Mit dem Verbot der Oppositions-Partei Demokratische Wahl Kasachstan (DWK) ist der schwelende Konflikt zwischen Befürwortern und Gegnern der Liberalisierung in Kasachstan offen entfacht

Niemand schien gerechnet zu haben mit einem Verbot der Oppositions-Partei Demokratische Wahl Kasachstan (DWK). Am 6. Januar trat es nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichts von Almaty in Kraft; daraufhin ging innerhalb der Opposition das große Rätselraten los. Alichan Baimenow von Ak Schol wollte in dem Verbot einen mehrschichtigen „Subtext“ erkennen, und in der Wochenzeitung Central Times Asia war von einem „großen Spiel“ die Rede, mit komplizierten Interessensverflechtungen im Hintergrund.

„Es ist offensichtlich, dass die Ereignisse in der Ukraine zum Katalysator dieses Prozesses wurden“, gab der Direktor des kasachstanischen Internationalen Büros für Menschenrechte, Jewgeni Schowtis, in der Wochenzeitung „Sös“ eine weitverbreitete Meinung wieder: wohl wegen der samtenen Revolution in der Ukraine holte die Regierung zu einem Präventivschlag aus, der das internationale Ansehen des Landes kaum steigern dürfte.

Zurück geht das Verbot auf den zweiten Parteitag der DWK am 11. Dezember. „Wir rufen das Volk Kasachstans zu entschlossenen Handlungen auf“, hieß es in der abschließenden, öffentlichen Erklärung der Partei, in der auch die Legitimität des Präsidenten Nursultan Nasarbajew aberkannt wurde. Die Staatsanwaltschaft sah in dieser Erklärung eine „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ sowie eine „Anstiftung zum sozialen Unfrieden“.

Durchaus in einem doppelsinnigen Ton der Selbstkritik bemühte sich die DWK am 10. Januar auf einer Pressekonferenz um Schadensbegrenzung. „Wir beabsichtigen nicht nur, die Tätigkeiten der Machtorgane nicht zu verhindern, sondern sind im Gegenteil bereit, ihnen bei der Vermeidung von weiteren Fehlern behilflich zu sein, die zur Vertiefung politischer Konfrontationen im Land führen können.“ Ob es was nützt, ist mehr als fraglich. Die Partei muss sich nun einen guten Anwalt besorgen, will sie nicht sang- und klanglos von der Oberfläche verschwinden.

Wohin der vier Monate nach den letzten Parlamentswahlen plötzlich manifest gewordene Konflikt zwischen Befürwortern und Gegnern der Liberalisierung in Kasachstan geht, bleibt offen. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass das DWK-Verbot Schule machen wird. „Heute die DWK, morgen Ak Schol, dann die Kommunistische Partei. Bald kann jeder, der die Macht kritisiert, der Anstiftung zum sozialen Unfrieden bezichtigt werden“, so Scharmachan Tujakbai, Haupt des Koordinierungsrates der Demokratischen Kräfte Kasachstans, düster in „Respublika“.

Viel war in der vergangenen Woche die Rede von den 100 Tausend Anhängern der DWK, über deren Willen sich die Justiz mit dem Parteiverbot einfach hinwegsetze. Doch niemand von ihnen war auf den Straßen zu sehen, als das Verbot bekannt wurde. Die Regierung kann aufatmen: Von Verhältnissen wie in der Ukraine ist man in Kasachstan noch Lichtjahre entfernt.

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