulturelle Leben. In diesem Zusammenhang hat mich die Arbeit des Jugendclubs „Vorwärts“ besonders beeindruckt. Hier kommen Jugendliche mit unterschiedlichen Hintergründen zusammen, die die Neugier für die deutsche Kultur und Sprache teilen. Die Arbeit, die Kristina Librikht und die anderen Jugendleiter hier leisten, ist großartig. Sie haben eine respektvolle und tolerante Umgebung geschaffen, in der Kultur nicht als Folklore-Veranstaltung verstanden wird, sondern eine lebhafte Auseinandersetzung mit den aktuellen kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklungen bedeutet.

Was nimmst du von deiner Zeit in Almaty mit?

Nicht zuletzt nehme ich viele neue Bekanntschaften und Freunde mit. Die ersten Leute haben sich schon für einen Besuch in Berlin angekündigt, und ich freue mich schon darauf, ihnen bald einen Einblick in meinen Alltag geben zu können. Darüber hinaus gab mir der Aufenthalt in Kasachstan Anlass zur Reflexion über Kultur und Identität. Trotz des großen Interesses der Schüler an Deutschland gab es für sie viel Neues zu erfahren und einige Überraschungen. Mir ist bewusst geworden, welche Bedeutung dem kulturellen Austausch in diesem Zusammenhang zukommt. Gerade in Zeiten, in denen es trotz des vereinfachten Zugriffs auf Informationen immer schwieriger ist, zwischen Tatsachen und Fake News zu unterscheiden, ist die persönliche Begegnung unumgänglich. Verständnis und Wertschätzung kultureller Differenzen ist nur auf diese Weise möglich.

Welche Pläne hast du für die nahe Zukunft?

Ich habe zunächst damit zu tun, meinen Master-Abschluss in Kunst- und Bildgeschichte an der Humboldt-Universität in Berlin zu machen. Parallel dazu werde ich mich nach beruflichen Perspektiven umzuschauen. Besonders interessieren mich Aufgaben im kuratorischen Bereich. Ich schreibe aber auch über zeitgenössische Kunst und werde mich um Schreib-Aufträge bemühen. Mein Aufenthalt in Almaty hat mir zudem einen Anstoß gegeben, mich ehrenamtlich zu engagieren. Die Arbeit des Jugendclubs „Vorwärts“ hat mich so begeistert, dass ich nach ehrenamtlichen Aufgaben in der Jugendarbeit suchen werde.

Die Fragen stellte Othmara Glas.

Informationen zum Programm

Das Sprachassistentenprogramm gehört zum Projekt „Grenzüberschreitende Partnerschaft mit Kasachstan“ der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland. Im Rahmen des Programms zur Förderung deutscher Minderheiten werden Sprachmittler oder -assistenten nach Kasachstan entsandt, die einheimische Lehrer beim Deutschunterricht unterstützen und unterschiedliche Aktivitäten in deutscher Sprache durchführen. Die muttersprachliche Beherrschung der deutschen Sprache zählt zu den Hauptbedingungen; eigene Initiative, Einsatzfreude und natürlich Unterrichtspraxis sind wünschenswert.

Othmara Glas

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