Bis zum 15. Februar wartete die 59. Berlinale fast zwei Wochen lang mit viel Glamour und namhaften Gästen auf. Diesmal gaben sich Ralph Fiennes, Kate Winslet, Tilda Swinton, Michelle Pfeiffer, Renée Zellweger sowie Demi Moore in Begleitung von Ashton Kutcher die Ehre. Abseits des Starrummels versuchten auch kasachische Filmschaffende einen Eindruck zu hinterlassen.
/Bild: Swetlana Jegorowa. ‚Hoffnungsträgerin des zentralasiatischen Films: Die Regisseurin Nargisa Mamatkulowa.’/
Die Berlinale widmet sich zunehmend auch dem Nachwuchs und Ländern mit noch schwach etablierter Filmproduktion. Wie im letzten Jahr gewann im Hauptwettbewerb ein Film aus Lateinamerika, die peruanisch-spanische Produktion der jungen Regisseurin Claudia Llosa, „La teta asustada“ (Die Milch des Leids). Der Film wurde vom World Cinema Fund – kurz WCF – gefördert. Der WCF unterstützt Filmprojekte aus Ländern, deren Filmindustrie kaum entwickelt oder durch politische und ökonomische Krisen in ihrer Existenz bedroht ist. Er finanziert auch zentralasiatische Filme.
Neben dem kirgisischen Film „Saratan“ förderte der WCF beispielsweise die deutsch-russisch-französisch-kasachische Produktion „Pesni juschnych morej“ (Lieder von der Südsee). Karsten Stöter, Produzent der an den Dreharbeiten beteiligten deutschen Firma „Rohfilm“ erinnert sich an die Warmherzigkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen während der Dreharbeiten. Die Produktion habe allerdings an mangelnder Organisation gelitten. Auf die Frage, ob er noch mal in Zentralasien drehen würde, meint Stöter, er sei dazu durchaus bereit, wenn ein interessantes Projekt auftauchen sollte. Zentralasien sei landschaftlich und geschichtlich faszinierend.
Um auf diese faszinierende Seite Kasachstans aufmerksam zu machen, zeigte sich zum ersten Mal während einer Berlinale die Produktionsfirma „Kasachfilm“ mit einem eigenen Stand. Sie bot neben Filmen vor allem Drehorte an, präsentiert auf DVD und Panoramafotos, die auch im amerikanischen Grand Canyon hätten geschossen sein können. Während Kollegen aus den baltischen Ländern Interesse an diesen Örtlichkeiten gezeigt hätten, sei der Stand von westeuropäischen Filmleuten jedoch kaum besucht worden.
Xenia Wolotschkowskaja von „Nikola-Film“ meint, dass das daran liegen könnte, dass viele zentralasiatische Filme zu stark lokal-kulturell geprägt seien. „Diese Filme sind für Festivals interessant, nicht aber für das breite Publikum“.
Information so schlecht wie Kommunikation
Das bescheidene Interesse an Koproduktionen mit Zentralasien könnte aber auch vom mangelnden Bekanntheitsgrad der dortigen Filmlandschaft bei westlichen Produzenten herrühren. Arno Ortmair, Produzent bei „Film-Line“ berichtet von mehreren schon umgesetzten Projekten mit und in Ost-Europa, aber Länder wie Russland und Zentralasien erscheinen ihm zu gefährlich. Stereotype Vorstellungen, wonach man sich in diesen Gegenden mit Leibwächtern umgeben müsse, sind durchaus noch üblich. Obwohl selbst Volker Schlöndorff „Ulschan – Das vergessene Licht“ in Zentralasien gedreht hat, gibt es immer noch einen Mangel an Information, der wiederum auf fehlende oder schlechte Kommunikation zurückzuführen ist. Herr Ortmair betont: „Man muss dem Partner vertrauen, aber westliche Produzenten kennen diese Partner kaum.
Genau dieser Mangel an notwendigen Informationen war augenfällig am „Kasachfilm“-Stand: Die Werbeträger enthielten kaum Kontaktdaten oder Namen von Ansprechpersonen. Schöne Plakate und DVDs machten Appetit ohne Hinweis darauf, wo und wie dieser zu stillen ist. Die Damen der Standbetreuung anzutreffen war ein rares Vergnügen. Möglicherweise aus Kostengründen verließ die kasachische Delegation Berlin schon einige Tage vor Ende des Festivals. Die am verwaisten Stand zurückgelassenen Werbematerialien wanderten am Tag des Abbaus ausnahms- und gnadenlos in den Müll.
Nächste Chance in Cannes
Gute Nachrichten für den zentralasiatischen Film gibt es aber auch. Junge engagierte Filmschaffende wie Nargisa Mamatkulowa, eine 25-jährige kirgisische Regisseurin, die aus weltweit mehr als 3.000 Bewerbern für den Berlinale Talent Campus ausgewählt wurde, lassen hoffen. Nargisa ist nach eigenen Worten mit großem Enthusiasmus nach Berlin gekommen, um Workshops zu besuchen, auf denen „Filmmogule“ und Mentoren ihre Erfahrung mit dem Nachwuchs teilen. Außerdem hofft sie, einen Koproduzenten in Deutschland zu finden, der sie bei ihrem für den kommenden Sommer geplanten Projekt unterstützen wird.
Auch Raschid Nugmanow, der seinen legendären Film „Igla“ in der Reihe „Winter adé“ vor viel Publikum präsentiert hat, hofft auf Koproduktionen mit westlichen Ländern: „Die Welt ist offener und globaler geworden. Westen und Osten müssen kooperieren. Die europäischen Länder machen viele Koproduktionen,- warum dann nicht mit uns, da wir viel Potenzial haben?“
Erfolge junger Filmemacher zeigen, dass es geht. Im Wettbewerb „Generation Kplus“ liefen zwei Filme mit kasachischem Kontext, eine georgisch-kasachische Produktion mit dem Titel „Gagma Napiri“ („Die andere Bank“) über einen georgischen Jungen aus Abchasien und der Film René Bo Hansens „Die Stimme des Adlers“, eine deutsch-schwedische Koproduktion. Letzterer wurde in der Mongolei gedreht und handelt von kasachischen Nomaden. Der Film mit prachtvollen Bildern von schönen Steppenlandschaften konnte „Bavaria Film International“ für den Weltvertrieb gewinnen und wurde vom „FilmFernsehFonds Bayern“ gefördert.
Gulnara Abikejewa, Kinokritikerin und Artdirektorin des Filmfestivals „Eurasia“ in Kasachstan findet, es sei schön, dass der Regisseur ein objektives Bild von Nomaden zeigen wollte, und es geschafft hat, deren Lebensweise zu inszenieren. Ihrer Meinung nach gibt es derzeit in Kasachstan einen Boom von Filmproduktionen. Im Vergleich zum Beginn der 2000er Jahre, als jährlich nur zwei bis drei Filme in Kasachstan produziert wurden, seien es 2008 mit gut zwanzig Filmen schon wesentlich mehr gewesen. Auf dem nächsten „Eurasia“- Filmfestival sollen unter dem Motto „Echo Berlinale“ die Gewinnerfilme der Berlinale in Astana gezeigt werden. Die nächste Bewährungsprobe erwartet den kasachischen Film im Mai in Cannes, wo „Kasachfilm“ seinen Stand erneut aufbauen wird.
Von Swetlana Jegorowa
20/02/09