Vor allem wer an den Stadtgrenzen Almatys wohnt oder dort seine Spaziergänge macht, beobachtet schon seit langem ein stetiges Vorrücken des Baugeschehens auf die Berge. Bisher unbebautes, aber bewachsenes Gelände wird meist in rasantem Tempo eingezäunt.

Dann wird eine große Mauer errichtet, um im Anschluss mehr oder weniger geschmackvolle Häuser der unterschiedlichsten Typen hinzubauen – oftmals eher hinzuklotzen. Ich sehe nicht, dass dem Ganzen eine harmonische gestalterische Idee zugrunde liegt. Aber ich verstehe auch nicht allzu viel von Architektur.

Jedoch sehe ich, dass hinter den Kulissen eine Menge passiert beziehungsweise passieren muss. Rings um die Stadt sind die einst zahlreich vorhandenen und berühmten, wenn auch in letzter Zeit nicht mehr allzu gepflegten Obstplantagen, die unter anderem die berühmte Apfelsorte „Aport“ hervorgebracht haben, verschwunden. Dafür stehen oder standen sinnigerweise an manchen Stellen in der Stadt große Plakate mit der Aufschrift „Rettet den Aport!“ Vielen Einwohnern Almatys gefällt dieser eindeutige Raubbau an ihren Naherholungsgebieten und sogar innerstädtischen Parkanlagen verständlicherweise wenig. Aber was zählt schon die Meinung des kleinen Mannes, wenn es ums große Geld geht. Doch nun ist etwas Unerwartetes passiert. Eine höchstkarätige Regierungskommission wird das Baugeschehen in Almaty begutachten. Aber nicht aus dem Blickwinkel der Ästhetik. Da ließen sich sowieso keine richtigen Maßstäbe anlegen. Auch Energieeffizienz, Bauqualität und Erdbebensicherheit sind nicht die zu bewertenden Kriterien, obwohl es für letztere durchaus exakte Maßstäbe gäbe. Die neue Regierungskommission soll stattdessen die Rechtmäßigkeit des Immobilienerwerbs beurteilen. Kein Geringerer als der Ministerpräsident ist der Vorsitzende dieser Kommission. Eine Hand voll Minister sind Kommissionsmitglieder, und der Generalstaatsanwalt ist auch gleich dabei.

Junge, Junge, das ist natürlich ein heißes Eisen, was da zu untersuchen ist. Diese Sache anzupacken, geht natürlich nur auf höchstes Geheiß hin. Ein Gutteil der Rechtsverletzungen ist sowieso jedem Laien sichtbar. In den Wasserschutzzonen und an den Wasserläufen zum Beispiel darf in einer Breite von 100 Metern rechts und links nicht gebaut werden. Das entsprechende Gesetz ist ebenso alt, wie Verstöße gegen dieses Gesetz. Nun werden nicht wenige der Bauherren durchaus eine offizielle Genehmigung haben, die allerdings den Nachteil hat, dass sie gesetzliche Vorschriften ignoriert und folglich gar nicht ausgegeben werden durfte. Doch der schnöde Mammon ebnet manchen Weg.

Der Kommission wird es also nicht sehr schwer fallen, Verstöße der unterschiedlichsten Art zu finden. Die Frage ist jedoch, was dann passiert. Sollen die Leute, die „wissentlich unwissentlich“ schwarz gebaut haben durch den Abriss ihrer Behausungen bestraft werden? Aus vielen Gründen, darunter der Sicherheit für die Allgemeinheit, sollte das getan werden. Doch sicher ist eben nicht, dass verhindert wird, dass sich Bessergestellte wieder einen Ausweg erkaufen können. Überhaupt stellt sich die Frage, warum gerade jetzt diese Aktion anläuft, da man ja die unerwünschten Auswüchse des Baubooms schon vor Jahren erkennen konnte. Vielleicht steht jemand auf der Abschussliste, und man braucht einen eleganten Anlass?

Wie dem auch sei, wichtiger als das persönliche Schicksal mehr oder weniger hochgstellter Leute ist für mich der Mechanismus, der künftig verhindern sollte, dass es überhaupt erst zu den Auswüchsen kommt, die man im Russischen so schön mit „Prichwatisierung“ bezeichnet. Wenn die Kommission die Immobilienprozesse denn wirklich ersthaft und somit auf Dauer in Ordnung bringen und nicht nur ein Strohfeuer anzünden will, gehört eines dazu: die Schaffung wirklich demokratischer Strukturen der kommunalen Selbstverwaltung.

Bisher haben die regionalen Parlamente in solchen Fragen laut Gesetz kaum eine Stimme. Zudem ist ihre Zusammensetzung im Vergleich mit derjenigen der Bevölkerung nicht allzu repräsentativ, was eine ausgewogene Interessenvertretung mindestens erschwert. Hinzu kommt, dass sich dann noch neugewählte Parlamente sehr schnell zusätzlich vom Volk abnabeln, indem sie beispielsweise verbieten, dass während der Parlamentssitzungen gefilmt wird. Letzteres ist nun vielleicht Ausdruck von Angst, dass mancher Volksvertreter auch mal beim Einnicken gezeigt wird. Schwerwiegender scheint mir aber zu sein, dass so die Möglichkeit des Mauschelns gefördert werden könnte, also faule Kompromisse auch in Immobilienfragen leichter erreichbar wären.

Maximale Öffentlichkeit in öffentlichen Angelegenheiten – und dazu zählt nun mal der Handel mit öffentlichen Immobilien – ist unausweichlich, wenn sich etwas ändern soll. Bloße Kosmetik, das An-den Pranger-Stellen von ein paar „Schuldigen“, wird das tiefer liegende Problem nicht lösen können.

Im vergangenen Jahr hat in Schymkent schon eine ähnliche Kommission gearbeitet. Geändert hat sich dort nichts – zumindest bisher (siehe auch „Delowaja Nedelja“ vom 14.09.2007).

Bodo Lochmann

21/09/07

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