Besonders Frauen in den Dörfern Usbekistans gehen heutzutage solchen Erwerbstätigkeiten wie der Süßwarenherstellung, Näharbeiten oder Landwirtschaft nach, wenn sie sich nicht als Zwischenhändlerin oder Tagelöhnerin – usbekisch „Mardikor“ – durchschlagen. Eine Frau wie Scharofat opa, die ihr Brot mit dem Brennen von Ziegeln verdient, gilt allerdings auch hier als Exotin.

/Bild: Binafscha Kalandarowa. ‚Vom Sohn in den Ofen befördert, stapelt Scharofat opa Ziegel auf Ziegel.’/

Als ich in den Hof trete, geht die Arbeit gerade flott vonstatten. Eine etwa 50jährige Frau begegnet mir, zeigt auf die hoch gestapelten Ziegel in der Ecke des Hofes und sagt lächelnd: „Hier ist unsere Produktion!“

Scharofat opa – das Wort „opa“ bedeutet „Schwester“ und wird bei den Usbeken neben dem Vornamen einer ältere Frau als Höflichkeitsform benutzt – lebt in einem Dorf in Schofirkon Tuman, einem Verwaltungskreis in der usbekischen Region Buchara. Sie hat vier Kinder – zwei Söhne und zwei Töchter. Zudem ist sie Großmutter von zehn Enkelkindern. Aus Armut und wegen der Arbeitslosigkeit in der Familie beschäftigt sie sich mit einem der schwierigsten und für Frauen ungewöhnlichen Arbeitszweige: der Ziegelproduktion.

Ich frage die offen und geradlinig wirkende Frau, wie sie auf die Idee gekommen ist, Ziegel zu produzieren. „Wir haben diese Arbeit vor vier Jahren auf den Rat des Vaters unserer Schwiegertochter hin begonnen. Damals ernährte er sich auch auf diese Weise. Da unsere räumlichen Voraussetzungen gut waren, meinte er, es sei genau das Richtige für uns, und wir sollten es doch einmal ausprobieren. Anfangs glaubten wir nicht, diese Idee realisieren zu können. Wir hatten durchaus eine Vorstellung davon, wie schwer und mühevoll diese Arbeit sein kann. Trotzdem sahen wir die Idee als Ausweg aus der schwierigen Lage und der Arbeitslosigkeit in der Familie“.

Früher hatte Scharofat opa von Feldarbeiten, zuerst im Kolchos, nachher auf den Feldern privater Bauern gelebt. Damit konnte sie nicht genug verdienen. Ihr Mann arbeitete als Techniker in der „Mubarak-Gaz“ Industrie. Nach und nach konnte er aus Gesundheitsgründen nicht mehr arbeiten, bis er schließlich seine Stelle aufgeben musste. Seit vier Jahren darf er keine schweren Arbeiten verrichten. Seine Gesundheit sei schlecht, der Blutdruck zu hoch. „Deshalb kann ich ihn nicht irgendwohin zur Arbeit schicken“.

Wenn schon schwer arbeiten, dann lieber zu Hause

Omon aka passt auf die drei Kinder seines älteren Sohnes Nodir auf, während alle anderen ich mit dem Haushalt beschäftigen.

Die beiden Töchter sind schon verheiratet. Der kleinere Sohn ist noch jung, arbeitet aber schon als Aushilfe in der Kühllagerung für die Lebensmittel in der Stadt Buchara. Der ältere Sohn ist auch schon verheiratet. Früher habe er als Koch gearbeitet, im Moment aber gebe es keine Arbeit für ihn. Die Schwiegertochter arbeitet auch nicht. Viele Männer und Frauen versuchen, in Russland Arbeit zu finden. Die Meisten kehren nicht heim, einige werden vermisst oder sie lassen nichts von sich hören. Einige gewissenlose Männer hätten sich von ihren Familien losgesagt und in Russland andere Frauen geheiratet.

Es gebe freilich auch gewissenhafte Menschen unter ihnen, die ab und an Geld an ihre Familien senden. „Aber ich denke, dass Arbeiten im Ausland, fern von den Angehörigen in der Heimat, sehr schwierig ist. Deshalb müssen wir diese Arbeit hier machen, egal wie mühselig sie auch sein mag. Meine Gesundheit ist auch nicht so gut, trotzdem – ich sehe keinen anderen Ausweg. Ich muss meinem Sohn bei der Arbeit helfen.“

Das Haus hat etwa 15-20 Quadratmeter Grundfläche. Im Kuhstall stehen zwei Rinder und einige Schafböcke. Im Gatter scharren ein paar Hühner. In der Mitte des Hofes wachsen Kartoffeln, Zwiebeln und Tomaten. Die Enkel von Scharofat opa laufen auf den Hof mit dem Freudenruf „Wir haben Gäste!“ Der kleinste Enkel ist noch kein Jahr alt. Der Mann von Scharofat opa, Omon aka, – das Wort „aka“ bedeutet „Bruder“ und wird neben dem Vornamen eines älteren Mannes als Höflichkeitsform benutzt – spielt mit ihm. Die Schwiegertochter Salima beschäftigt sich mit dem Haushalt.

Sohn hilft der Mutter in den Ofen

In der Ecke des Hofs liegt ein großer Sandhaufen. Nodir, der ältere Sohn der Familie, gießt Wasser darauf und bereitet den Ton vor. „Wir kaufen eine Lkw-Ladung Sand für etwa 15.000 – 20.000 Sum (etwa 8 Euro)“, erklärt Scharofat opa. „Die Arbeit wird hauptsächlich von mir und meinem Sohn erledigt“. Nachdem der Ton fertig ist, er wird in die Form gegeben. In eine Form passen nur drei Ziegel.

Wenn die Ziegel ein wenig getrocknet sind, steigt Scharofat opa in den Ofen hinunter und legt sie in einer bestimmten Anordnung hinein. Ihr Sohn nimmt sie bei den Händen und lässt sie in den Ofen hinunter. Anschließend reicht er Ziegel nach. Ich frage, ob es ihr keine Mühe bereitet, in die Tiefe des Ofens zu steigen. Sie lächelt: „Mein Körper ist ja klein, ich wiege etwa 48 bis 49 Kilo. Mein Sohn könnte zwar auch hinuntersteigen, aber ich kann ihn nicht hinein- und hinausheben“. Sie stapelt die Ziegel bis an den oberen Rand. In der Mitte bleibt gerade Platz für ihren Körper. Sie klettert während des Stapelns nach oben. Nach dem der Ofen mit Ziegeln gefüllt ist, wird das Feuer angezündet. Bis zum Ofen ist eine Gasleitung gelegt.

Laut Scharofat opa, werden die Ziegel in 24 Stunden fertig sein. Das Abkühlen dauert noch knapp zwei Tage. In einen Ofen passen zugleich 350 bis 400 Ziegel. Zwei Öfen lösen jeweils einander ab. Für den gleichzeitigen Betrieb würde das Gas nicht reichen.

Mich interessiert, wie lange man braucht, um eine Ofenladung Ziegel herzustellen. „Mehr als eine Woche“, meint Scharofat opa „Es gibt viele Etappen bei der Ziegelproduktion. Es ist uns nicht möglich, 400 Ziegel an einem Tag zu brennen. Dafür bräuchten wir zusätzliche Arbeitskräfte. Mein Sohn und ich schaffen gerade 200 Ziegel am Tag. Dann muss man sie schneiden und abtrocknen lassen. Wie lange das dauert, hängt wiederum vom Wetter ab. An einem warmen, sonnigen Tag trocknen die Ziegel natürlich am schnellsten. Wenn sie nicht trocken genug sind, können während des Brennens die unteren Ziegel brechen, die oberen umkippen, hineinfallen, und die ganze Arbeit wäre umsonst. Manchmal fällt das Gas aus, bevor die Ziegel im Ofen fertig sind. Dann müssen wir sie mit dem Holz brennen. Ansonsten werden sie unbrauchbar.“

Das Glück, anderen zu helfen

Zwischen 20.000 und 30 000 Sum (etwa 10 bis 15 Euro) kostet das Gas pro Monat. Einen Ziegel verkauft Scharofat opa für 100 Sum (etwa 5 Cent). „Im Monat machen wir etwa 250.000 bis 300.000 Sum (etwa 100 Euro) Gewinn. In der Saison können wir etwa 2.000 – 3.000 Ziegel produzieren. Aber das klappt nur, wenn es richtig heiß ist – in der Regel von Mai bis Oktober. Der Rest des Jahres ist für die Ziegelproduktion nicht geeignet.

Scharofat opa und ihr Mann bekommen zudem je eine Rente. Sie bezieht monatlich 56.000 Sum (etwa 20 Euro). Auch die drei Kinder des Sohnes und dessen Frau müssen mit versorgt werden. „Das ist schwierig, aber wir haben keine Wahl, wir machen weiter, solange wir Kraft in den Händen haben“.

Hauptsächlich Leute aus der Gemeinde Makhalla, in der Scharofat opa lebt, kaufen ihre Ziegel, erzählt sie. Dann und wann kämen auch Leute aus den benachbarten Dörfern, manchmal gebe es gar Bestellungen.

„Die Arbeit ist sehr schwer, aber solange wir davon leben, kann ich sie nicht aufgeben“, sagt Scharofat opa, als ich sie nach frage, ob ihr das Ziegelbrennen Freude bereitet. „Manchmal, wenn ich auf der Straße Gebäude mit meinen Ziegeln sehe, freue ich mich sehr“. Gut sei das Gefühl, anderen Menschen Belastungen abzunehmen. Denn ohne ihre Produktion müssten örtliche Hausbauer Ziegel von einer knapp 50 Kilometer entfernten Werkstatt holen. „Wenn sie die Ziegel von uns kaufen, ist das für sie günstiger, weil die Ziegel dort für 140 Sum verkauft werden.“

Neid und andere Hindernisse

Auch über eine Ausweitung der Fertigung habe sie schon nachgedacht. Dazu bräuchte man allerdings zusätzliche Arbeitskräfte, was Lohnkosten verursachen würde. „Unsere Öfen sind zu klein, es würden also weitere gebraucht, damit auch mehr Gas“. So etwas unter häuslichen Bedingungen zu realisieren, könne sie sich derzeit nicht vorstellen. „Dann müsste ich auch Einkommenssteuer zahlen.

Anfangs, erzählt Scharofat opa, habe sie alles offiziell gemacht. Auf 300.000 Sum Einkommen habe sie etwa 50.000 Sum Steuern gezahlt. Irgendwann habe ein Nachbar sich aus Neid über sie beschwert. Seine Bäume seien von der Hitze des Ofens ausgetrocknet. Sie empört sich: „Das ist reine Verleumdung! Sie sehen doch die Bäume in unserem Hof. Wenn das wahr wäre, wären unsere Bäume zuerst vertrocknet!“ Mit diesen Beschwerden hätten die Probleme und Laufereien begonnen, und Scharofat opa und ihr Sohn hätten sich schließlich dafür entschieden, das Geschäft offiziell zu schließen. „Dann mussten wir ohne Papiere weiter machen, man muss doch von irgendetwas leben!“ Regelmäßig würden zwar die Leute vom Finanzamt stören, aber mit dem „Verschenken ihres Anteils“ sei eine schnelle Lösung gefunden worden.

Seit vier Jahren betreibt Scharofat opa nunmehr ihr kräftezehrendes Handwerk. Ich möchte wissen, ob ihre Gesundheit bereits darunter leide. Heftige Schmerzen an Händen und Füßen habe sie zu beklagen. Sie glaubt, das käme einerseits vom schweren Tragen, andererseits daher, dass sie mitunter in den noch 60 bis 70 Grad heißen Ofen hinabsteigen müsse, wenn Kunden es besonders eilig haben.

Ich frage schließlich, wie lange sie das alles noch aushalten wird. Scharofat opa zuckt mit den Schultern und meint: „Wenn ich nicht vom Gasversorgungsamt oder der Steuerbehörde gestört werde oder die Nachbarn dagegen sind, werde ich weitermachen, solange die Kräfte reichen. Ich fühle mich als Frau nicht beleidigt, weil ich diese Arbeit mache. Gott möge mir die nötige Gesundheit geben, um weiter für meine Kinder und die Familie zu sorgen“.

Die Autorin ist Teilnehmerin der III. Zentralasiatischen Medienwerkstatt.

Von Binafscha Kalandarowa

31/07/09

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