Die Entstehung von „Wiedergeburt“ geht in ihren Wurzeln auf jene Delegationen zurück, die früher nach Moskau entsandt worden waren, um sich mit hochrangigen Parteibeamten zu treffen, die dazu bevollmächtigt waren, die Probleme der Rehabilitation zu lösen.

Schluss. Beginn in den vorherigen Ausgaben.

Bei der Vorbereitung der Konferenz spielten die Deutschen Kasachstans eine große Rolle, mit denen Grout die Reise zweier Delegationen nach Moskau vorbereitete. Er selbst wurde auch in Kasachstan geboren, im Kreis Rusajewsk, Gebiet Kokschetaw. Grout macht Bekanntschaft mit dem Chefredakteur der Zeitung „Freundschaft“ Konstantin Erlich. Sie stimmten bei der Bewertung der Probleme der Deutschen miteinander überein und schlossen eine Abmachung über die Zusammenarbeit. Denn hier, in der Redaktion, traf Grout auf die Deutschen Alma-Atas: E. Airich – legendärer Arbeitssoldat, der nicht weniger legendäre deutsche Patriot und Schriftsteller G. Belger sowie der verdiente Pädagoge der UdSSR A. Gartung.

Aus den Erinnerungen H. Grouts in dem Buch „Russlanddeutsche: 70 Jahre in Erwartung auf Rehabilitation“: „Die Delegation ersuchte um einen Empfang bei der Leitung der KPdSU, aber sie wurde lediglich vom Ausbilder des ZK der KPdSU für nationale Beziehungen W. A. Aumann aus den Reihen der sowjetischen Deutschen empfangen. Das Treffen mit dem Ausbilder des ZK der KPdSU brachte keinerlei praktische Ergebnisse. J. Kronewald stellte sehr liebenswürdige Fragen, und Aumann antwortete mit Scherzen auf sie und beruhigte alle in der Art und Weise, dass die Partei die Probleme der sowjetischen Deutschen nicht außer Acht lassen würde.

Die meisten der Delegation waren zufrieden über die entgegengebrachte Aufmerksamkeit. Einzig ich, der ich mich nicht in den chaotischen Verlauf des Treffens einklinken wollte und nur dessen formellen Ton sah, blieb mit innerer Unzufriedenheit zurück und fragte Aumann gleich nach dem beendeten Empfang nach einem zusätzlichen Treffen am nächsten Tag. Und obwohl dies ein Samstag war, stimmte Wladimir Andrejewitsch zu, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Als ich Kronewald und andere zum Zug brachte, beriet ich mich mit ihnen über ein zusätzliches Arbeitstreffen mit Aumann. Es fand in denselben Räumlichkeiten des ZK wie am Vorabend statt und dauerte rund zwei Stunden.

Ich habe mir die Aufgabe gestellt, den Vertreter der Behörden mit dem Faktenmaterial zu überzeugen, dass die Diskriminierung der Sowjetdeutschen ein wissenschaftlich nachgewiesenes Ereignis sei. Hierfür legte ich eigene, durch wissenschaftliche Methoden erstellte Forschungen vor, die klar zeigten, dass die Sowjetdeutschen nach dem Jahr 1941 ungewöhnlich schnell ihre Muttersprache verlieren. Daraus schlussfolgerte ich, dass dies die Folgen der Deportation und der künstlichen Umsiedlung der Völker in die weiten Gebiete Sibiriens und Kasachstans sind. Der Geschichtswissenschaftler Aumann war gezwungen, den Beweisen meiner Forschungen zuzustimmen…“

Niemand hatte es eilig, die Situation zu ändern

In dieser Zeit arbeitete ich wirklich im Apparat des ZK der KPdSU, in der Abteilung für nationale Beziehungen. Ich sage vielmehr, keiner beabsichtigte mehr, die Autonomie wiederherzustellen. Um die Aufmerksamkeit von dem Problem abzulenken, wurden Entscheidungen getroffen von der Art „Zur weiteren Verbesserung der ideologischen Arbeit unter den Bürgern deutscher Nationalität“, „Über die Maßnahmen zur Bekämpfung religiöser Gefühle“. Alles in diesem Sinne. Und vor Ort wurden „Programme zur Umsetzung der Dekrete des ZK der KPdSU vom…“ erarbeitet.

Die gesellschaftliche Bewegung der Russlanddeutschen in den neunziger Jahren zwang das ZK der KPdSU endlich dazu, diese Probleme anders zu betrachten. Es war klar, dass es unmöglich wurde, sich den Deutschen gegenüber so zu verhalten, wie früher, aber niemand hatte es eilig, die Situation zu ändern. Die Mitglieder der Delegationen spürten das. Anders verhielt sich der Leiter der Abteilung für nationale Beziehungen W.A. Michajlow, der im neuen Russland Minister für nationale Politik wurde, mit diesem Problem. Er war in den staatlichen Strukturen eine der seltenen Figuren, die das Problem verstanden. Leider teilten nur wenige aus den Behörden seine Position.

Bekanntlich gibt es keine Menschen, die von Nationalgefühlen frei sind. Und auch ich, der ich den ganzen Schrecken ungerechter Anschuldigungen ertragen habe, war von ihnen nicht frei. Ich wurde sogar von einem Kommandanten geschlagen, und seine Worte: „Ich werde dir kleinem Faschisten zeigen, wie wir mit denen umgehen, die Steine auf den Kommandanten werfen“, wurden für mich ein Objekt der fortwährenden Studie von allem, was mit meinem Volk bis heute zusammenhängt.

Angesichts der gleichgültigen Haltung gegenüber den Delegationen und ihrer Bitten überredete ich den Sekretär des ZK der UdSSR Andrej Gidenko und seinen Chef Wjatscheslaw Michailow, mir zu gestatten, an der Arbeit der Konferenz teilzunehmen. Auf Aufforderung von G. Grout kam niemand zur Konferenz, und mir wurde lediglich gestattet, an der Konferenz als einfacher Deutscher teilzunehmen, ohne jegliche Bevollmächtigung.

Größte politische Massenorganisation der KPdSU

Die Gründungskonferenz der Unionsgesellschaft der Sowjetdeutschen „Wiedergeburt“ fand vom 29. bis zum 31. März 1989 in Moskau statt, im Gebäude des Polytechnischen Museums. Von 135 Teilnehmern waren 54 Mitglieder der KPdSU, acht des Komsomol. Die Deutschen Kasachstans gehörten zu denen, die seit langem Anstrengungen unternahmen, das Schweigen über die Probleme ihres Volkes zu brechen.

Die Konferenz verabschiedete das Programm und die Satzung der Unionsgesellschaft der Sowjetdeutschen (ВОСН) «Wiedergeburt“, sowie zwei Appelle: „An die Partei- und Sowjetführung“, und „Appell an die Bevölkerung, die auf dem Gebiet der ehemaligen ASSR der Wolgadeutschen lebt“. Das höchste Leitungsgremium unter dem Namen Koordinationszentrum und dessen Präsidium, bestehend aus sieben Personen, wurde gewählt. Zum Vorsitzenden der ВОСН wurde Heinrich Grout gewählt. Mitglieder des Präsidiums wurden Eduard Airich, Gerold Belger und Jakob Fischer aus Kasachstan.

Zum Abschluss wurde die endgültige Resolution verabschiedet, deren erster Punkt die Gründung der gesellschaftlich-politischen und kulturell-aufklärerischen Unionsgesellschaft der Sowjetdeutschen „Wiedergeburt“ konstatierte. Sie war die erste gesellschaftliche Vereinigung der UdSSR, die ihre politischen Ziele erklärte. Innerhalb von drei Jahren vereinigte die BOCH bereits einhunderttausend Russlanddeutsche in ihren Reihen und wurde zur größten politischen Massenorganisation nach der KPdSU.

In einem Appell an das ZK der KPdSU und an den obersten Sowjet der UdSSR forderte die Konferenz, unverzüglich eine staatliche Kommission zur Wiederherstellung der Republik der Deutschen an der Wolga zu bilden, und richtete sich an alle Russlanddeutschen mit dem Aufruf, die Aktivitäten der Gesellschaft zu unterstützen, die auf die Wiederherstellung der Autonomie und das aktive Studium und die Verbreitung der Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen ausgerichtet waren.

Prozess des gezielten Widerstands

Die Konferenz wendete sich mit dem Antrag an den Obersten Sowjet der UdSSR, den Arbeitssoldaten den Status des Teilnehmers am Großen Vaterländischen Krieg zuzuweisen. Von dem beispiellosen Erfolg der Nationalbewegung der Deutschen und ihrem Einfluss auf die Öffentlichkeit zeugen die folgenden Ereignisse. Bei den Wahlen zum Obersten Sowjet der UdSSR wurden zum ersten Mal zehn Sowjetdeutsche gewählt und es wurde eine Kommission des Obersten Sowjets zu den Problemen der Sowjetdeutschen eingesetzt. Dieser gehörten auch der Vorsitzende der BOCH H. Grout und das Akademiemitglied B. W. Rauschenbach an.

Die Kommission beschloss bald die Notwendigkeit der Wiederherstellung der Republik der Deutschen an der Wolga in den Grenzen von 1941. Im November verabschiedete der Oberste Sowjet die Deklaration „Über die Anerkennung der rechtswidrigen und kriminellen repressiven Akte gegen Völker, die der gewaltsamen Umsiedlung ausgesetzt waren, und die Gewährleistung ihrer Rechte“.

Das Mitglied des ZK der KpdSU trat mit dem Vorschlag hervor, nicht zu zögern und noch vor dem Plenum des ZK der UdSSR die Entscheidung über die Wiederherstellung der Republik der Wolgadeutschen zu treffen. Das Ausmaß der Bewegung erschreckte die Führung der UdSSR. Der Prozess des gezielten Widerstandes begann. In der Hauptsache wurde als Gegengewicht zur Kommission von G. Kisseljow, der auch der deutsche „Sturmvogel“ Grout angehörte, eine zweite Kommission unter der Leitung des ehemaligen Ersten Sekretärs des Regionalkomitees Saratow der KPdSU W.K. Gussew gebildet.

Diese widersetzte sich langsam, aber gekonnt und selbstbewusst einer vollständigen Rehabilitierung der Sowjetdeutschen. Zur Schwächung der Position von „Wiedergeburt“ trugen die Sowjetdeutschen selbst bei, die der Kommission von Gussew angehörten. Sie unterstützten die Idee einer Assoziation anstatt einer Republik und die Bildung von Nationalbezirken in den kompakten Siedlungsgebieten der Deutschen. Es kam sogar der Vorschlag zur Bildung einer Republik der Deutschen in Kaliningrad auf.

Ziele blieben unerreicht

Diese Situation war der Grund für das langsame Abklingen der nationalen Bewegung zur Wiederherstellung der Republik der Wolgadeutschen und führte schließlich zu deren Niederlage. Sie wurde durch einen anderen Aufruf von Grout und seinem Team ersetzt: „Wenn wir unsere Republik nicht zurückbekommen, dann gehen wir alle in unsere historische Heimat zurück…“ Die brutale Gleichgültigkeit und die krankhafte Taubheit der Behörden waren der Grund für die massenhafte Ausreise. Dies wurde zum Protest der Verzweifelten. Die Emigration der Russlanddeutschen in die Heimat der Vorfahren anführend, half die Gesellschaft „Wiedergeburt“ dem Volk, über ihr Schicksal selbst zu entscheiden.

In der Organisation der gesellschaftlichen Bewegungen spielten mutige, heldenhafte Menschen eine vorrangige Rolle. Viele von ihnen waren, als sie verstanden, dass die Republik nicht wiederhergestellt werden würde, unter den hunderttausenden Russlanddeutschen, die nach Deutschland gingen.

In dem Buch „Russlanddeutsche: 70 Jahre in Erwartung auf Rehabilitation“ schreibt er: „Ich bereue nicht im Geringsten, dass ich die besten Jahre meines Lebens für den Versuch hergab, die Wiederherstellung der Gerechtigkeit in Bezug auf mein Volk zu erreichen. Wenn ich heute die Möglichkeit hätte, mit dem Wissen der heute bekannten Ergebnisse in diese Zeit zurückzukehren, würde ich, ungeachtet des Ruins meiner beruflichen Karriere und der Opfer im Privatleben, den zurückgelegten, steinigen Weg wiederholen. Ich glaube, dass dieser Weg, den unser Volk im Rahmen der BOCH „Wiedergeburt“ gegangen ist, ein heller und würdiger Teil der Geschichte der Russlanddeutschen ist“.

Die in den Dokumenten der Gründungskonferenz der „Wiedergeburt“ festgelegten Ziele wurden nicht erreicht. Dafür wurden aber die Voraussetzungen erfüllt für die Bewegung, das Land zu verlassen, welches die Russlanddeutschen nie als die eigenen anerkannt hat, obwohl sie viele Jahre lang danach gestrebt haben, dessen treue Söhne zu sein. Der berühmte Gerold Belger schrieb über das, was passiert ist: „Die 300-jährige Dienstreise der Deutschen nach Russland ging zuende.“ Mehr als 80 Prozent der Russlanddeutschen leben heute in Deutschland. Ungeachtet der vielen Probleme sind sie glücklich. Die nationale Unterdrückung belastet sie nicht mehr. Sie haben die Möglichkeit erhalten, Deutsche zu sein, ihre Kultur, ihre Bräuche und ihre Traditionen zu wahren und ihrer Geschichte zu gedenken.

Wladimir Aumann

Übersetzung: Philipp Dippl

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